Nach der Beerdigung folgt die große Feier: Am Dienstagabend hatte die schwarz-gelbe Koalition das Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Internetseiten endgültig gekippt, am Mittwoch dominierten Freudebekundungen das soziale Web. "Wow, die Vernunft hat gesiegt", heißt es bei Twitter, oder schlicht "Goodbye Zensursula".
Die heterogene Gruppe von Internetnutzern wird oft pauschal als Netzgemeinde bezeichnet - in der Haltung zum "Zugangserschwerungsgesetz" herrschte tatsächlich große Einigkeit. Die Idee, ein Stoppschild vor Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten zu setzen, wurde von Netizens und Aktivisten wie dem AK Zensur immer wieder ad absurdum geführt.
Mit Statistiken und Beispielen aus anderen Ländern zeigten sie, dass Netzsperren das Problem nicht lösen, sondern die Gefahr besteht, dass eigentlich saubere Seiten auf den Index rutschen. Für ein konsequentes Vorgehen, so die Argumentation, sei eine bessere internationale Kommunikation zur Löschung der Inhalte vonnöten.
Diese neue Kommunikationsstrategie scheint nun offenbar bei der Internet-Beschwerdestelle des Bundeskriminalamts (BKA) umgesetzt worden zu sein: "Nach aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes sind nach zwei Wochen 93 Prozent der kinderpornographischen Inhalte gelöscht, nach vier Wochen sind es sogar 99 Prozent", gab Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu Protokoll.
Vor allem das BKA hatte noch auf eine Umsetzung des Gesetzes gedrängt, als Union und FDP im Koalitionsvertrag längst festgelegt hatten, dieses vorerst nicht anzuwenden. Diese starre Haltung dürfte nun auch nach dem endgültigen Aus dafür sorgen, dass Internetnutzer in Deutschland Plänen des BKA weiterhin mit äußerster Skepsis begegnen.
Streit um die Verbindungsdaten
Konfliktpotential beim staatlichen Umgang mit dem Netz gibt es weiterhin: So streitet die Koalition derzeit über eine mögliche Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, also der Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten zu Strafverfolgungszwecken.
Das entsprechende Gesetz hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 kassiert, die Speicherung von Verbindungsdaten ohne konkreten Verdacht an sich jedoch für rechtmäßig erklärt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) fordert nun eine "Mindestdatenspeicherung", die wie die Vorratsdatenspeicherung die Provider zu einer Verbindungsdaten-Aufbewahrung von sechs Monaten verpflichten soll.
Die FDP hingegen drängt auf die Einführung eines sogenannten Quick Freeze. Bei diesem sollen ohnehin bei den Telekommunikationsunternehmen vorhandene Daten beim "Anfangsverdacht" einer Straftat gesichert werden. Die Daten sollen für die Ermittlungen genutzt werden können, wenn ein Richterbeschluss vorliegt. Unionspolitiker lehnen dies aber ab - viele Daten würden automatisch gelöscht, bevor sie gespeichert werden könnten.
Schwieriger Konsens
Die vielfach geäußerte Befürchtung, der Kompromiss bei den Netzsperren könnte über eine Einführung der Mindestdatenspeicherung erzielt worden sein, sollten nach Aussagen aus Koalitionskreisen unbegründet sein. Entsprechende Gespräche zwischen Innenminister und Justizministerin werden erst in den kommenden Wochen stattfinden.
Während sich am Ende bei den Internetsperren durch den öffentlichen Aufschrei und die eindeutigen Argumente der Gegner ein parteiübergreifender Konsens gebildet hatte, dürfte dieser bei der Datenspeicherung zur Verfolgung diverser schwerer Straftaten schwer zu finden sein.
Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann ließ die FDP in der Welt bereits wissen, was die Law-and-Order-Fraktion in der Partei von der Idee des Quick Freeze hält. "Die Justizministerin schützt durch ihre ideologische Blockadehaltung Pädophile und Terroristen", schimpfte er. Leutheusser-Schnarrenberger werde damit "selber zu einem Sicherheitsrisiko".