Türkei:Erdoğans gefährlichster Feind ist das Geld

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Ein Crash wie jetzt bei der Lira markiert meist den Beginn einer jahrelangen Wirtschaftskrise. (Foto: AFP)

Der türkische Präsident ist machtlos gegen den Verfall der Lira. Dass US-Präsident Trump ihm nun auch noch einen Vorwand liefert, die Schuld dafür dem Westen zuzuschieben, ist töricht.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Recep Tayyip Erdoğan hat viele Feinde, doch der gefährlichste ist das Geld. Er kann es nicht kontrollieren, nicht fassen, nicht in die gewünschte Richtung lenken. Das Kapital lässt sich nicht mit Panzern zähmen, nicht mit Polizisten, nicht mit dem harten Griff der Justiz. Im Gegenteil: Je mehr der türkische Präsident durchgreift, umso mehr verschreckt er die Anleger aus dem In- und Ausland. Weil sie um den Wert ihres Vermögens fürchten, tauschen sie es in Euro oder Dollar um und stoßen Lira ab; und da die Währung fällt, wetten auch immer mehr Spekulanten gegen die Lira - und treiben sie weiter in den Keller.

Seit Monaten schon versucht Erdoğan, den Verfall der Lira zu stoppen. Wiederholt forderte er seine Landsleute auf, ihre Sparguthaben, die sie oft in Euro und Dollar halten, in die heimische Währung umzutauschen - ein Akt der Verzweiflung, der wenig bewirkte. Immer wieder attackierte er zudem die Notenbank in Ankara, weil sie zu wenig gegen die Krise tue; schließlich brachte er sie stärker unter seine Kontrolle - aber dies verstärkte nur das Misstrauen der Anleger.

So dramatisch wie an diesem Freitag war es aber noch nie: Gleich am Morgen brach die Lira um 13 Prozent ein, erholte sich dann kurz, um am frühen Nachmittag noch weiter abzustürzen: um 22, 23, fast 24 Prozent. Denn mitten in die dramatische Währungskrise hinein verkündete Donald Trump, die Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei zu verdoppeln; er verschärfte damit den Streit, der seit Wochen zwischen Ankara und Washington tobt, weil die Türkei einen amerikanischen Priester inhaftiert hat.

Ein so heftiger Kurssturz kommt bei einer Währung nur ganz selten vor. Devisen schwanken, anders als Aktien, meist nur gering, um wenige Zehntel Prozentpunkte von Tag zu Tag. Erlebt eine Währung hingegen solch einen plötzlichen Crash, markiert dies meist den Beginn einer jahrelangen Wirtschaftskrise, in der Millionen Menschen ihren Job verlieren - politische Unruhen inklusive. So war es in Argentinien, so war es in Thailand, in Südkorea, in Indonesien.

Eine Währungskrise springt oft auf andere Länder über

Erdoğan macht für den Absturz der Lira vor allem ausländische Mächte verantwortlich: die Spekulanten und den Westen. Tatsächlich aber waren die Probleme lange hausgemacht, sie lagen in seiner rigiden Herrschaft begründet. Auch der Streit um die Inhaftierung des amerikanischen Priesters beruhte größtenteils auf seinem autokratischen Regierungsstil - und dem Versuch, Gefangene als politisches Faustpfand einzusetzen. Verschärft wird dieser Konflikt nun durch einen US-Präsidenten, der am Freitag ohne jedes Gespür für mögliche Kollateralschäden die Zölle erhöhte. Trump tat dies in einem Augenblick, der gefährlicher nicht sein könnte: für die Türkei, aber auch für die internationalen Finanzmärkte.

Denn schwere Währungskrisen bleiben oft nicht auf jenes Land beschränkt, in dem sie ihren Anfang nehmen; sie können, wenn die Anleger die Angst packt, auch auf andere Schwellenländer überspringen - und nicht nur dort die Wirtschaft in schwere Turbulenzen bringen, sondern ebenso in den Industriestaaten. Trumps Entscheidung, just am Freitag die Zölle für die Türkei zu erhöhen, ist deshalb ein gefährliches Spiel mit dem Feuer - er liefert Erdoğan zudem das Argument frei Haus, dass es sehr wohl der Westen sei, der die Lira abstürzen lasse.

Womöglich wird Erdoğan die Krise am Ende nur mit ausländischer Hilfe meistern können: unterstützt durch ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF). Es wäre eine schwere Demütigung für den Präsidenten. Deshalb dürfte er so lange wie es irgend geht warten, ehe er den IWF ruft - zumal dieser in Washington sitzt, nicht weit entfernt vom Weißen Haus des Donald Trump.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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