Steuerskandal:Mr. Cum-Ex in der Schweiz festgenommen

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Der frühere Steueranwalt Hanno Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre. (Foto: privat)

Das Bundesamt für Justiz in Bern hat einen Auslieferungshaftbefehl gegen Hanno Berger erlassen, der als Drahtzieher hinter vielen Aktiendeals zu Lasten des Fiskus gilt. Berger befindet sich offenbar im Krankenhaus.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Nils Wischmeyer

Neun Jahre ist es her, dass Hanno Berger in die Schweiz geflüchtet ist - genauer gesagt nach Zuoz. Der kleine Ort mit weniger als 1000 Einwohnern im Kanton Graubünden war jahrelang Flucht- und Rückzugsort für den Anwalt, den in Deutschland viele gerne vor Gericht sehen würden. Denn Hanno Berger gilt als einer der Hauptverdächtigen im Steuerskandal Cum-Ex, manchem Ermittler gilt er gar als Vater des geschäftsmäßigen Steuerraubs.

In Zuoz in der Schweiz schien Berger lange Zeit sicher. Vor Ermittlern, Anwälten und früheren Geschäftspartnern. Doch das war einmal. Nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung hat das Bundesamt für Justiz in Bern einen Auslieferungshaftbefehl gegen Hanno Berger erlassen - auf Basis zweier deutscher Haftbefehle und eines Auslieferungsantrags. Die Chancen der deutschen Justiz, Berger endlich habhaft zu werden, stehen nicht schlecht. Im Schweizer Auslieferungshaftbefehl soll es heißen, dass es nicht unwahrscheinlich sei, dass dem deutschen Auslieferungsantrag stattgegeben werde.

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Die Generalstaatsanwaltschaft Köln bestätigte auf Nachfrage die Festnahme: "Von den Schweizer Behörden ist mitgeteilt worden, dass Herr Dr. Hanno Berger in der Schweiz im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens festgenommen worden sei." Nähere Informationen habe die Staatsanwaltschaft noch nicht.

Hanno Berger steht unter Bewachung der Polizei

Nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung befindet sich Berger wegen seines Gesundheitszustandes unter Bewachung der Polizei in einem Krankenhaus in Chur in der Schweiz und soll dort untersucht und behandelt werden. Der zuständige Amtsarzt soll Berger bescheinigt haben, dass er sowohl haft- als auch reiseunfähig sei. Damit wäre eine Auslieferung zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Allerdings könnte eine spätere Untersuchung ein anderes Ergebnis hervorbringen, auch kann sich Bergers Gesundheitszustand bessern. Sollte es keine gesundheitlichen Bedenken gegen seine Auslieferung mehr geben, könnte Berger dann allerdings noch Rechtsmittel einlegen, wovon zurzeit auszugehen ist.

Er und sein Anwalt Kai Schaffelhuber haben bisher allen Vorwürfen widersprochen und sich gegen alle Maßnahmen der Justiz gewehrt. Das tun sie auch jetzt. Die zuständigen Staatsanwälte in Köln und Frankfurt müssen damit rechnen, dass Hanno Berger und sein Anwalt den Rechtsweg in der Schweiz voll ausschöpfen werden - und das kann lange dauern. Hinzu kommt, dass die Schweiz sich bei mutmaßlichen Steuerdelikten mit etwaigen Auslieferungen schwer tut. Auch das könnte dazu führen, dass Berger am Ende in der Schweiz bleiben darf oder sich der Prozess zumindest in die Länge ziehen wird. Das letzte Wort dürften Schweizer Gerichte haben.

Ein Grund für den neuen Schweizer Haftbefehl könnte ein anberaumter Prozess vor dem Landgericht Bonn sein, wo Berger bereits im Juni hätte vor Gericht stehen sollen. Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft ihm dort Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen vor. Als Berater der Hamburger Privatbank M.M. Warburg soll er in den Jahren von 2007 bis 2011 Aktiengeschäfte auf den Weg gebracht haben, durch die ein Steuerschaden von etwa 280 Millionen Euro entstanden sein soll. Berger widerspricht dem und anderen Vorwürfen vehement.

Schon im Juni hätte sich Berger vor dem Landgericht Bonn verantworten sollen

Da sich der Rechtsanwalt weigerte, dem Prozess beizuwohnen, erließ das Landgericht in Bonn auf Bitten der Kölner Staatsanwaltschaft Haftbefehl. Bereits zuvor hatte das Landgericht in Wiesbaden ebenfalls einen Haftbefehl gegen Hanno Berger erlassen, beantragt von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Dazu gibt es einen deutschen Auslieferungsantrag für den Steuerberater und Anwalt.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt in Sachen Cum-Ex derzeit in mehr als 60 Verfahren gegen mehr als 900 Beschuldigte. Sie und auch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt haben Berger angeklagt und halten ihn für den Strippenzieher und eine Schlüsselfigur bei Cum-Ex-Deals.

Berger dagegen hatte stets argumentiert, sich bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften nicht strafbar gemacht zu haben. Als im vergangenen Jahr zwei ehemalige Banker im ersten deutschen Cum-Ex-Prozess verurteilt wurden, kommentierte Berger den Musterprozess als "Muster ohne Wert" und "grob rechtsirrig".

Bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften haben verschiedene Akteure Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende gehandelt und sich am Ende eine Kapitalertragssteuer mehrfach anrechnen oder erstatten lassen, die sie zuvor nur einmal oder gar nicht abgeführt hatten. Den Fiskus dürften diese steuergetriebenen Geschäfte Schätzungen von Steuerfahndern zufolge rund zehn Milliarden Euro gekostet haben.

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