Korruption in der Pflege:Markt statt Ethik

Altenpflege

Zweieinhalb Millionen Menschen sind in Deutschland auf Pflege angewiesen. 30 Prozent davon leben in einem Heim - die Hauptlast tragen Angehörige.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Hohe Rendite locken Investoren in den milliardenschweren Pflegemarkt. Der ist so unübersichtlich und wenig kontrolliert, dass Korruption und Betrügereien kaum auffallen. Transparency International hat zusammengestellt, was mit ein bisschen krimineller Energie alles möglich ist.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Was mag so ein Mensch kosten, an Bett und Beatmungsmaschine gefesselt, höchste Pflegestufe, aber mit einer unbestimmten Lebenserwartung? Einige Pflegedienste kennen den Preis: 40.000 bis 60.000 Euro würden sie zahlen, um so einen Patienten zu bekommen.

Als perfiden Menschenhandel hat das SWR-Magazin Report Mainz vor gut einem Jahr diese Praktik aufgedeckt. Deren Reporter haben von einem Pflegedienst in einem fingierten Verkaufsgespräch gleich fünf Intensivpatienten zum Schnäppchenpreis von 250.000 Euro angeboten bekommen. Pro Patient sei ein Profit von bis zu 4000 Euro Pro Monat drin - lautet das Versprechen. Gewinnbringende Aussichten also.

Barbara Stolterfoth jagt die Geschichte noch heute einen Schauer über den Rücken. Sie und Anke Martiny haben für die Organisation Transparency International (TI) solche Fälle gesammelt. An diesem Dienstag haben sie ein Heft vorgestellt (PDF), das einen guten Überblick darüber gibt, was an Ausbeutung, Betrügereien und Korruption in der Pflege möglich ist.

Und es zeigt: In der Pflege sind Milliarden zu holen. Allein die gesetzliche Pflegeversicherung gibt jedes Jahr weit über 20 Milliarden Euro aus. Etwa die gleiche Summe kommt aus den Töpfen privater Versicherer, der Angehörigen und den Sozialämtern, die die Pflege für Bedürftige bezahlen müssen. Für die über 2,5 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland arbeiten heute gut eine Million Menschen als Pflegekräfte oder in der Verwaltung. Mehr als in der Automobilindustrie. Allerdings zu weit geringeren Löhnen.

Das Pflegesystem ist zudem hochkomplex. Es lade schon deshalb "geradezu zu Betrug und Ausbeutung ein", sagt TI-Autorin Martiny.

Ein Problem ist die mangelnde Kontrolle der Pflegedienste und -heime. Ein Pflegedienst, der in einem Stadtbezirk auffällig wird, könne ungeschoren in den nächsten Stadtbezirk abwandern. Der Grund: Es gibt kein einheitliches Register, in dem Regelverstöße verzeichnet werden. Das gilt auch für die Betreiber von Pflegeheimen. Wer in Hamburg mit gefälschten Abrechnungen und Minutenprotokollen aufgeflogen ist, kann damit in Bayern einfach weitermachen. Ohne ein Register erfährt dort niemand von früheren Machenschaften.

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