Insolvente Drogeriekette Schlecker:For you, vor Ort, vorbei

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Anton Schlecker war ein Patriarch der alten Schule - er hat sein Imperium aufgebaut, er allein hatte das Sagen und er manövrierte es in die Pleite. Doch Schlecker ist nicht der Einzige, der sich zu lange an die Macht klammerte - noch immer herrschen Patriarchen über deutsche Unternehmen.

Caspar Busse

Er war 1965 Deutschlands jüngster Metzgermeister: Anton Schlecker wollte schon immer alles, hatte mit 21 Jahren seine Lehre beendet und das Metzgereiunternehmen seiner Eltern in Ehingen übernommen. Der heute 67-Jährige expandierte immer weiter, gründete eine Drogeriemarktkette, die er schrittweise zum Marktführer machte. Irgendwann hatte Schlecker mehr als 10.000 Geschäfte in ganz Europa. Es ist eine dieser berühmten Gründergeschichten der Nachkriegszeit, von denen nicht wenige ein hartes Ende fanden.

7200 Filialen, 30 000 Mitarbeiter: Das Unternehmen Schlecker ist zahlungsunfähig, der Unternehmer Schlecker ebenfalls. (Foto: Getty Images)

Am 23. Januar musste auch Anton Schlecker zum Amtsgericht Ulm und den Insolvenzantrag stellen. Das Unternehmen ist in einem desaströsen Zustand, der Insolvenzverwalter kündigt jetzt fast 12.000 Mitarbeitern und schließt die Hälfte der Filialen in Deutschland - For you, vor Ort, vorbei.

Anton Schlecker war ein Unternehmenspatriarch der alten Schule: Der Handelskonzern mit mehreren Milliarden Umsatz war ganz auf ihn zugeschnitten. Die Firma firmierte von 1975 an bis zuletzt in der Rechtsform eines "eingetragenen Kaufmanns". Anton Schlecker hatte in allen Dingen das letzte Wort, fällte alle Entscheidungen, Pressekonferenzen, öffentliche Auftritte oder gar Informationen aus dem Unternehmen gab es so gut wie nicht.

Unternehmenspatriarchen leisten oft Erstaunliches, bauen aus dem Nichts Großes auf, aber sie scheitern auch zu oft. Schnell erreichen Unternehmen eine kritische Größenordnung, die den einsamen Patriarchen in der Regel überfordert, das System taugt dann nicht mehr. Loslassen ist allerdings schwer, das wissen nicht nur Unternehmer. Die Folge: Notwendige Schritte wie Umstrukturierungen, eine Nachfolgeregelung oder die Beteiligung externer Manager unterbleiben - mit drastischen Folgen, nicht nur für den Gründer, sondern auch für Mitarbeiter und Lieferanten.

Patriarchen gibt es überall

Das gilt keineswegs nur für Anton Schlecker, es gibt unzählige Beispiele. Der verstorbene Leo Kirch führte seinen weit verzweigten Medienkonzern zu immer neuen Erfolgen, am Ende verkalkulierte er sich, sein Kirch-Konzern ging vor genau zehn Jahren pleite. Joachim Hunold baute die Fluglinie Air Berlin zum größten deutschen Konkurrenten der Lufthansa auf, wuchs und wuchs und musste doch am Ende die Führung an Hartmut Mehdorn übergeben, der seitdem verzweifelt versucht, die Airline aus der Krise zu führen. Das Elektronikunternehmen von Max Grundig war einst eines der ganz Großen seiner Branche, hatte dann lange große Schwierigkeiten, bevor 2003 das Aus kam. Adolf Merckle, der ein Firmenimperium von Pharma bis Zement schuf, verspekulierte sich grandios und sah am Ende keinen anderen Ausweg als den Selbstmord.

Eigentlich kommt der Begriff Patriarch aus der Kirche, steht für das geistliche Oberhaupt in orthodoxen Glaubensgemeinschaften. Aber ein Patriarch ist auch ein (oft alter) Mann, der autoritär über seine Familie herrscht. Durch Autorität und Güte des "Vaters in der Familie" ist auch der sogenannte patriarchalische Führungsstil in der Wirtschaft geprägt.

Der Soziologe und Ökonom Max Weber beschrieb einst als einer der Ersten diesen Managementstil. Die Untergebenen sind dem Patriarchen - manchmal ist es auch eine Matriarchin wie zum Beispiel Liz Mohn bei Bertelsmann - zu Gehorsam verpflichtet. Dieser wiederum herrscht, kümmert sich um seine Untergebenen, verfügt im Idealfall über Charisma. Er ist der unbestrittene Herr im Hause, der mit Durchsetzungskraft führt, Konkurrenz hat er nicht zu befürchten.

In vielen kleineren Familienbetrieben oder bei Mittelständlern ist dieses Führungsprinzip nach wie vor anzutreffen. Schlecker zum Beispiel hat viele Jahre lang falsche Entscheidungen getroffen. Die Verluste wurden mit Privatkapital ausgeglichen, Probleme nicht angegangen, das Ausmaß der Krise blieb bis zuletzt im Dunkeln.

Autoritärer Stil ist passé

Modernes Management sieht freilich schon lange anders aus. Heute hat sich meist eine kooperative Führung durchgesetzt, entschieden wird gemeinsam. Mitarbeiter aller Ebenen werden einbezogen und mitgenommen, Berater eingeschaltet. Vorstände und Geschäftsführer großer Gesellschaften werden von Aufsichtsräten kontrolliert.

Der autoritäre Stil von oben nach unten sollte bei vielen passé sein. Das hat eine Menge Vorteile; das Risiko, das einsame Entscheidungen immer mit sich bringen, wird reduziert. Dazu kommt: Die Zeiten sind schneller geworden, die Veränderungen tiefgreifender, sie kommen in kürzeren Abständen.

Und trotzdem gibt es auch Unternehmenspatriarchen neuer Prägung, die ihre Fäden ziehen. Ferdinand Piëch, 74, zum Beispiel als mächtiger Aufsichtsratschef bei Volkswagen, der seinen Job trotz seines Alters nun noch weitere fünf Jahre machen will. Oder Gerhard Cromme, 69, der Thyssen-Krupp und Siemens zugleich beaufsichtigt und vielleicht irgendwann die Krupp-Stiftung führen wird. Auch diese Art von Patriarchen kann übrigens gefährlich werden.

© SZ vom 03.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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