Inflation:Die Null bleibt stehen

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EZB-Tower in Frankfurt. Die Zentralbank will im zweiten Halbjahr ihre neue geldpolitische Strategie vorstellen. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Die EZB macht weiter mit ihrer Niedrigzinspolitik, unbeeindruckt von zuletzt stark steigenden Preisen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank hält trotz steigender Inflationszahlen und einer Erholung der Wirtschaft an ihrer lockeren Geldpolitik fest. "Wir gehen mit ruhiger Hand vor", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Notenbanksitzung am Donnerstag in Frankfurt. "Die Inflation ist gestiegen. Wir rechnen damit, dass sie im Laufe des Jahres weiter steigen wird. Aber die Teuerungsrate wird nicht unser Ziel überschreiten", sagte Lagarde weiter. "Eine Diskussion über ein Ende der Nothilfen ist nicht angezeigt und käme viel zu früh."

Die Hauptaufgabe der EZB besteht darin, stabile Preise in der Euro-Zone zu gewährleisten. Ihr langfristiges Inflationsziel liegt aber bei nahe unter zwei Prozent. Im Mai stiegen die Preise in der Eurozone um zwei Prozent. Die Zahl unterstrich den Trend, denn noch im Dezember waren die Preise um 0,2 Prozent gesunken. In Deutschland lag die Inflationsrate im Mai bei 2,5 Prozent. Laut Experten könnte die Rate auf über vier Prozent klettern.

Bei zu hoher Inflation müsste die EZB eigentlich ihre lockere Geldpolitik straffen, doch danach sieht es bislang nicht aus. Die Notenbank erwartet, dass die Preise in der Währungsunion in diesem Jahr um 1,9 Prozent zulegen werden, was unterhalb der Obergrenze läge. Für 2022 rechnet die EZB mit einem Rückgang der Teuerung auf 1,5 Prozent. "Wir erleben Sondereffekte. Im vergangenen Jahr, zu Beginn der Pandemie, sanken die Preise rapide. Diese Entwicklung wird nun durch eine Erholung der Wirtschaft wieder kompensiert. Und genau das messen wir gerade, denn Inflationsraten werden auf Jahresbasis verglichen", so Lagarde.

Die Rückkehr der Inflation ist gesellschaftlich brisant. In den USA warnen Experten vor dem größten Inflationsschub seit 40 Jahren. Die Verbraucherpreise für amerikanische Haushalte sind im Mai um fünf Prozent gestiegen, wie die Statistikbehörde meldete. Das war der stärkste Anstieg seit 2008. "Die USA und Europa sind bei der Inflation an verschiedenen Punkten", so Lagarde.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwartet weiter steigende Inflationszahlen. (Foto: Reuters)

In der zweiten Jahreshälfte möchte die EZB ihre neue geldpolitische Strategie präsentieren. Die Diskussionen laufen auf Hochtouren. Ein neuer Blick auf die Inflation ist nötig, denn einerseits konnte die EZB in den vergangenen zehn Jahren ihr selbst gestecktes Inflationsziel nicht erreichen, gleichzeitig muss die Notenbank Handlungsspielraum für womöglich weiter steigende Preise schaffen. Denn mit einem starken Leitzinsanstieg oder dem schnellen Ende der Anleihekäufe rechnen die wenigsten. Die Euro-Staaten sind abhängig von niedrigen Zinsen, um ihre Haushaltsdefizite zu finanzieren. Gut möglich also, dass die EZB künftig höhere Inflationsraten toleriert als zwei Prozent, um so eine lockere Geldpolitik länger fortsetzen zu können. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve ist diesen Schritt bereits gegangen.

Fast zehn Jahre lang blieben die Preissteigerungen auf niedrigem Niveau

Wie stark die Preise steigen werden, weiß niemand. In den vergangenen zehn Jahren gab es immer wieder Experten, die angesichts der lockeren Geldpolitik vor Inflation und gar Hyperinflation wie in der Weimarer Republik gewarnt haben. Doch stattdessen erholte sich die Weltwirtschaft, und die offiziell gemessenen Preisveränderungen blieben fast ein Jahrzehnt lang auf sehr niedrigem Niveau. "Es stimmt vermutlich, dass der aktuelle Inflationsschub dem Ende der Pandemie geschuldet und kurzfristig ist", sagt der ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. "Allerdings wachsen mit der Fortsetzung der aktuellen Geldpolitik die Risiken für eine dauerhafte Inflationsdynamik."

Doch schon auf dem aktuellen Inflationsniveau sind es Menschen mit wenig Geld, die besonders stark unter den steigenden Preisen für Wohnen, Benzin und Lebensmittel leiden. Diese lebenswichtigen Ausgaben machen bei weniger finanzkräftigen Familien einen größeren Anteil des Budgets aus als bei reicheren Familien - und man kann sie nicht einsparen.

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