An diesem Donnerstag tritt die Kanzlerin vor den Bundestag, es geht um die anstehende EU-Ratspräsidentschaft. Solche Auftritte sind üblich, das Parlament soll wissen, wie die Regierung die Zeit an der Spitze der Mitgliedstaaten nutzen will. Ganz bestimmt wird Angela Merkel auch einiges zum Klimaschutz sagen. Im deutschen Programm für die sechs Monate lange Präsidentschaft findet sich schließlich ein ganzer Abschnitt zum "nachhaltigen Europa", samt Abschluss des europäischen Klimagesetzes und einer Anhebung der Klimaziele in der EU. Man begrüße, dass die EU-Kommission bis 2030 die klimaschädlichen Emissionen stärker mindern will. Um 50 bis 55 Prozent sollen sie nun gegenüber dem Jahr 1990 schrumpfen.
Das alles gehört zum sogenannten Green Deal der EU, die Verhandlungen fallen in die deutsche Präsidentschaft und werden schon deshalb nicht leicht, weil die Ideen aus Brüssel vielen osteuropäischen Staaten viel zu weit gehen. Druck allerdings bekommt Merkel auch von anderer Seite: von den Grünen.
Sie wollen an diesem Donnerstag einen Entschließungsantrag in den Bundestag einbringen, er sattelt überall noch etwas drauf. "Es ist Zeit, dass Deutschland in der EU endlich Verantwortung übernimmt, solidarisch handelt und die Umsetzung des Green Deals aktiv vorantreibt", heißt es in dem Antrag, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Hinter 26 Spiegelstrichen verbirgt sich hier eine Art Anleitung zu einer grünen Revolution in Europa.
Das Klimaziel solle die Bundesregierung gleich mal auf ein minus von 65 Prozent hochverhandeln, verlangt die Fraktion darin - was auch für das Mitgliedsland Deutschland noch einmal deutlich mehr Anstrengungen für den Klimaschutz nach sich zöge. Für Europas Emissionen müssten fixe Budgets an Kohlendioxid vereinbart werden, die von Wissenschaftlern überprüft werden. Alle Investitionen der EU, alle Gesetze und Haushaltsvorschläge sollen zudem unter einen "Europäischen Klimavorbehalt" gestellt werden. Was in den nächsten Monaten ausgereicht wird, etwa an Konjunkturhilfen gegen die Corona-Krise, muss sich ebenfalls an den Zielen des Pariser Klimaabkommens messen lassen. Und wo Staaten zur Rettung in Unternehmen einsteigen, sollen sie ihre Mitsprache für mehr Klimaschutz nutzen. In Deutschland beträfe das dann etwa das Engagement des Staates bei der Lufthansa.
"Jetzt kann die Bundesregierung nicht mehr sagen, es gibt keine Alternativen"
Auch Europas Agrarpolitik solle sich künftig an Klima- und Gemeinwohlzielen orientieren, mit weniger Einsatz von Dünger und Pestiziden und Vorgaben für artgerechte Tierhaltung. Die Verhandlungen über die künftige Ausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik fallen ebenfalls in die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft. Ein Naturschutzfonds von jährlich 15 Milliarden Euro schwebt den Grünen ebenfalls vor, außerdem soll die EU "zum weltweiten Vorbild im Tierschutz" werden. Um das zu flankieren, soll auch die "europäische Handelspolitik entlang der sozialen und ökologischen Notwendigkeiten grundlegend neu aufgestellt" werden, heißt es in dem Antrag. Für Angela Merkels Zeit an der EU-Spitze haben sich die Grünen viele dicke Bretter ausgedacht. "Jetzt kann die Bundesregierung nicht mehr sagen, es gibt keine Alternativen", sagt Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum.
Eine Mehrheit im Bundestag wird der Antrag freilich kaum finden, Merkel findet ihr Arbeitsprogramm vermutlich schon dick genug. Wobei sie an diesem Mittwoch auch Rückendeckung erfährt, von unerwarteter Seite. In einem gemeinsamen Brief verlangen die Bürgermeister von Warschau, Prag, Budapest und Bratislava - die Hauptstädte der vier Visegrád-Staaten Osteuropas - ein Klimaziel von 55 Prozent. "Wir sind bereit, unseren Teil zu tun", schreiben sie.