Standortpolitik:Grünheide sagt mal Nein zu Tesla

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Bislang konnte der US-Autobauer seine Pläne in Brandenburg weitgehend ungehindert umsetzen, jetzt haben die Bewohner gegen einen Erweiterungsbau gestimmt. Für das Unternehmen ist das doppelt ärgerlich.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Zu den weniger schönen Aufgaben eines Politikers gehört es, auch noch in der Niederlage Würde zu zeigen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) gelang das am Dienstagabend ziemlich gut. In der Gemeinde Grünheide zeichnete sich gerade ab, dass sich der größere Teil der Bevölkerung gegen den Autobauer Tesla gestellt hat, der Sender RBB erwischte Steinbach vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Das Ergebnis sei "Zeichen gelebter Demokratie", sagte Steinbach wacker, davor habe er großen Respekt. Nun gehe es darum, das Votum der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.

Das Abstimmungsergebnis ist die erste größere Schlappe für Elon Musk und seine Giga-Fabrik in Grünheide. Es ist auch die erste größere Schlappe für Brandenburgs Regierung, die die Ansiedlung des US-Autobauers unterstützt hat, wie kaum einen anderen Fabrikbau. Entgegen aller Kritik nannte Wirtschaftsminister Steinbach das Werk immer wieder einen Glücksfall für das Bundesland. Eine Diktion, die die Bürger des Erholungsgebiets dicht am Stadtrand zu Berlin mitgetragen haben - bis zum Dienstag.

Etwa 5400 Einwohner der Gemeinde Grünheide waren seit Wochen aufgerufen, folgende Frage zu beantworten: "Sollen weitere 100 Hektar Wald (im Landschaftsschutzgebiet) in der Gemarkung Grünheide (Bebauungsplan Nr. 60) in eine Industriefläche umgewandelt werden, die für Logistik, Lagerhaltung und soziale Gebäude genutzt wird?" Die Antwort war eindeutig: 3499 Einwohner stimmten dagegen, 1882 dafür. Tesla hatte geplant, auf dem Gelände einen Bahnhof zu errichten, einen Betriebskindergarten und weitere Lagermöglichkeiten. Diese Pläne sind nun vorerst perdu.

Zwar ist das Bürgervotum nicht bindend für die Gemeindevertreter, die eigentlich bereits zugestimmt hatten, einen Bebauungsplan aufzustellen. Doch die Kritik daran wurde so groß, dass die Bürger noch einmal befragt werden sollten. Mehrere Gemeindevertreter hatten angekündigt, der Entscheidung der Grünheider zu folgen. So war es auch nur konsequent, dass der parteilose Bürgermeister der Gemeinde, Arne Christiani, am Dienstagabend erklärte, das Ergebnis zu respektieren. Christiani war immer ein Befürworter der Tesla-Ansiedlung, die der Gemeinde mehrere Millionen Steuern im Jahr einbringt. Nun sagte der Bürgermeister, er werde vorerst keinen Bebauungsplan für den Erweiterungsbau im Gemeinderat einbringen.

"Zeichen gelebter Demokratie": Bei einer Befragung stimmten die Bürgerinnen und Bürger von Grünheide gegen eine Erweiterung des dortigen Tesla-Werks. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

12 500 Menschen produzieren in Grünheide 6000 Elektroautos in der Woche

Elon Musk hatte 2019 entschieden, seine erste Produktionsstätte in Europa in Brandenburg zu errichten. Das Werk wurde nach einer Rekordbauzeit im März 2022 eröffnet. Dafür war die brandenburgische Landesregierung immer wieder an die Grenzen des Baurechts gegangen, zum Beispiel, indem Tesla für die Errichtung der Fabrik eine ganze Reihe von Ausnahmegenehmigungen erteilt worden waren. Inzwischen arbeiten 12 500 Menschen in dem Werk und produzieren 6000 Elektroautos in der Woche, rund 300 000 im Jahr.

Während Bundesregierung und Staatskanzlei das Projekt als Blaupause für künftige Ansiedlungen feierten, wurde es von Umweltschützern regelmäßig kritisiert. Hunderte Hektar Kiefernwald mussten gerodet werden und Teile des Werks liegen im Wasserschutzgebiet. Hinzu kommt der Wasserverbrauch der Fabrik selbst, nach Jahren der Dürre hat Brandenburg mit sinkenden Grundwasserspiegeln zu kämpfen.

Der Abstimmung war ein wochenlanger Wahlkampf von Tesla und seinen Gegnern vorangegangen. Die Bürgerinitiative Grünheide und das Bündnis "Tesla den Hahn abdrehen" erklärten, sie hätten bis Anfang Februar an die 1000 Gespräche mit den Menschen in Grünheide geführt. "Jetzt ist Schluss mit undemokratischen Ausnahmegenehmigungen und dem skandalösen Hinwegsehen über Umwelt- und Arbeitsverstöße", sagte einer der Aktivisten nach dem erfolgreichen Votum. Um dem Ergebnis Nachdruck zu verleihen, rufen die Umweltschützer für den 10. März noch einmal zur Demonstration auf.

Für Tesla ist das Ergebnis doppelt ärgerlich, hatte das Unternehmen doch seine eher restriktive Informationspolitik in den vergangenen Monaten aufgegeben. Seit Anfang des Jahres warb der Autobauer mit großem Aufwand für den Erweiterungsbau. Im Januar lud die Werksleitung zu einer Veranstaltung in der Fabrik ein, einmal pro Woche wurde eine Bürgersprechstunde angeboten. Zudem versuchte Tesla, die Grünheider mit einer Roadshow durch die Gemeinde für sich zu gewinnen.

Trotzdem gab sich das Unternehmen nach der Niederlage konziliant. "Wir sehen, dass die Bürgerinnen und Bürger von Grünheide Sorgen in Verbindung mit der geplanten Flächenerweiterung haben", erklärte Tesla noch am Dienstagabend. Das Unternehmen sei "nach wie vor überzeugt, dass die logistische Optimierung des Werks ein großer Gewinn für die Gemeinde" sei. Tatsächlich dürften die Folgen der Grünheider Entscheidung für den Autobauer überschaubar sein. Die geplante Erweiterung der Autoproduktion selbst ist jedenfalls nicht gefährdet.

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