Großbritannien:London kämpft um das Vertrauen der Finanzmärkte

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Die Bank of England im Finanzdistrikt der City of London. (Foto: Alberto Pezzali/AP)

Die Bank of England forciert ihre Staatsanleihen-Käufe. Und Schatzkanzler Kwarteng vollzieht schon wieder eine Kehrtwende. Manche Tories sprechen schon nur noch von "Kwasikaze".

Von Alexander Mühlauer, London

Die Woche begann für Kwasi Kwarteng, wie schon die letzte angefangen hatte: mit einer Kehrtwende. Eigentlich wollte der britische Finanzminister erst Ende November erklären, wie die umstrittenen Steuersenkungspläne der Regierung finanziert werden sollen, aber das war nicht durchzuhalten. Der Druck der Finanzmärkte war so groß, dass er am Montag mitteilte, den Termin um fast einen Monat vorzuziehen. Am 31. Oktober will Kwarteng also das vorlegen, was die Märkte schon längst von ihm erwartet hatten: eine möglichst glaubwürdige Strategie, wie das milliardenschwere Entlastungspaket bezahlt werden soll - ohne dabei die Staatsschulden in horrende Höhen zu treiben.

Seit Kwarteng vor zwei Wochen den sogenannten Wachstumsplan der Regierung vorgestellt hatte, kommt Großbritannien nicht zur Ruhe. Das britische Pfund hat zwar den massiven Wertverlust gegenüber dem US-Dollar wieder etwas gutmachen können, aber die Lage bleibt angespannt. Wie sehr, zeigte sich am Montag, als die Bank of England mitteilte, ihr Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen auszuweiten. Die Notenbank kündigte an, täglich nicht mehr nur Anleihen im Wert von fünf Milliarden Pfund zu kaufen, sondern das Doppelte. Die Aktion umfasst insgesamt 65 Milliarden Pfund und soll am Freitag auslaufen.

Ende September hatte die Bank of England angekündigt, so viele Staatsanleihen wie nötig zu kaufen, um die Finanzstabilität zu gewährleisten. Das war auch dringend nötig, nachdem das Pfund massiv an Wert verloren hatte und die Rendite 30-jähriger britischer Staatsanleihen zum ersten Mal seit 2002 auf über fünf Prozent gestiegen war. Fünf Prozent Rendite bedeutet, dass die britische Regierung fünf Prozent Zins bezahlen muss, um an den internationalen Finanzmärkten für diese Laufzeit einen Kredit zu erhalten. Die Notenbank sorgte mit ihren Käufen dafür, dass der Zins wieder sank und sich der Staat günstiger verschulden kann. Im Grunde betreibt die Bank of England damit jene Form der indirekten Staatsfinanzierung wie die Europäische Zentralbank während der Euro-Krise.

Viele Briten haben Angst, ihre Hauskredite künftig nicht mehr bezahlen zu können

Die britische Notenbank kündigte zudem an, eine sogenannte Fazilität einzurichten, also eine Art Geldtopf, um Banken, deren Kunden mit einem plötzlichen finanziellen Engpass zu kämpfen haben, mit Krediten zu versorgen. Viele Unternehmen haben mit den gestiegenen Zinsen zu kämpfen. Ähnlich geht es Privatkunden, die einen Immobilienkredit erneuern müssen. Anders als in Deutschland laufen die meisten britischen Darlehensverträge keine zehn Jahre, sondern üblicherweise zwei bis fünf Jahre. Viele Eigentümer sind deshalb in Sorge, dass die Kosten für die Finanzierung ihres Hauses stark steigen.

Wie es aussieht, ist diese Sorge durchaus berechtigt. Die Bank of England dürfte bei ihrer nächsten regulären Sitzung Anfang November den Leitzins von derzeit 2,25 Prozent weiter anheben. Die Notenbank will so die Inflationsrate von aktuell 9,9 Prozent senken. Ob das gelingt, ist fraglich, denn die wirtschaftspolitischen Pläne der Regierung laufen diesem Ziel zuwider. Premierministerin Liz Truss und ihr Finanzminister Kwarteng wollen mit Steuersenkungen einen Wachstumsschub auslösen.

Auch wenn die beiden ihren Plan, den Spitzensteuersatz zu senken, wieder zurückgenommen haben, bleiben weitere Vorhaben, die dazu führen sollen, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche haben. So wird etwa der sogenannte Basissteuersatz von 20 auf 19 Prozent fallen. Hinzu kommen die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge sowie Steuererleichterungen für Unternehmen. Das alles soll die Konsumnachfrage ankurbeln, was allerdings dazu führen dürfte, dass die Preise tendenziell steigen - und damit die Inflation.

Davon will Finanzminister Kwarteng jedoch nichts wissen. Wenn er diese Woche zum Treffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach Washington reist, wird er seine Sicht der Dinge erklären müssen. Der IWF hatte bereits im Vorfeld die Pläne der britischen Regierung ungewöhnlich deutlich kritisiert. London solle die Steuerentlastungen "noch einmal überdenken", hieß es.

Auch wenn die Senkung des Spitzensteuersatzes erst mal vom Tisch ist, bleiben noch andere Vorhaben, deren Finanzierung unklar ist. Kwarteng wird in Washington Antworten darauf geben müssen. So warnte etwa die Ratingagentur Moody's, dass Großbritannien dabei sei, seine Reputation für Stabilität zu riskieren.

Nicht nur auf der Bühne der internationalen Finanzwelt hat Kwasi Kwarteng nun damit zu kämpfen, sein Image wieder zu verbessern. Auch in der eigenen Konservativen Partei gilt er als angezählt. So manche Tories sprechen nur noch von "Kamikwasi" oder "Kwasikaze".

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