Währungsfonds:IWF-Chefin darf bis 2029 weitermachen

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Die Bulgarin Kristalina Georgiewa bleibt an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF). (Foto: OLIVIER DOULIERY/AFP)

Vor zweieinhalb Jahren stand Kristalina Georgiewa vor dem Aus. Jetzt wurde die Ökonomin wiedergewählt. Die Entscheidung hat auch politstrategische Gründe.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Sie macht es ihren Mitmenschen nicht immer leicht, nicht einmal denen, die an ihrer Seite stehen: Manchmal lacht Kristalina Georgiewa eine Spur zu laut, interne Kritik soll sie ab und an recht harsch abbügeln. Und nicht jede Regierung ist begeistert, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinen jährlichen Prüfberichten seit einiger Zeit nicht mehr nur die wirtschaftliche und finanzielle Lage eines jeden Mitgliedslands begutachtet, sondern sich auch zu klima-, frauen- oder sozialpolitischen Themen äußert. Und doch, als es jetzt um die Frage ging, ob man der Bulgarin nach fünf Jahren an der Spitze des IWF eine zweite Amtszeit zugestehen sollte, war die Entscheidung rasch gefallen: Georgiewa darf weitermachen.

Der Beschluss unmittelbar vor Beginn der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank an diesem Montag hat eine politische und eine persönliche Note. Was die Politik angeht, ist es recht einfach. Nach einer informellen Absprache zwischen der EU und den USA stellen die Europäer die Chefin des Währungsfonds, die Amerikaner dafür den Präsidenten der Weltbank. Nahezu alle anderen Länder der Welt halten diesen Deal für längst nicht mehr zeitgemäß und fordern, die Kandidaten nur noch nach Eignung, nicht mehr nach Herkunft auszusuchen. Hätte die EU Georgiewa fallen gelassen, wäre der Grundsatzstreit mit großer Wucht wieder über sie hereingebrochen.

Was die persönliche Leistungsbilanz der Ökonomin betrifft, rechnen ihr selbst Kritiker an, dass sie den IWF mit ruhiger Hand durch stürmische Zeiten geführt, rasch auf Krisen reagiert und Ländern in Not ohne ideologische Scheuklappen Hilfe geleistet hat. Und an Krisen mangelte es in den vergangenen fünf Jahren bekanntlich nicht: Ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt brach die Corona-Pandemie aus, es folgten der russische Überfall auf die Ukraine und der dramatische Anstieg insbesondere der Lebensmittel- und Energiepreise, der vor allem den Menschen in ärmeren Weltregionen massiv zu schaffen macht.

Georgiewa sagt, sie sei "eine ewige Optimistin"

Georgiewa reagierte auf die Turbulenzen, indem sie Kredite im Gesamtumfang von mehr als 300 Milliarden Dollar (280 Milliarden Euro) allein an Entwicklungsländer vergab. Das Volumen an Darlehen mit einem Zinssatz von null, von denen die allerärmsten Staaten der Welt profitieren, verfünffachte sich. Kritiker wie der US-Top-Ökonom Kenneth Rogoff warfen der früheren Hauptgeschäftsführerin der Weltbank vor, zu sehr im Denken ihres Ex-Arbeitgebers verhaftet zu sein und den IWF in eine Hilfsorganisation nach dem Vorbild der Schwesterinstitution verwandeln zu wollen. Georgiewa, die von sich sagt, sie sei "eine ewige Optimistin", konterte unmissverständlich: "Die Welt ändert sich, und das bedeutet, dass wir unsere Ziele neu interpretieren müssen", erklärte sie vor zwei Jahren in einem Spiegel-Interview. "Die Pandemie und der Krieg sind Schocks von außen. Länder, die davon getroffen werden, haben nichts falsch gemacht. Wie sollen wir da reagieren? Ganz sicher nicht, indem wir auf unsere traditionellen Instrumente der Strukturanpassungen setzen."

Gelegentliche Kritik, vor allem von konservativer Seite, gab es darüber hinaus an Georgiewas angeblich zu großzügiger Linie gegenüber China. Erst in diesem März verschickten republikanische Parlamentsabgeordnete einen Brief, in dem sie US-Finanzministerin Janet Yellen aufforderten, Georgiewas Wiederwahl zu verhindern. Grund: Die 70-Jährige habe Pekings Versuchen, den Kurs der Landeswährung Renminbi künstlich niedrig zu halten und die wahre Verschuldungssituation des Landes zu verschleiern, lange untätig zugeschaut.

Zu weltbanknah und zugleich zu chinafreundlich? Das ist eine Kombination, die der früheren EU-Kommissarin schon einmal massive Negativschlagzeilen beschert hatte. 2021 wurde publik, dass Georgiewa während ihrer Zeit bei der Weltbank den sogenannten Doing-Business-Report der Institution zugunsten der Volksrepublik frisiert haben soll. China, so der Vorwurf, habe dafür der lang ersehnten Erhöhung des Weltbank-Grundkapitals zugestimmt. Der Report gibt Auskunft darüber, wie einfach oder schwierig es in jedem der 189 Mitgliedsstaaten ist, sich wirtschaftlich zu betätigen. Für viele Regierungen hat die Rangliste große Bedeutung, denn sie kann mit darüber entscheiden, wie viel Geld internationale Unternehmen und Investmentfonds etwa in ein Schwellenland pumpen. Am Ende einer langen Untersuchung stellte sich das 24-köpfige Exekutivdirektorium des IWF hinter die geschäftsführende Direktorin, Zweifel aber blieben.

Auch Yellen und Präsident Joe Biden hatten seinerzeit mit dem Gedanken gespielt, Georgiewa fallen zu lassen. Nach ihrer Wiederwahl am Freitag war davon nun nichts mehr zu hören. Sie freue sich, so Yellen, "auf die weitere Zusammenarbeit".

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