Die Backstube verwaist, die Rührschüsseln verräumt, der süßliche Duft verflogen: Man könnte meinen, schlimmer hätte es für Katharina Mayer kaum kommen können. Von heute auf morgen brach fast der komplette Umsatz ihres Start-ups "Kuchentratsch" weg. Doch Mayer hatte andere Sorgen: "Ich habe mich gefragt: Was machen jetzt bloß unsere Omas und Opas?"
Kuchentratsch ist kein gewöhnliches Start-up. Den Münchnern geht es weniger um Gewinnmaximierung als darum, die Welt ein bisschen besser zu machen. Das Herz der Firma ist eine kleine Backstube in einem unscheinbaren Hinterhof: 50 Seniorinnen und Senioren backen hier Käsekuchen, Rüblitorten und Nussecken nach alten "Oma-Rezepten". Die werden dann nach ganz Deutschland verschickt - oder von "Liefer-Opas" in München zugestellt.
Der Gedanke hinter der Geschäftsidee ist ein durch und durch sozialer. "Viele Seniorinnen und Senioren sind verwitwet, kommen weniger raus und erleben kaum Neues", sagt Mayer. "Durch das Backen finden sie neue Bekannte und können sich etwas zur Rente dazuverdienen. Und sie merken: Bei uns wird ihr Wissen gebraucht."
Erzählt die 31-Jährige von der Gründung, während sie im Vorraum der Backstube auf einem flauschigen Ohrensessel sitzt, dann schwingt immer auch ein bisschen Nostalgie mit. "Kuchenessen bei meiner Oma war für mich Standard", erzählt Mayer. "Bei ihr gab es Kuchen schon zum Frühstück - zum Leidwesen meiner Mutter." Als sie ausgezogen sei, habe sie sich gefragt, warum man Kuchen wie den ihrer Oma eigentlich nirgends kaufen könne.
Sechs Jahre nach der Gründung entstanden in der Kuchentratsch-Backstube an guten Tagen 80 bis 100 Kuchen. 40 000 Stück wurden 2019 per Post nach ganz Deutschland verschickt, Hunderte weitere an Münchner Cafés ausgeliefert - und dann kam Corona. Fünf Monate war die Backstube komplett dicht. Eine alternativlose Entscheidung, sagt Mayer. "Für uns hatte es oberste Priorität, unsere Omas und Opas zu schützen. Aber klar, fünf Monate kein Umsatz, das ist für die wirtschaftliche Lage der Firma natürlich eine Katastrophe."
Die Rettung kam in Form des vermeintlichen Feindes einer jeden leidenschaftlichen Bäckerin: der Backmischung. Die war schon vor Corona in Planung, doch das Timing hätte nicht besser sein können: Während in der Backstube alles stillstand, konnte das Team mit Hochdruck daran arbeiten - und brachte die beiden Produkte drei Monate früher auf den Markt als geplant. "Das war so wichtig", sagt Mayer, "wir mussten ja irgendwie Umsatz generieren."
Zwar laufen die Öfen in der Backstube mittlerweile wieder, "aber es ist nichts im Vergleich zu vorher". Statt bis zu 100 backen die Omas derzeit um die 40 Kuchen pro Tag - auch, weil viele Firmenkunden selbst finanzielle Probleme haben. Mayer ist trotzdem froh über jede Oma, die sie derzeit in den Schichtplan eintragen kann. "Wir haben einfach festgestellt, dass es den Omas nicht guttut, wieder allein daheim zu sein. Wir sind für viele von ihnen ja zu einer Anlaufstelle geworden, die fest in den Wochenablauf integriert war."
Mayer ist optimistisch, dass die Backmischung ihr Start-up über die Corona-Zeit retten kann. Bislang sind "Oma Annas Schokokuchen" und "Oma Helgas Zitronenkuchen" zwar nur in etwa 100 Geschäften gelistet, und "das ist umsatztechnisch weit von dem entfernt, was wir im normalen Kuchengeschäft erwirtschaften", sagt Mayer. Sie strebt daher zeitnah eine deutschlandweite Listung an - auch, um die Omas und Opas weiter beschäftigen zu können. Helfen soll ihr dabei eine Karottenkuchen-Backmischung. Die kommt zwar erst Ende September in den Handel - der Kuchen ist frisch gebacken aber bislang der absolute Bestseller.