Aktionsplan:Wie die EU-Kommission den Finanzmarkt regulieren will

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Pariser Finanzviertel La Défense: Wer im Ausland investiert, versteuert die Erträge oft zuerst einmal dort - und dann noch einmal in der Heimat. (Foto: Danita Delimont/ Imago)

Die Brüsseler Behörde will es Anlegern einfacher machen, Geld im Ausland zu investieren - und sicherstellen, dass es auch in Zukunft noch genug Bargeld gibt.

Von Björn Finke, Brüssel

Am kommenden Mittwoch stehen in Brüssel Finanz-Festspiele an: Die EU-Kommission will dann gleich fünf Aktionspläne oder Gesetzesvorschläge zur Regulierung der Finanzbranche vorstellen. Eins der weitreichendsten Dokumente ist der Aktionsplan zur Kapitalmarktunion. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich die Vision, in Europa einen einheitlichen Kapitalmarkt zu schaffen, sodass Anleger und kapitaldurstige Firmen auch ausländische Börsen ohne bürokratische Hürden nutzen können. Der SZ liegt ein 26-seitiger Entwurf des Plans vor. Darin kündigt die Behörde unter anderem einen Gesetzesvorschlag an, der die Besteuerung von Zinsen und Dividenden im Ausland vereinfachen soll.

Wer im Ausland investiert, versteuert die Erträge oft dort und noch einmal in der Heimat. Doppelt gezahlte Steuern zurückzufordern, ist mühsam - und lässt Anleger davor zurückschrecken, im EU-Ausland ihr Glück zu versuchen. Außerdem will die Kommission darauf hinwirken, dass sich die Insolvenzregeln in den 27 Mitgliedstaaten angleichen. Wären die Vorschriften ähnlicher und die Systeme überall verlässlich, könnten Investoren viel beruhigter Firmengründern im EU-Ausland Geld zur Verfügung stellen. Im Aktionsplan heißt es, die Behörde werde bis Sommer 2022 eine Initiative starten, "um die Resultate von Insolvenzverfahren besser vorhersehbar zu machen". Ob dazu ein EU-Gesetz gehören wird, lässt das Papier offen. Aus gutem Grund: Eine Vereinheitlichung des Insolvenzrechts mag aus Investorensicht wünschenswert sein, ist politisch aber äußerst heikel.

Solche Schwierigkeiten sind der Grund dafür, wieso es bei der Kapitalmarktunion bislang nicht recht vorangeht. Die Kommission veröffentlichte bereits 2015 einen ersten Aktionsplan, und die EU-Finanzminister betonen stets, wie wichtig das Thema sei. Trotzdem blieben Durchbrüche aus. Der neue Plan bilanziert nüchtern, einem einheitlichen Kapitalmarkt stünden "immer noch bedeutende Hürden in vielen Bereichen" entgegen, etwa bei "Aufsicht, Besteuerung und Insolvenzrecht". Grund seien historische und kulturelle Unterschiede zwischen Ländern; "sie sind tief verwurzelt, und es wird dauern, sie zu überwinden". Doch nach dem Brexit gehört Europas größter Finanzplatz London nicht mehr zur EU, gleichzeitig erhöhen die Folgen der Pandemie und der grüne Wandel der Wirtschaft den Kapitalbedarf: Fortschritte würden deswegen dringender, heißt es.

Das Ziel: Es muss immer genug Geldautomaten geben

Um Mittelständlern zu helfen, will die Kommission prüfen, ob sie die Regeln für Börsengänge vereinfachen kann. Zudem möchte Brüssel untersuchen, ob die Vorschriften zur Finanzmarktaufsicht stärker vereinheitlicht werden müssen. Die Behörde verspricht hier, Lehren aus dem Wirecard-Skandal zu ziehen. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten ihre Bürger mehr in Anlegerwissen schulen.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber ist nicht sehr beeindruckt: "Der Aktionsplan ist alter Wein in neuen Schläuchen." Die Strategie enthalte nützliche Ideen, von denen viele aber wohl bekannt seien, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der europäischen Christdemokraten. Anstatt kluge Forderungen zu wiederholen, "täte die Kommission gut daran, diesmal endlich" für die Umsetzung zu sorgen.

Neben dem Kapitalmarkt-Plan wird die Behörde am Mittwoch unter anderem eine Strategie für den Zahlungsverkehr veröffentlichen. Dort geht es darum, die Abwicklung von Überweisungen und Zahlungen in Europa zu verbessern. Die Kommission klagt etwa, dass zu wenige Banken Echtzeitüberweisungen anböten, und droht, dies zur Not per Gesetz zu erzwingen. Zudem möchte sie erreichen, dass Nutzer von Bankkarten selbst über die Höchstgrenze bei kontaktlosem Bezahlen entscheiden können. Bislang muss bei Beträgen bis 50 Euro keine Geheimzahl eingetippt werden. Wem das zu viel ist, der muss die Funktion meist komplett abschalten. Das Strategiepapier, dessen Entwurf der SZ vorliegt, hebt jedoch auch die Bedeutung von Bargeld hervor: Der löbliche Vormarsch elektronischer Transfers dürfe nicht dazu führen, dass Bürger, die lieber bar zahlen, Probleme bekämen. Die Kommission regt an, dass Mitgliedstaaten falls nötig eine Mindestversorgung mit Geldautomaten sicherstellen sollten.

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