Jahresbericht der UN-Arbeitsorganisation:Jugend ohne Job

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Seit Monaten protestieren junge Menschen in Europa gegen ihre verzweifelte Lage, hier in Spanien. Weltweit ist die Arbeitslosigkeit dramatisch angestiegen. (Foto: REUTERS)

Weltweit steigt die Arbeitslosigkeit dramatisch an, besonders stark betroffen sind 15- bis 24-Jährige. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO hervor. Darin heißt es: Schuld an der negativen Entwicklung sei die Sparpolitik vieler Länder.

Von Guido Bohsem

Die Finanzkrise wird allzu oft als europäisches Phänomen wahrgenommen. Insbesondere in Deutschland verengt sich der Blick häufig auf die Krisenländer und die milliardenschweren Hilfspakete für sie. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass der Auslöser des ganzen Schlamassels in den USA lag und dass von den Folgen nicht nur die Schuldenstaaten der Euro-Zone, sondern beinahe die ganze Welt getroffen wurde.

Wie sehr die Arbeitnehmer auf dem ganzen Globus noch immer unter dem Schock der Krise leiden, zeigt der neue Jahresbericht der Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO), der an diesem Dienstag in Genf veröffentlich werden soll. Nach Berechnungen der ILO-Experten waren im vergangenen Jahr weltweit rund 202 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Das seien rund fünf Millionen mehr als noch im Jahr zuvor, heißt es in dem 131 Seiten starken Report, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit zeigt sich seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 und wird nach Einschätzung der ILO weiter anhalten. Für das Jahr 2018 rechnet die Organisation mit insgesamt 215 Millionen Jobsuchenden. Wegen des gleichzeitigen Anstiegs der Bevölkerung werde sich die Situation in den kommenden Jahren kaum verbessern. Vor allem in einigen Regionen Ost- und Südasiens sei es im vergangenen Jahr zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen. Aber auch Regionen in Afrika und eben Europa litten unter fehlenden Jobs.

Auch die Dauer der Arbeitslosigkeit ist gestiegen

Junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren seien besonders stark von der Arbeitslosigkeit betroffen. Etwa 74,5 Millionen von ihnen hätten im vergangenen Jahr keine Arbeitsstelle gehabt, eine Million mehr als im Vorjahr. Die globale Arbeitslosenrate für Jugendliche sei mit 13,1 Prozent fast dreimal so hoch wie die für Erwachsene. Die Zahl der Beschäftigten nahm zum Beispiel in Portugal, Irland und Griechenland zwischen 2007 und 2012 um 1,6 Millionen ab. Bei etwa 75 Prozent habe es sich um die Jobs jüngerer Arbeitnehmer gehandelt.

Die ILO-Experten loben die Anstrengungen der Europäischen Union, gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen. Jedoch seien noch keine messbaren Auswirkungen zu verzeichnen. Die EU hatte im Sommer ein milliardenschweres Programm angekündigt.

In vielen entwickelten Regionen sei zudem die Zeit der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit angestiegen. So dauere die Spanne zwischen Verlust und Neuaufnahme der Arbeit in Griechenland inzwischen bis zu neun Monate. Acht Monate lang suchten Arbeitslose in Spanien im Durchschnitt nach einer neuen Arbeitsstelle.

Als wesentliche Ursache für die weltweite Rekordarbeitslosigkeit sehen die ILO-Experten eine hartnäckige Nachfrageschwäche. Die in vielen entwickelten Ländern praktizierte Sparpolitik erschwere einen schnelleren Anstieg der wirtschaftlichen Leistung. Eine Änderung dieser Wirtschaftspolitik werde nach Meinung der ILO zu einem Sinken der Arbeitslosigkeit führen. In den 20 führenden Industrienationen könne sie in den kommenden sechs Jahren um bis zu 1,8 Prozentpunkte sinken, was 6,1 Millionen zusätzlichen Jobs entsprechen würde.

Für Europa sei der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eine der größten Herausforderungen, urteilen die ILO-Experten. Die einseitige Konsolidierungspolitik habe nicht zu einem Aufbau von Arbeitsstellen oder gar dem Abbau von Arbeitslosigkeit geführt. Dies müsse aber ein vorrangiges Ziel der EU sein, deren Volkswirtschaften mittelfristig durch eine alternde Bevölkerung geschwächt würden. Dieser demografische Trend könne nur durch eine höhere Produktivität ausgeglichen werden.

Die ILO lobt hingegen die insbesondere in Europa und den USA praktizierte Niedrigzins-Politik. Ohne sie läge die Arbeitslosigkeit in den entwickelten Nationen um bis zu zwei Prozentpunkte höher. Derzeit bestehe jedoch die Gefahr, dass die zur Verfügung gestellte Geldmenge nicht investiert werde, sondern in Finanzanlagen fließe. Die schüre die Gefahr von Blasen an den Aktien- und den Immobilienmärkten und bedrohe damit potenziell den Aufbau von Beschäftigung in der Zukunft.

Insgesamt hätten Unternehmen deutlich stärker von der Geldpolitik profitiert als die Privathaushalte. Diese hätten durch die niedrigeren Zinsen Einkommensverluste verzeichnet. Aber auch hier gebe es zum Teil deutliche Unterschiede. So litten insbesondere Haushalte mit älteren Menschen unter dem niedrigen Zinsniveau, weil sie in einem deutlich höheren Maß auf ihre Erträge angewiesen seien als die jüngeren. Diese seien in der Regel eher verschuldet, weshalb sich die Geldpolitik für sie günstiger ausgewirkt habe.

© SZ vom 20.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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