Konkurrenz für den Marktführer:"Spürbar preiswerter als die Bahn"

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Mit Billig-Angeboten drängt die französische SNCF auf die lukrativen deutschen Fernverkehr-Strecken. Die Bahn ist entsetzt.

Tobias Dorfer und Michael Kläsgen

Im Fernverkehr gab es bislang zur Bahn so gut wie keine Alternative. Während auf den Regionalstrecken kleinere Anbieter dem Platzhirsch Konkurrenz machen, waren die margenstarken Fernverbindungen bislang fast ausschließlich Sache der Deutschen Bahn.

Die französische SNCF möchte der Deutschen Bahn im Fernverkehr Konkurrenz machen. (Foto: Foto: dpa)

Das könnte sich jedoch bald ändern. Zwei Konkurrenten drängen mit Kampfpreisen auf das deutsche Schienennetz - mit einem Ziel: dem Marktführer Anteile abzujagen. Bereits am 15. August 2010 geht Locomore Rail an den Start. Das im Jahr 2007 gegründete Unternehmen Locomore Rail hat eigenen Angaben zufolge bereits den Zuschlag für die Nutzung des Schienennetzes erhalten. Drei Mal täglich werde das Unternehmen die Verbindung zwischen Köln und Hamburg bedienen, sagte Geschäftsführer Derek Ladewig zu sueddeutsche.de. Dabei wolle Locomore "spürbar preiswerter als die Bahn" sein.

"Das wird eine blutige Schlacht"

Ein anderer Konkurrent bereitet den Verantwortlichen im Berliner Bahn-Tower jedoch weitaus mehr Kopfschmerzen. Denn ausgerechnet die französische Staatsbahn SNCF will der Deutschen Bahn im Fernverkehr Konkurrenz machen. Auf zwei deutschen Strecken möchten die Franzosen mit ihrer Tochter Keolis ins Geschäft kommen.

"Der Vorstandschef der französischen Staatsbahn, Guillaume Pepy, hat uns darüber informiert, dass es einen entsprechenden Antrag gibt", sagte ein Bahn-Sprecher zu sueddeutsche.de. Die SNCF bestätigte lediglich, dass sie einen Antrag zur Streckennutzung in Deutschland für die Jahre 2011 bis 2015 gestellt habe.

Angespanntes Verhältnis

Die gebrauchten Züge sollen zwischen Frankfurt-Main und Hamburg sowie zwischen Frankfurt und Berlin verkehren, heißt es in dem Bericht - und dort den Intercity-Verbindungen der Bahn preislich Konkurrenz machen. Die Bahn-Oberen reagierten angesäuert: "Im Krieg gibt es keine Gewinner", sagte der Bahn-Vorstand für Personenverkehr, Ulrich Homburg, der Financial Times Deutschland (FTD). "Das wird eine blutige Schlacht, die in den Bilanzen tiefe Spuren hinterlässt." Homburg erwartet demnach auch, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy interveniert. Ein Konzernsprecher relativierte die Aussagen. Man dringe lediglich auf "einheitliche Regeln in Europa". Auch Frankreich müsse seine Netze für ausländische Konkurrenten öffnen.

Die jüngste Eskalationsstufe im Konkurrenzkampf zwischen SNCF und Deutscher Bahn zeigt deutlich, wie angespannt das Verhältnis ist. Einerseits kooperieren die Franzosen mit den Deutschen: Auf der Strecke zwischen Paris und Stuttgart fahren TGV-Züge, zwischen Paris und Frankfurt sind ICE-Züge unterwegs. Bei Thalys, dem Betreiber der Verbindung zwischen Paris und Köln sind beide Konzerne sogar Gesellschafter.

Ansonsten jedoch beharken sich die beiden größten Bahngesellschaften Europas wie ein altes Ehepaar. Seit Jahren klagt die Bahn darüber, in Frankreich diskriminiert zu werden - und in der Tat: Der innerfranzösische Markt wird nur zögerlich für Konkurrenz aus dem Ausland geöffnet, jedenfalls was den Personenverkehr betrifft.

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Im Güterverkehr sieht die Sache jedoch anders aus. Da ist die Deutsche Bahn mit ihrem Tochterunternehmen Euro Cargo Rail längst der mit Abstand größte Konkurrent der französischen Staatsbahn. Die deutsche Konkurrenz grast Marktanteile ab, wo sie nur kann - der SNCF-Geschäftsführung und den Gewerkschaften ist das schon lange ein Dorn im Auge. Seit der Marktöffnung im Güterverkehr hätten sich die Beinahe-Katastrophen gehäuft, schimpfen Gewerkschafter.

Für die SNCF-Güterverkehr-Sparte verheißt dies nichts Gutes. Seit Jahren schreibt sie Verluste. In diesem Jahr sind die sogar so hoch, dass sie die gesamte SNCF in die rote Zahlen ziehen. Auch daher bekommen die Gegner der Marktöffnung Rückenwind. Sie fordern, private und ausländische Anbieter strenger zu kontrollieren.

Bisweilen nimmt der Streit zwischen SNCF und Deutscher Bahn auch bizarre Züge an. So lancierte SNCF-Chef Pepy eine Medienkampagne gegen den deutschen Konkurrenten, weil dieser angeblich SNCF-Mitarbeiter auf einer internen Seite der Franzosen abgeworben habe.

Konflikt mit Siemens und Alstom

Die Deutschen schließlich empörten sich öffentlich, weil sie sich bei der Auftragsvergabe im Regionalverkehr ausgebremst fühlten. Auch schafften die Franzosen es, die Deutschen davon abzuhalten, sich am Eurostar, dem Betreiber der Tunnel-Verbindung zwischen Paris und London, zu beteiligen.

Deutschland ist da offener: Die SNCF-Tochter Keolis und der französische Privatanbieter Veolia sind heute im Personennahverkehr mit die größten Konkurrenten der Deutschen Bahn. Keolis befährt unter dem Namen Eurobahn in Nordrhein-Westfalen unter anderem die Strecken zwischen Münster und Dortmund sowie zwischen Hamm und Düsseldorf. Veolia fährt mit seinen Connex-Zügen von Warnemünde über Berlin nach Leipzig.

Konflikte gibt es unterdessen nicht nur zwischen der Bahn und der SNCF - auch das Verhältnis der Bahn zu Alstom und Siemens ist angekratzt. Die beiden Konzerne kämpfen derzeit um einen Milliardenauftrag aus Berlin. Bis 2028 will die Bahn 300 neue Züge kaufen. Doch die vorgelegten Angebote sind dem Unternehmen zu teuer. Jetzt droht die Bahn: Sollten die beiden Bieter Siemens und Alstom ihre Preise nicht kräftig reduzieren, will das Management Konkurrenten aus Asien die Tür öffnen. "Der Preis, der auf dem Tisch liegt, ist nicht bezahlbar", sagte Bahn-Vorstand Homburg dem Handelsblatt.

Siemens äußerte Unverständnis über den Vorstoß. "Wir haben ein attraktives Angebot abgegeben. Es ist jetzt an der Bahn zu entscheiden", sagte ein Konzernsprecher. Die Aussicht, dass Siemens den Auftrag verlieren könnte, schlug sich auch an der Börse nieder. Die Papiere des Techologiekonzerns verloren mehr als ein Prozent.

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