Jahresgutachten der Ökonomen:Wirtschaftsweise geißeln Merkels Steuerpläne

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Knallharter Zerriss: Die fünf Wirtschaftsweisen kritisieren die Steuersenkungspläne von Schwarz-Gelb und empfehlen Kanzlerin Merkel ein rigoroses Sparprogramm. Wachstum allein könne Deutschland nicht retten.

Claus Hulverscheidt und Thomas Öchsner, Berlin

Die fünf Wirtschaftsweisen haben vernichtende Kritik an den Steuersenkungsplänen der neuen Bundesregierung geübt. Angesichts der riesigen Haushaltslöcher seien Entlastungen, die nicht gegenfinanziert würden, "mit einer seriösen Finanzpolitik nicht vereinbar", heißt es im neuen Jahresgutachten des Sachverständigenrats, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Wachstum allein löse die Probleme ohnehin nicht. Deshalb müsse von 2011 an strikt gespart werden.

Kanzlerin Angela Merkel wird am Freitag das 400-Seiten-Gutachten entgegennehmen und sich den Protest der Professoren anhören müssen. (Foto: Foto: dpa)

"Auch wenn es die neue Bundesregierung nicht wahrhaben will: Ohne harte Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben oder ohne Erhöhungen von Steuern oder anderen Abgaben kann eine Konsolidierung der Staatshaushalte nicht gelingen", schreiben die Ökonomen, die die Regierung in finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen beraten. Die Passagen des Koalitionsvertrags zur Haushaltssanierung könnten "in keiner Weise überzeugen". "Schlimmer noch, ohne auf die Finanzierung einzugehen, werden zusätzliche steuerliche Entlastungen in einem Gesamtvolumen von 24 Milliarden Euro versprochen", schreibt der Rat.

Lob und Tadel

Die scharfe Kritik ist für Union und FDP besonders schmerzlich, weil sie zumindest einige der Professoren auf ihrer Seite wähnte. Stattdessen werden Teile der Koalitionsvereinbarung in dem Gutachten geradezu zerrissen. So bemängelt der Rat beispielsweise, dass die Koalition auf eine weitere Flexibilisierung des Tarifrechts und des Kündigungsschutzes verzichten will. Gelobt werden dagegen die geplanten Reformen im Bereich der Banken und die vorgesehenen Mehrausgaben für die Bildung.

Insgesamt erwarten die Experten, dass die deutsche Wirtschaft nach einem Einbruch um fünf Prozent in diesem Jahr im nächsten Jahr um 1,6 Prozent wachsen wird. Damit sind sie etwas optimistischer als die Regierung, die mit 1,2 Prozent rechnet, aber nicht ganz so zuversichtlich wie einige Bank-Ökonomen. Die Zahl der Arbeitslosen wird der Prognose zufolge im Durchschnitt des Jahres 2010 um gut 500.000 auf 3,97 Millionen steigen. Anders als zunächst befürchtet, werde die Marke von fünf Millionen Arbeitslosen aber klar verfehlt, heißt es in dem über 400-seitigen Papier, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Freitag übergeben werden soll.

Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit wird nach Einschätzung der Ökonomen 2010 auf 5,1 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Das wäre der höchste Wert seit Jahrzehnten und entspräche in absoluten Zahlen einem Fehlbetrag von etwa 120 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund müsse die Regierung nach Überwindung der Krise einerseits strikt sparen und andererseits Investitionen tätigen, die die Wachstumskraft stärkten, heißt es in dem Jahresgutachten. Der Koalitionsvertrag lasse jedoch "nur bedingt den Schluss zu, dass sich die neue Bundesregierung des Ausmaßes dieser Herausforderungen bewusst ist".

Zumindest die FDP hält trotz der Kritik an den geplanten Steuersenkungen in Höhe von jährlich 24 Milliarden Euro fest. Die Liberalen drohten am Donnerstag damit, einen eigenen Gesetzesantrag zu erarbeiten, sollte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) weigern, einen Entwurf vorzulegen. Schäuble hatte zuvor mit der Aussage Verwirrung ausgelöst, für eine große Steuerreform sei kein Geld da. Später erklärte er jedoch, Bürger und Betriebe würden wie im Koalitionsvertrag vereinbart um "mehr als 20 Milliarden Euro" entlastet. Die CSU bezeichnete den von der FDP verlangten Einkommensteuer-Stufentarif als "Theorie-Murks".

© SZ vom 13.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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