Nachruf auf Jürgen Donges:Die Bringschuld des Ökonomen

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Ein Ökonom, der sich einmischte: Jürgen B. Donges. Am vergangenen Freitag ist er im Alter von 80 Jahren im Kreise seiner Familie in Köln gestorben. (Foto: Thomas Imo/imago)

Jürgen B. Donges war ein Wirtschaftswissenschaftler mit starken Positionen und ohne Scheu vor Konflikten. Er hatte einen bleibenden Einfluss auf Deutschlands Politik.

Von Nikolaus Piper

Ökonomen müssten zum Konflikt bereit sein, fand Jürgen Donges und erklärte dies seinen Studenten immer wieder. Wirtschaftswissenschaftler hätten eine "Bringschuld gegenüber der Öffentlichkeit" - an diese Maxime hielt sich Donges während seines gesamten Arbeitslebens auch selbst. Der Ökonom mischte sich ein, als Mitarbeiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, als Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität zu Köln, als Vorsitzender des Sachverständigenrates (SVR), als Vorsitzender einer Deregulierungskommission und schließlich als Mitglied der von den Metallarbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Er focht für den Abbau staatlicher Regulierungen und erhob bereits in den 1980er Jahren die damals wie heute unpopuläre Forderung, den Handel mit armen Ländern in Afrika, Südamerika und anderswo freizugeben, weil diese nur so zu Wohlstand kommen könnten. Vielen galt der Professor als "neoliberal" oder "marktradikal". Unter seinen Kölner Studenten war er als strenger Prüfer gefürchtet und als leidenschaftlicher Wissenschaftler bewundert. "Donges war kompromisslos in der Sache, wenn es um ökonomische Vernunft ging," sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. "Aber er war auch bereit, seine Meinung zu ändern, wenn man ihn mit guten Argumenten überzeugte."

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Jürgen Bernardo Donges wurde 1940 als Sohn eines deutschen Bankangestellten in Sevilla geboren und wuchs in Madrid auf. Dort machte er erst das spanische und dann das deutsche Abitur. Spanisch war seine erste Sprache, er blieb dem Land und seiner Kultur verbunden. "Erst wenn er Spanisch sprach, konnte er so richtig aus sich herausgehen", erinnert sich Michael Hüther. Donges studierte an der Universität Saarbrücken, damals ein Hort ökonomischen Denkens. Herbert Giersch, einer der einflussreichsten Professoren dort, wurde 1969 Präsident des Weltwirtschaftsinstituts und nahm Donges mit. In Kiel befasste er sich mit Entwicklungsländern und Strukturpolitik und wurde schließlich Vizepräsident. Als 1989 nicht er, sondern der Konstanzer Horst Siebert Nachfolger von Giersch in Kiel wurde, nahm er einen Ruf an die Uni Köln an.

Donges forderte eine Deregulierung des Arbeitsmarktes

Einer der Vorteile des Standorts Köln war dessen Nähe zu Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt. Die Politik war präsenter. Im Jahr 1992 berief Bundeskanzler Helmut Kohl ihn in den Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" (2000 wurde er dessen Vorsitzender). Seit 1988 schon leitete er eine Deregulierungskommission der Bundesregierung. Einige ihrer Vorschläge sind inzwischen ganz oder teilweise Wirklichkeit geworden: die Abschaffung des Postmonopols und die Gründung von Deutscher Post und Deutscher Telekom, die Öffnung der Energiemärkte, der Wettbewerb in einem Teil des Schienenverkehrs.

Donges wollte aber mehr. Er war überzeugt davon, dass das "europäische Sozialmodell", wie er es nannte, keine Zukunft haben würde und forderte die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die junge Generation werde nicht fair behandelt, weil die Jungen für ihre Rentenbeiträge nicht die entsprechende Gegenleistung erwarten könnten, beklagte er bereits 2003 in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er lehnte den Meisterzwang im Handwerk ebenso ab wie eine Transatlantische Freihandelszone (TTIP). Alle Handelspartner sollten gleich behandelt werden. In der Euro-Krise protestierte er gegen die Anleihekäufe durch die EZB. Er sah darin einen verbotenen Akt der Staatsfinanzierung durch die Notenbank.

Am vergangenen Freitag ist Jürgen Donges im Alter von 80 Jahren im Kreise seiner Familie in Köln gestorben.

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