IWF zur Griechenland-Rettung:Lagarde stört die Party

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Die Chefin des Internationalen Währungsfonds stellt sich beim neuen Griechenland-Hilfspaket quer. Geld soll demnach erst fließen, wenn bewiesen ist, dass die geplanten Reformen wirklich umgesetzt werden. Die Europäer müssten "höhere Brandschutzmauern" gegen die Ausbreitung der Krise errichten, sagt Lagarde - und fordert eine Kapitalerhöhung für den IWF.

Nikolaus Piper, New York

Die Zusage kam freundlich, aber mit klaren Bedingungen: "Sobald die ersten, mit den griechischen Behörden vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden und ein angemessener Beitrag des Privatsektors feststeht", werde sie vorschlagen, wie viel Geld Griechenland von ihr erwarten kann. Das sagte Christine Lagarde, Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Tête-à-tête zur Staatenrettung: IWF-Direktorin Christine Lagarde mit dem griechischen Premier Lukas Papadimos. (Foto: AFP)

Man kann ihre Erklärung nach der Sitzung der Euro-Gruppe auch so lesen: Die Regierung in Athen und die privaten Gläubiger Griechenlands müssen erst einmal zeigen, dass sie zu ihrem Wort stehen, dass die Reformen wirklich beginnen - dann fließt Geld. Lagarde stört die Party.

Klar ist: Der Beitrag des IWF zum zweiten Griechenland-Hilfspaket wird deutlich kleiner ausfallen als der zum ersten im Frühjahr 2010. Damals übernahm der IWF ein Drittel der Kosten, diesmal dürfte die Summe kaum über 13 Milliarden Euro steigen - was zehn Prozent an den geplanten 130 Milliarden Euro entspricht. Im Wesentlichen, so heißt es beim IWF, wird der Fonds Kapitalrückflüsse aus dem ersten Programm reinvestieren.

Der Grund für diese Vorsicht: Lagarde will den Eindruck vermeiden, als bekomme Griechenland als europäisches Land eine privilegierte Behandlung. Trotzdem sind Mitarbeiter des Fonds optimistischer als noch vor kurzem: "Das Programm hat Chancen zu funktionieren, die Wachstumsprognosen sind absolut realistisch, Griechenland hat mehr haushaltspolitischen Spielraum bekommen", sagt ein führender Experte. "Jetzt hängt alles vom Willen der Griechen ab."

Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil es zwischen dem Fonds und Deutschland in Sachen Euro-Krise erhebliche Meinungsunterschiede gibt. Die jetzige Generaldirektorin Lagarde, 55, trat ihr Amt im Juli 2011 an, nachdem Vorgänger Dominique Strauss-Kahn über Ermittlungen wegen des Verdachts auf versuchte Vergewaltigung gestürzt war.

Schon vorher war sie als französische Finanzministerin tief in die vielen Versuche zur Rettung der Euro-Zone involviert. Bereits im März 2010 erregte Lagarde Aufsehen, als sie die Lohnzurückhaltung und den Exportboom der Deutschen kritisierte. Da sei eine "bessere Angleichung" nötig, sagte sie.

Beim IWF blieb sie sich treu: Sparen, so wie die Deutschen sich das vorstellten, das sei nicht die Lösung der Probleme. Worauf es ankomme, sei Wachstum. In einer programmatischen Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin legte sie Ende Januar ihren Kurs dar: Die Europäer müssten "höhere Brandschutzmauern" gegen die Ausbreitung der Krise errichten, erklärte Lagarde.

Sie müssten den Rettungsschirm EFSF und den Stabilitätsmechanismus ESM aufstocken und die Integration der Finanzpolitik fortsetzen. Lagarde sprach sich auch - konträr zur deutschen Linie - für eine noch lockerere Geldpolitik und die Einführung von Euro-Bonds aus, von Anleihen also, die von allen Euro-Mitgliedern gemeinsam garantiert werden. Und die Deutschen sollten das Sparen nicht übertreiben.

Eine wichtige Figur ist David Lipton, der Stellvertreter Lagardes. Der Amerikaner hat seinen Posten erst im September übernommen. Vorher arbeitete er als Direktor für internationale Wirtschaftsfragen im Weißen Haus und gilt als enger Vertrauter von Präsident Barack Obama. Die Ökonomen in Obamas Umgebung sind schon lange unzufrieden damit, wie die Europäer mit der Krise umgehen. Sie fordern mehr Geld und notfalls mehr Schulden.

Kurz nachdem die Rating-Agentur Standard & Poor's eine Reihe europäischer Länder abgewertet hatte, forderte Lipton, ganz im Sinne seiner Chefin Lagarde, eine Wachstumsstrategie: Ohne entschlossenes Handeln könne "Europa in eine Abwärtsspirale aus Vertrauensverlust, Stagnation und weniger Arbeitsplätzen" geraten.

Was bei dem allen oft vergessen wird: Würde man die Statuten des IWF eng auslegen, dann dürfte der Fonds Griechenland überhaupt nicht helfen. Nach Artikel I der Vereinbarung über die Arbeit der Organisation ist es Aufgabe des IWF, Mitgliedern, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten, mit Krediten zu unterstützen. Nun hat Griechenland kein Zahlungsbilanzproblem im eigentlichen Sinne, es hat auch keine eigene Währung, die man schützen müsste.

Das Land ist Teil eines Währungsraums mit einer bis heute, trotz allem, stabilen Währung. Und die Euro-Zone ist eine der reichsten Regionen der Welt. "So ein Fall ist einfach nicht vorgesehen", sagt ein IWF-Mitarbeiter. Die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission, die regelmäßig nach Athen reist, ist ein absolutes Novum.

Nun wurden in der Finanzkrise schon viele alte Regeln umgeworfen. Zuvor war der Fonds bekannt dafür, dass er von notleidenden Staaten kategorisch eine strenge Sparpolitik forderte, so wie die Bundesregierung dies heute tut; heute hat der Fonds von dieser Orthodoxie längst Abschied genommen. Lagarde fordert seit Wochen eine Kapitalerhöhung für den IWF von 500 Milliarden Dollar, damit der Fonds nicht nur Europa helfen kann, sondern auch anderen Ländern, die ohne eigenes Zutun in den Sog der Krise geraten sind.

Die Europäer haben bisher 200 Milliarden Dollar zugesagt, die USA verweigern sich, Japan und China haben unter Vorbehalt zugestimmt - vorausgesetzt, die Europäer zahlen von sich aus mehr für ihren Rettungsschirm. Was Griechenland wirklich vom IWF erhält, weiß man erst in einigen Wochen.

© SZ vom 22.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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