Drogeriekette wird radikal saniert:Schlecker entlässt fast 12.000 Mitarbeiter

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Schlecker schließt jede zweite Filiale und entlässt fast die Hälfte seiner Mitarbeiter - nur so sieht der Insolvenzverwalter eine Überlebenschance für die Drogeriekette. "Wir werden um jede einzelne dieser Existenzen kämpfen", heißt es von der Gewerkschaft Verdi. Die Arbeitsagentur will ein Büro zur Betreuung der Schlecker-Mitarbeiter einrichten.

Max Hägler

Bei der insolventen Drogeriekette Schlecker verliert jeder zweite Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz. Mit dieser unerwartet radikalen Sanierung will Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz das Überleben des Handelskonzerns sichern. Die Entlassung von 11 700 Menschen sei ebenso wie die Schließung von 2400 der aktuell 5410 Schlecker-Filialen ohne Alternative, sagte Geiwitz am Mittwoch in Frankfurt. "Nur dann ist überhaupt ein Überleben möglich." Von April an müsse Schlecker verlustfrei wirtschaften.

Fast jeder zweite Schlecker-Mitarbeiter muss gehen: Die insolvente Drogeriekette entlässt 11.700 Mitarbeiter. (Foto: dapd)

Die nach Zahl der Filialen führende Drogeriekette hatte vor fünf Wochen Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen schreibe bereits seit 2006 Verluste, sagte der Insolvenzverwalter bei dem Lagebericht. "Die Analyse des Schlecker-Konzerns fällt dramatisch aus", sagte Geiwitz, der in dem Fall von der Unternehmensberatung McKinsey unterstützt wird. Durch die Kürzungen sei die Chance auf den Erhalt der verbleibenden 13 500 Jobs und 3000 Filialen jedoch "gut".

Zuletzt habe der Verlust etwa 20 Millionen Euro pro Monat betragen, sagte Geiwitz. In den kommenden Wochen wolle er mit der Arbeitnehmervertretung und der Gewerkschaft Verdi einen "möglichst sozialverträglichen" Stellenabbau vereinbaren. Möglich sei dabei auch eine Transfergesellschaft, allerdings sei dazu wohl Staatshilfe nötig.

Bei Schlecker arbeiten oft ältere, ungelernte Frauen, deren Vermittlung wohl schwieriger werden dürfte als etwa bei Fachkräften von insolventen Hightech-Unternehmen. Die Arbeitsagentur zeigte sich am Mittwoch dennoch zuversichtlich, dass sich der Stellenabbau abfedern lasse. Der Handel sei "eine aufnahmefähige und dynamische Branche", sagte ein Sprecher der Regionaldirektion Baden-Württemberg. "Es gibt hier Jobs." Die Arbeitsagentur will am Stammsitz des Unternehmens in Ehingen in Baden-Württemberg umgehend ein Büro zur Betreuung der Schlecker-Mitarbeiter einrichten.

Geiwitz übte auch deutliche Kritik an dem bisherigen Eigentümer Anton Schlecker, der den Konzern als Einzelkaufmann leitete. Schlecker habe das Unternehmen patriarchalisch und intransparent geführt. Das habe der Firmengründer ihm gegenüber auch als Fehler eingeräumt. Notwendig seien ein "kompromissloser Kulturwandel" und eine Neuausrichtung des Geschäftsmodells. Das Sortiment solle reduziert und zugleich preiswerter werden. Die Familie sei informiert über die Pläne. Noch sei unklar, welche Rolle Meike und Lars Schlecker, die Kinder des Eigners, künftig spielen würden, sagte Geiwitz. Sie hatten eigentlich angekündigt, das Unternehmen weiterführen zu wollen. Dies hänge auch davon ab, ob sich ein Investor für das Unternehmen finde, sagte Geiwitz. Notwendig sei ein Investor aber nicht unbedingt. Allerdings strebe er eine Beteiligung an und habe die Bank Rothschild mit einer entsprechenden Sondierung beauftragt.

Die Gewerkschaft Verdi, die intensiv in die Sanierung eingebunden ist, äußerte sich vergleichsweise nüchtern. "Wir werden um jede einzelne dieser Existenzen kämpfen, darauf können sich die Schlecker-Frauen verlassen", sagte Vorstandssprecherin Stefanie Nutzenberger. Die Linke forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, staatliche Bürgschaften bereitzustellen. (Wirtschaft)

© SZ vom 01.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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