Sidd Bikkannavar lebt den amerikanischen Traum. Er entwickelt Strahlantriebe für die Nasa, die Teil des James-Webb-Weltraumteleskops werden sollen. In seiner Freizeit fährt er Rennen in futuristischen Autos, die von Solarenergie angetrieben werden. Ende Januar rast er zwei Wochen durch die Hochebenen von Patagonien. Sein Rückflug von Santiago de Chile nach Houston endet am dortigen George Bush Intercontinental Airport: US-Grenzschutzbeamte halten Bikkannavar auf, er darf nicht in seine Heimat einreisen.
Die Grenzschützer der Behörde Customs and Border Protection (CBP) beschlagnahmen sein Smartphone. Sie fordern ihn auf, seinen Zugangscode zu verraten. Damit hätten sie Zugriff auf alle gespeicherten Daten. Er werde so lange festgehalten, bis er den Beamten Zugriff gebe. Bikkannavar zögert: Das Smartphone gehört der Nasa, er ist vertraglich verpflichtet, die Informationen zu schützen. Schließlich gibt er auf, die Grenzschützer kopieren die Daten, einige Stunden später darf Bikkannavar die Vereinigten Staaten betreten.
IT-Sicherheit:Trump twittert mit einem alten, ungeschützten Smartphone
Der Präsident nutzt offenbar sein privates Handy weiter, sein offizieller Twitter-Account war mit einer Gmail-Adresse verknüpft. Damit macht Trump es kriminellen Hackern und fremden Geheimdiensten leicht.
All das schildert der Nasa-Mitarbeiter in einem Facebook-Post, mehr als viertausend Menschen haben seine Geschichte geteilt. "Das alles hat mich ziemlich überrumpelt", sagte Bikkannavar dem Tech-Portal The Verge. Eigentlich nimmt er am Global-Entry-Programm teil, das vertrauenswürdigen US-Bürgern besonders schnelle Abfertigung bei der Einreise garantieren soll. Umso ungewöhnlicher, dass die CBP ihn so scharf kontrolliert.
Unter Obama wurden Smartphones und Laptops gefilzt - tausendfach
Während Bikkannavar mit Solarautos durch die Anden gedüst ist, haben sich die USA im Eiltempo verändert. Er verlässt ein Land mit einem schwarzen, demokratischen Präsidenten, zwei Wochen später ist Donald Trump im Amt und hat etliche Verordnungen durchgepeitscht - darunter das umstrittene Einreiseverbot für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern.
"Ich habe eine Frage gestellt, 'Warum wurde ich ausgewählt?', aber ich bekam keine Antwort", erzählte Bikkannavar The Verge. Er habe in einem Hinterzimmer des Flughafens warten müssen, zusammen mit einer Handvoll anderer Reisender. Die anderen hätten auf Feldbetten geschlafen und seien offenbar vom Einreiseverbot betroffen gewesen.
Ob das Verhalten der Grenzschützer in Bikkannavars Fall etwas mit den aktuellen politischen Entwicklungen in den USA zu tun hat, ist allerdings unklar. Auch schon unter Obama wurden Einreisende gezwungen, ihre elektronischen Geräte kontrollieren zu lassen. Alleine zwischen 2008 und 2010 geschah das mehr 6500 Mal, wie die Bürgerrechtsorganisation ACLU herausfand; in knapp der Hälfte der Fälle waren US-Amerikaner betroffen.
Grenzschützer dürfen elektronische Geräte beschlagnahmen
Ein US-Berufungsgericht hat 2008 entschieden, dass Behörden Smartphones oder Laptops von Einreisenden beschlagnahmen und durchsuchen dürfen, auch wenn es keinen Anlass gibt, die Personen zu verdächtigen. Das sei verhältnismäßig und entspreche gewöhnlichen Gepäckkontrollen. Die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF) legten Protest ein, das Urteil ist dennoch bis heute gültig. Auch in den vergangenen Monaten kontrollierte die CBP regelmäßig elektronische Geräte, darunter etwa die Smartphones von zwei Journalisten. Dieser Leitfaden der EFF erklärt Reisenden, wie sie ihre Daten schützen können.
Den Betroffenen präsentieren die Grenzschützer ein Dokument mit dem Titel "Inspection of Electronic Devices" ( PDF), das erklärt, warum man ausgewählt wurde (eine "Vielzahl von Gründen" kann ursächlich sein, darunter auch das Pech, Ziel einer Zufallskontrolle geworden zu sein). Darin steht auch, auf welcher rechtlichen Grundlage die Durchsuchung geschieht, was mit den gefundenen Daten passiert (sie können auch kopiert und gespeichert werden) und wie man die Geräte zurückerhält (die Beamten rufen an, dann darf man sein Eigentum abholen).
Bikkannavar weiß nicht, warum es ausgerechnet ihn getroffen hat
So läuft es auch bei Bikkannavar ab, der dazu gedrängt wurde, seinen Zugangscode zu verraten. Hassan Shibly vom Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen kritisiert das scharf. "Die Festgenommen bekommen den Eindruck vermittelt, dass sie das Smartphone entsperren müssen", sagte er The Verge. "Dazu sind sie nicht verpflichtet." Das stimmt: Weder die US- Transportsicherheitsbehörde (TSA) noch die Beamten der CBP haben das Recht, Reisende zu verpflichten, Passwörter und Pins herauszugeben.
Das weiß Bikkannavar aber nicht, ihn hätten die Grenzschützer eingeschüchtert, sagte er: "Ich wollte die Konsequenzen wirklich nicht austesten." Nachdem er sein Smartphone zurückbekommen hat, schaltet er es sofort aus und übergibt es der IT-Abteilung seines Arbeitgebers, des Jet Propulsion Laboratory der Nasa. Er könne nicht sagen, ob das Gerät heikle Daten enthalten habe, seine Vorgesetzten seien aber nicht glücklich wegen des Vorfalls gewesen.
Bikkannavar arbeitet seit zehn Jahren für eine renommierte Bundesbehörde. Er wisse nicht, warum ausgerechnet er für die Kontrolle ausgewählt worden sei, sagt er The Verge. Möglicherweise liege es an seinem indisch klingenden Namen, bislang habe er aber immer problemlos einreisen können. "Vielleicht war es einfach großer Zufall, dass das ausgerechnet während des Einreiseverbots passiert ist." Den wirklichen Grund wird Bikkannavar möglicherweise nie erfahren.