Investitionen:Brexit treibt Investoren nach Deutschland

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Skyline von London: Die britische Hauptstadt ist der beliebteste Investitionsstandort in Europa - noch. Nach dem Brexit dürfte sich das ändern. (Foto: Chris Radburn/dpa)
  • Ausländische Unternehmen investieren mit Vorliebe in Großbritannien, wenn sie nach Europa kommen.
  • Experten rechnen jedoch damit, dass sich das 2017 erstmals ändern könnte: Deutschland dürfte demnach das Vereinigte Königreich überholen.

Von Björn Finke, London

Trotz Brexit bleibt Großbritannien Spitze - zumindest in diesem Jahr: 2016 investierten in keinem anderen europäischen Staat mehr ausländische Konzerne. Deutschland liegt wie in den Vorjahren auf Rang zwei dieser Tabelle, welche die Berater von Ernst & Young (EY) jährlich erstellen. Die Fachleute zählen nur solche Investitionen ausländischer Unternehmen mit, die neue Standorte oder Arbeitsplätze schaffen. Firmenübernahmen oder Aktienkäufe durch Konzerne aus der Fremde werden nicht berücksichtigt. Die Rangliste zeigt daher, wie attraktiv Europas Staaten für internationale Unternehmen sind, die im Ausland Büros oder Fabriken eröffnen wollen.

Großbritannien führte diese Tabelle bislang immer an. Amerikanische Konzerne sind die wichtigsten Auslandsinvestoren in Europa, und diese Unternehmen bauen Büros und Werke am liebsten im Vereinigten Königreich oder - in kleinerem Umfang - in Irland auf. Die Sprache und das ähnliche Rechtssystem machen diese Staaten zu natürlichen Brückenköpfen für US-Firmen, die in Europa ihr Geschäft stärken wollen. Im vergangenen Jahr zählten die Berater 1144 ausländische Investitionsprojekte im Königreich, sieben Prozent mehr als 2015.

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Damit hat sich das Wachstum allerdings merklich abgeschwächt. 2015 lag es bei zwanzig Prozent, 2014 bei elf Prozent, 2013 bei fünfzehn Prozent. Der Vorsprung zur Nummer zwei, Deutschland, wurde im vorigen Jahr kleiner, denn die Zahl der Investments nahm in der Bundesrepublik deutlich schneller zu.

Daher könnte sich das Ranking bald ändern: Hubert Barth, Deutschland-Chef von Ernst & Young, sieht für 2017 einen Wechsel an der Tabellenspitze voraus. "Es spricht viel dafür, dass Deutschland in diesem Jahr Großbritannien als Top-Investitionsziel Europas ablösen wird", sagt er. Bei der Rangliste für 2016 habe sich der geplante Brexit noch nicht so negativ für das Königreich auswirken können; schließlich habe das Referendum erst Ende Juni stattgefunden. "Und erst im Laufe der vergangenen Monate hat sich herauskristallisiert, dass Großbritannien einen harten Brexit anstrebt. Darauf werden sich die Unternehmen nun einstellen", sagt er. Manche ausländischen Konzerne werden also lieber woanders investieren.

Premierministerin Theresa May hat sich festgelegt, dass das Königreich nach dem Austritt nicht am Binnenmarkt oder der Zollunion der EU teilnehmen wird. Ein Freihandelsvertrag mit Brüssel soll zwar verhindern, dass Zölle eingeführt werden. Doch selbst mit so einem Abkommen würden Geschäfte über den Ärmelkanal in Zukunft mühsamer.

Schon im November wollte Ernst & Young in einer Umfrage von Top-Managern internationaler Konzerne wissen, welche Folgen der EU-Austritt für die Unternehmen hat. Jede siebte Firma erwägt demnach, Abteilungen aus Großbritannien abzuziehen. Als beliebtestes Zielland für den Umzug wird Deutschland genannt. Die Bundesrepublik könnte zum Brexit-Gewinner werden.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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