Schlecker auch privat pleite:"Es ist nichts mehr da"

Die Familie Schlecker behauptet, sie habe kein Geld mehr. Dabei wurde Anton Schlecker bislang ein Milliardenvermögen zugetraut. Der Insolvenzverwalter sagt, er habe bisher auch keine 100 Millionen im Schrank gefunden. Dafür hat er einen Plan, wie es mit der Drogeriekette weitergehen soll. Die Schleckers wollen mitmischen - auch wenn das Geld fehlt.

Max Hägler, Ehingen

Wie klein sie wirkt an diesem Tag, wie schüchtern und verletzlich. Ganz hinten an der Stuhllehne sitzt Meike Schlecker, ganz starr. Die feingliedrigen Hände hat sie auf die Tischkante gelegt. Nur ihre Augen wandern über die Journalisten, mustern die Kameraobjektive, die auf sie gerichtet sind. Die blonden Haare trägt sie offen, ihre ungepuderte Stirn glänzt und verrät die Aufregung. Man kann sich nicht recht vorstellen, wie sie mitreden will in diesem großen Raum. Aber ein Thema gibt es, da beugt sie sich immer wieder nach vorne, wird energisch: "Ich glaube, sie haben es nicht verstanden: Es ist nichts mehr da."

Das Geld ist weg, sagt sie immer wieder. Nicht nur die Drogerie-Kette Schlecker sei insolvent, sondern auch die Familie Schlecker habe das meiste Geld verloren. Das ist eine der Botschaften an diesem ungewöhnlichen Montag in Ehingen, an dem die Familie und der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz über die Lage bei dem Pleiteunternehmen informieren.

Hier in Ehingen hat der Metzgermeister sein Geschäft mit Drogerieartikeln begonnen in den 1970er Jahren, hier wurde der sparsame Kaufmann zum Branchenprimus, hier hat er sich schließlich am Ortsrand seine Zentrale gebaut - ein verspiegelter Glaskasten, begrenzt durch ein Klärwerk und die Bundesstraße nach Biberach. Diese Zentrale und das parkähnliche Familienanwesen waren Ausdruck für den Reichtum des Selfmade-Drogisten Schlecker und seiner Familie. Auf der Reichen-Liste 2011 des Forbes-Magazins wurde er auf Rang 362 geführt, auf 3,1 Milliarden US-Dollar schätzten die Analysten das Vermögen.

Erste Pressekonferenz seit Jahrzehnten

Nie wollte er Einblick gewähren, auch deshalb hat er wohl nie abgelassen von dieser Rechtsform e. K. - eingetragener Kaufmann. Ausdruck seiner "unternehmerischen Verantwortung" sei das gewesen, behauptet Tochter Meike zwar, aber es ist auch klar: Bei dieser Unternehmensform muss er praktisch keine Rechenschaft ablegen. Dazu passt der Umgang mit der Presse. Nur wenige Außenstehende durften über die schleckerblauen Teppiche laufen, haben die Tierbilder in den Gängen gesehen. Es ist die erste Pressekonferenz in diesem Haus seit 1990. Den Falten nach zu urteilen, lag die Tischdecke auch in etwa so lange im Schrank. Der Vater ist nicht erschienen.

Ob die Familie früher zu Recht auf den Milliardärslisten stand, dazu äußert sich die 38-jährige Meike Schlecker nicht. Aber dass sie heute auf Milliarden säßen, wie behauptet, "das ist falsch". Genauso wie sie nicht verstehe, wieso das Image von Schlecker so schlecht sei, angesichts der Modernisierungsbemühungen in den vergangenen beiden Jahren. Selbst sie und ihr Bruder hätten den größten Teil des Vermögens investiert, insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag. Auch die Mutter besitze nichts Nennenswertes, die Ehe funktioniere in Gütertrennung. Kurzum: "Es ist kein signifikantes Vermögen mehr da." Der ganz tiefe Fall also? Nein, ganz so ein dramatisches Bild zeichnet Meike Schlecker an diesem Tag dann doch nicht. "Wir werden zurechtkommen."

Keine 100 Millionen im Schrank

Eine der Fragen dabei: Ist wirklich alles weg? Es ist Tag sieben seit dem Insolvenzantrag, sagt Geiwitz, noch würden er und seine 22 mit Schlecker betrauten Mitarbeiter prüfen: "Wir werden uns alle wesentlichen Transaktionen der letzten Jahre genau anschauen müssen." Der 67-jährige Eigner wirke dabei sehr mit. Soweit er bisher Einblick habe, könne er bestätigen, was dessen Tochter gesagt habe: "Wenn 100 Millionen im Schrank liegen würden, dann wäre es nicht zu der Insolvenz gekommen."

Für Verwalter Geiwitz ist die mangelnde Liquidität aber kein Grund, das Unternehmen aufzugeben. Er sieht "Potential", vor allem bei den nicht belasteten ausländischen Tochtergesellschaften. Und er glaubt deshalb, dass alles weitergehen könnte - und Schlecker doch noch in Familienbesitz bleiben könnte. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Marke spurlos von der Landkarte verschwindet." Die Kompetenz sei in der Familie vorhanden. "Die Chance will ich nicht vereiteln."

Sanierungskonzept: "Schlecker 2.0"

Das ist die andere Botschaft an diesem Tag: Die Familie soll im Spiel bleiben. Es gebe bereits ein Konzept, an dem er in den kommenden Wochen intensiv arbeiten werde und es gegebenenfalls in ein Insolvenzplanverfahren überleiten werde. Würden die Gläubiger dem dann später einmal zustimmen, sei Schlecker entschuldet. Natürlich habe Schlecker Probleme, "aber es gibt keinen Wettbewerber, der so nah am Kunden ist". Auch den eingeschlagenen Sanierungsweg von Schlecker, das Konzept "Fit for Future", sieht Geiwitz als den richtigen an. Auch wenn er das ganze "Schlecker 2.0" getauft hat.

Damit das nun schneller umgesetzt werde und das Unternehmen als ganzes erhalten bleibe, überlegt Geiwitz den Verkauf von Auslandsgesellschaften, die Aufnahme von Mezzanine-Krediten, aber auch die direkte Aufnahme von Co-Investoren: "Die Familie ist diesbezüglich nicht völlig verschlossen."

Meike Schlecker kommentiert das nicht. Sie lehnt sich nach vorn und sagt: "Wir geben uns kämpferisch." Auch wenn das Geld fehlt.

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