Energiekrise:Habeck will den Mittelstand entlasten - aber wie?

Lesezeit: 3 min

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf dem Deutschen Arbeitgebertag. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Maßnahmen des Wirtschaftsministers sollen Firmen bei den hohen Energiekosten helfen. Details und Finanzierung sind noch unklar.

Von Michael Bauchmüller und Henrike Roßbach, Berlin

Die Bäcker haben längst aufgeschrien, am Mittwoch meldete sich auch die Digitalwirtschaft zu Wort. "Die Situation spitzt sich insgesamt zu", sagte Bernhard Rohleder, Chef des Branchenverbands Bitkom. Auch Rechenzentren brauchen Strom, und der wird immer teurer. Nötig seien "konsequente und zielgerichtete Schritte zur Entlastung", so Rohleder. Seit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag erst beim Arbeitgebertag aufgetreten ist und dann bei einem Mittelstandsgipfel ist klar: Solche Schritte sind innerhalb der Bundesregierung bereits in Arbeit - aber einfach werden sie nicht.

Dem Wirtschaftsministerium schweben Hilfen vor, wie sie im Frühjahr schon für die energieintensive Industrie aufgelegt worden sind. Demnach können Firmen bis zu 70 Prozent ihrer zusätzlichen Energiekosten erstattet bekommen, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen: Erstens müssen sich ihre Energiekosten gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt haben. Zweitens müssen mindestens drei Prozent ihrer Kosten auf Energie entfallen. Und drittens müssen sie im internationalen Wettbewerb stehen.

Habeck hat seinen Vorschlag erst grob skizziert

Dieses dritte Kriterium könnte nun wegfallen. "Die Situation hat sich verändert", begründet Habeck seinen Vorschlag. Seinerzeit sei man davon ausgegangen, dass Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stünden, höhere Energiekosten über höhere Preise an ihre Kunden weitergeben könnten. Stattdessen fließe nun aber auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern so viel Geld für hohe Energierechnungen ab, dass für den Konsum immer weniger bleibe. "Deswegen müssen die Unternehmen jetzt weitergehend unterstützt werden", sagt Habeck. Nicht nur das produzierende Gewerbe, auch Handwerk und Dienstleister sollen Hilfen bekommen können. Der Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP hatte eine Ausweitung des "Energiekostendämpfungsprogramms" bereits Anfang September beschlossen. Nun geht es um das "Wie".

Habeck hat seinen Vorschlag erst grob skizziert. Wie genau die Hilfe im Einzelfall funktionieren wird, ist noch unklar. Klar ist nur: Wenn das Kriterium des internationalen Wettbewerbsdrucks wegfällt, wird das der Energieintensität umso wichtiger. "Darüber wird man noch ein paar Runden drehen müssen", sagt Habeck. Gleichzeitig aber soll alles schnell gehen, denn manchen Betrieben droht jetzt schon die Insolvenz. Notfalls könnten die Zuschüsse rückwirkend gezahlt werden, etwa von September an. Auch das bestehende Programm für die Industrie soll ausgeweitet und bis mindestens April 2024 verlängert werden, zusätzliche Hilfe sollen Chemieparks erhalten und auch Firmen, die direkt von den Folgen des Krieges betroffen sind.

Lob vom Handwerk

Für die Idee der Energiekostenzuschüsse gab es am Mittwoch Lob vom Handwerk. "Allerdings wird das den Betrieben nur dann helfen, wenn diesen Ankündigungen auch schnellstmöglich Taten folgen", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer und verlangte unkomplizierte Beantragungsmöglichkeiten und schnelle Auszahlungen. Sollten die Hilfen erst in einigen Wochen fließen, "könnte das für zahlreiche Betriebe zu spät sein".

Habeck sieht das offenbar ähnlich. Am Dienstagnachmittag, beim Mittelstandsgipfel, traf er auf 40 Verbände und hörte 40 Mal von hohen Energiekosten, ratternden Lieferketten, Konsumzurückhaltung und Corona. Es gehe, warnte der Grüne danach, nun um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. "Wir sollten nicht säumig sein", die Leute brauchten das Geld. "Wir müssen jetzt alle finanzielle Kraft aufbringen."

Nur: Der Verwalter aller finanzieller Kraft ist Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Dem liegt der Mittelstand zwar schon qua seines Nebenjobs als FDP-Parteichef am Herzen. Wenn es aber um den Bundeshaushalt geht, haben für ihn selbst Herzensangelegenheiten Grenzen. Lindner hat seit Beginn der Legislaturperiode einem Nachtragshaushalt, einem Ergänzungshaushalt, einem Bundeswehr-Sondervermögen und drei Entlastungspaketen zugestimmt. Nächstes Jahr aber will er die Schuldenbremse wieder einhalten, was den Vorstellungen Habecks Grenzen setzt. Stand Mittwoch jedenfalls war die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt.

"Ich kenne noch keine detaillierten Überlegungen des Wirtschaftsministers", sagte Lindner in Berlin, die Regierung werde sich gemeinsam ein Bild machen. Mit Blick auf die Inflation betonte er, man könne auf die jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank nicht mit einer "ausgedehnten, auf immer mehr Staatsausgaben setzenden Fiskalpolitik" antworten. Es könne "keine Analogie zur Corona-Pandemie geben", wo man auf "ganz breitflächige Instrumente" gesetzt habe. "Es geht ja jetzt nicht darum, die Nachfrage zu stärken." Stattdessen müssten "Strukturbrüche" verhindert werden - und dass eigentlich gesunde Unternehmen aus dem Markt ausschieden.

Derweil ist auch der Konflikt mit den Ländern um ihren Anteil am dritten Entlastungspaket noch ungelöst. Am 28. September soll es dazu ein Spitzentreffen zwischen Kanzler und Ministerpräsidenten geben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGoogle-Hacks
:Besser suchen, mehr finden

Fast alle Menschen googeln, aber nur wenige wissen, wie mächtig die Suchmaschine ist. Mit diesen fünf Tipps kommt man schneller ans Ziel - und zwar nicht nur bei Google.

Text: Simon Hurtz, Collagen: Stefan Dimitrov

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: