Griechenland und die Euro-Länder:Athen in der Zwickmühle

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  • Die griechische Regierung muss den Euro-Partnern für die weitere finanzielle Unterstützung eine Liste mit Reformen vorlegen.
  • Darin will Griechenland unter anderem ankündigen, Steuerhinterziehung und Korruption zu bekämpfen und gegen Schmuggel vorzugehen.
  • Für seine bisherige Politik muss Ministerpräsident Tsipras heftige Kritik einstecken - ein bekannter Europaparlamentarier fordert die Syriza-Mitglieder auf, ihre Unterstützung zu überdenken.

Erfolgreiche Einigung oder bloße Illusion? Der Druck auf die griechische Regierung wächst - von innen. Während Ministerpräsident Alexis Tsipras die Fortschritte mit Brüssel feiert und davon spricht, dass Athen "nicht länger einem fremden Drehbuch" folge, geht jener Mann auf Distanz zu ihm, der in der linken Syriza-Partei fast schon Mythos ist: der 92-jährige Manolis Glezos, einst antifaschistischer Kämpfer gegen die deutsche Besatzung, heute ältester Abgeordneter im Europaparlament.

Schon bevor Tsipras' Regierung ihre Reformliste an EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationalen Währungsfonds (IWF) - die vormalige Troika - schickt, äußert Glezos harsche Kritik. Die Regierung würde lediglich die Worte ändern, anstatt sich um den Inhalt des Programms zu kümmern, schreibt er in einem Blog-Beitrag, aus dem das Nachrichtenportal ekathimerini zitiert. Durch die Umbenennung der Troika in "Institutionen", des Memorandums in "Vereinbarung" und der Gläubiger in "Partner" ändere sich nichts an der Situation, schimpft der 92-Jährige. An das griechische Volk gewandt schreibt Glezos, er entschuldige sich für seine "Mitwirkung an der Schaffung von Illusionen".

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Der Deal mit Athen ist gesichtswahrend für die Regierung Tsipras und für die Euro-Staaten. Wer genau liest, sieht aber: Das Problem wird nur vertagt. Wiedervorlage: in zwei Monaten.

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Das Problem: Die Regierung in Athen muss sowohl die Anforderungen der europäischen Gläubiger bedienen - also Reformvorschläge liefern und umsetzen - als auch den Wunsch nach Veränderung ihrer Wähler erfüllen. Bislang scheint Tsipras der Spagat nicht zu gelingen. Geht es nach Glezos, muss die Partei jetzt reagieren. Die Mitglieder und diejenigen, die Syriza unterstützten, sollten in außerordentlichen Versammlungen entscheiden, ob sie die derzeitige Lage akzeptieren.

Was auf der Reformliste steht

Bis 23 Uhr muss Athen der vormaligen Troika die konsolidierte Reformagenda vorlegen - von der Zustimmung der Euro-Partner hängt die weitere finanzielle Unterstützung ab. Die bereits durchgesickerten Punkte der Reformliste klingen allerdings vage.

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Nach einer intensiven Debatte einigen sich Griechenland und die EU-Finanzminister: Das Hilfsprogramm wird mindestens um vier Monate verlängert. Dafür verpflichtet sich die Regierung in Athen die vereinbarten Reformen fortzusetzen.

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Wie die Financial Times berichtet, heißt es in dem Brief an die drei Institutionen nun unter anderem, dass Steuerhinterziehung und Korruption bekämpft und der Schmuggel von Benzin und Zigaretten gestoppt werden sollen. Regierungssprecher Gavriil Sakellarides kündigte im griechischen Fernsehen an, notleidende Griechen entlasten zu wollen. Wie die einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden sollen, blieb offen.

Wie es zwischen Athen und Euro-Staaten weitergeht

Stimmen EU-Kommission, EZB und IWF den ersten Reformvorschlägen zu, will die Euro-Gruppe am Dienstag in einer Telefonkonferenz weiter beraten. Gibt sie ihr Plazet, sollen die nationalen Parlamente einiger Euro-Länder - darunter der Deutsche Bundestag - abstimmen, ob das Ende Februar auslaufende Hilfsprogramm um weitere vier Monate verlängert wird. Ob ein drittes Hilfspaket nötig werden könnte, zeigt sich spätestens Ende Juni (einen detaillierten Zeitplan lesen Sie hier). Bisher wurde das hoch verschuldete Griechenland mit 240 Milliarden Euro vor dem Bankrott gerettet.

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Vorgabe der Euro-Partner ist, dass das aktuelle Rettungsprogramm erfolgreich beendet wird - was Athen lange ablehnte. Erst bei Abschluss könnten etwa die auf Eis liegende Kredittranche von 1,8 Milliarden Euro sowie zugesagte Zinsgewinne der EZB aus griechischen Anleihen von 1,9 Milliarden Euro fließen. Grundlage seien die Vorgaben der aktuellen Hilfsvereinbarungen, hieß es, wobei weitgehende Flexibilität möglich sei. Griechenland sagte zu, keine vereinbarten Reformmaßnahmen zurückzunehmen und die Forderungen aller Gläubiger zu erfüllen. Beim Etatüberschuss - ohne Zins- und Tilgungsleistungen - hat Athen etwas Spielraum erhalten.

Was deutsche Politiker von der Einigung halten

In Deutschland scheint der Wille zu einer Einigung vorhanden zu sein. Die Spitzen der großen Koalition bewerten die vorläufige Einigung zwischen Athen und den Euro-Partnern von Freitagabend positiv. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte im ARD-"Morgenmagazin", die neu gewählte griechische Regierung habe nun eine Chance, innenpolitisch festzulegen, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollten. "Es muss nur innerhalb des Finanzrahmens bleiben", betonte Schneider. "Soweit das so ist, können wir durchaus zustimmen."

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt: "Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Das haben zuguterletzt auch die Griechen eingesehen." Jetzt habe die Regierung in Athen einige Wochen Zeit, der Bevölkerung zu erklären, dass eine Kurskorrektur nötig gewesen sei.

Ob Ministerpräsident Tsipras Kurskorrekturen tatsächlich vornehmen und umsetzen will, wird sich in den kommenden Tagen zeigen - für die griechische Regierung wird es eine Zerreißprobe.

© SZ.de/Reuters/dpa/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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