Insolventer Weltbild-Verlag:"Als ob uns jemand die Pistole auf die Brust setzte"

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Sanierung gescheitert: Der Weltbild-Verlag musste Insolvenz anmelden (Foto: dpa)

Dem Weltbild-Verlag droht das Aus: Deutschlands Bischöfe verweigern dem Krisen-Unternehmen weitere Mittel, weil sie fürchten, bald noch mehr geben zu müssen. Ein Sanierungsgutachten der Prüfungsgesellschaft KPMG sieht indes die Gründe für die Insolvenz bei der Weltbild-Geschäftsführung - und in der schwierigen Gesellschafterstruktur.

Von Christian Krügel und Katja Riedel

Es ist eine prominente Kirchenversammlung, die da am vergangenen Donnerstag kurz vor 16 Uhr in einem Tagungsraum am Frankfurter Flughafen zusammenkommt: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und der Münchner Kardinal Reinhard Marx sind dabei, die Oberhirten aus Augsburg und Eichstätt, Konrad Zdarsa und Gregor Maria Hanke, dazu die Generalvikare und weitere Geistliche aus zwölf deutschen Bistümern. Eine ideale Runde eigentlich, über Glaubensfragen und die Zukunft katholischer Verkündigung zu reden.

Tatsächlich müssen die Kirchenmänner aber eine sehr weltliche Entscheidung treffen: Sind sie als Gesellschafter des Weltbild-Verlags bereit, mindestens 135 Millionen Euro in das marode Unternehmen zu stecken oder bereiten sie einem fünf Jahre währenden Gezerre um die Zukunft des zweitgrößten deutschen Buchhändlers hier am Frankfurter Flughafen ein Ende?

Schnell wird in der Runde klar, dass die klare Mehrheit lieber ein Ende mit Schrecken will als einen Schrecken ohne Ende. Denn die Präsentation, die Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff und Josef Schultheis vorbereitet hatten, ist nichts als eine Drohung: Wenn die Kirchenmänner nicht binnen weniger Tage mehrheitlich zusagen, statt der vereinbarten 65 nun in drei Tranchen 135 Millionen der am Ende benötigten 170 Millionen bereitzustellen, verlieren womöglich nicht nur 6800 Menschen ihre Arbeit, auch die katholische Kirche büßt weiter an Reputation ein. Wörtlich klingt das so: "Negative Öffentlichkeitswirkung ("Schlecker II"): Kirche als Gesellschafter überlässt sanierungsfähige Gruppe der Zerschlagung in der Insolvenz."

"Es war, als ob uns jemand die Pistole auf die Brust setzte", sagt einer der Teilnehmer. Tatsächlich ist der Nachmittag von Frankfurt der Showdown in einem Zerwürfnis zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Bistümern, das sich über Monate verschärft hatte und vergangene Woche noch einmal eskalierte. Noch am Dienstag waren die Gesellschafter davon ausgegangen, dass die 65 Millionen Euro ausreichen müssten, die man mühevoll in den Bistümern zusammengekratzt hatte.

Vorreiter war dabei der Münchner Kardinal und sein Generalvikar Peter Beer, der zugleich Chef des Weltbild-Aufsichtsrats ist. Allein 20 Millionen Euro sollte sein Erzbistum beisteuern. "Wir wollten nicht zu früh aufgeben. Ich hatte die Hoffnung, dass wir damit auf einen guten Weg kommen", sagt Marx zwei Tage nach der Entscheidung von Frankfurt. Nach SZ-Informationen hätten aber selbst die 65 Millionen nur gereicht, um den Verlust von 2200 Arbeitsplätzen in der Weltbild-Holding für wenige Wochen, höchstens Monate zu verzögern.

Doch auch der Kardinal, Papst-Vertrauter und wortgewaltiger Verteidiger der katholischen Soziallehre, musste am Ende die Waffen strecken. Denn Mitte der Woche präsentierte die Geschäftsführung das gesamte Ausmaß des Desasters: "Der Kapitalbedarf ist mehr als doppelt so hoch, die Geschäftsprognosen sind vage und Folgekosten nicht absehbar", schildert Marx.

Deshalb senken die Kirchenmänner kurz vor 19 Uhr in Frankfurt den Daumen, wohl wissend, dass die katholische Kirche mit der Insolvenz bei Weltbild erneut wochenlang negative Schlagzeilen bekommen werde. Doch in dieses Dilemma hatten sich die Bischöfe selbst gebracht, als die Konservativen um Kölns Erzbischof Joachim Meisner 2008 den Streit um Weltbild vom Zaun brachen.

Sie hatten sich daran gestoßen, dass die Buchhandelskette auch Erotisches und Esoterisches im Sortiment hatte. Die Weltbild-Anteile wollten sie möglichst schnell loswerden - gegen den Willen von Marx und den Progressiveren. Sie hatten die Idee, dass die Kirche in einer medialen Gesellschaft mit einem eigenen Medienhaus präsent sein müsse. "Ich halte das nach wie vor für vernünftig und richtig", sagt Marx auch nach der Insolvenz.

Weltbild-Insider halten das für einen schweren strategischen Fehler: Marx habe die Kirche damit überfordert. "Es wäre sozialer gewesen, schon damals Weltbild mit hohen Auflagen an einen seriösen Anbieter zu verkaufen", sagt ein Insider.

Der Zwist machte unternehmerisches Handeln in einer ohnehin schon schwierigen Gesellschafterstruktur nahezu unmöglich. Die zwölf Bistümer halten Weltbild gemeinsam mit dem Verband der Diözesen und der Militärseelsorge, für jede Entscheidung muss der Aufsichtsrat die Zustimmung aller Gesellschafter einholen. In den Bistümern wiederum muss jede geschäftliche Entscheidung in mehreren Gremien abgesegnet werden - keine Voraussetzung, um mit raschen Entscheidungen dem Hauptkonkurrenten Amazon zu trotzen.

Zu diesem Schluss kommt auch das Sanierungsgutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, das den Plänen für die Weltbild-Rettung zugrunde gelegen hat und das der SZ vorliegt. "Wir sind zwei Mal zu spät gekommen, weil wir Entscheidungen aus den Bistümern nicht rechtzeitig bekamen", heißt es aus dem Aufsichtsrat. So wurde nichts aus der Idee, den Verlag in eine Stiftung zu überführen, und auch eine neue Gesellschafterstruktur verzögerte sich.

Das Misstrauen unter den Bistümern war zwischenzeitlich so groß, dass Weltbild selbst in Rom zum Thema wurde. Die Anhänger der Stiftungs-Idee hatten vorsorglich Papst Benedikt XVI. ins Vertrauen gezogen, weil sie sonst eine ähnliche Intervention aus Kölner Kreisen fürchteten. Am Ende wollten nur noch die Bistümer München, Eichstätt, Würzburg, Mainz sowie die Militärseelsorge mitmachen - aber selbst dazu fehlten noch Gremienentscheidungen.

Die KPMG sieht aber weiteres Versagen: Die Geschäftsführung habe die Entwicklungen auf dem Markt verpasst, zu viel Geld in einer überdimensionierten IT verbrannt, keine integrierte Unternehmensplanung betrieben und "kein wirksames Gegensteuern in der Krise" gefunden. Und dennoch sei Weltbild "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" sanierungsfähig - vorausgesetzt, die Bischöfe einigten sich rechtzeitig.

Dafür hatten die Wirtschaftsprüfer noch im Oktober eine ebenso große Chance und eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit gesehen. Ein Fehler, wie sich nun herausstellt.

© SZ vom 13.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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