GM: Politik und Autoindustrie:Staatenlenker im Crashtest

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Um kaum eine andere Sparte kümmert sich die Politik so sehr wie um die Autoindustrie - aus sehr offensichtlichen Gründen.

Karl-Heinz Büschemann und Moritz Koch

Wenn es sein muss, greift Kanzlerin Angela Merkel schnell zum Telefon, um auf dem kurzen Wege mit Amtskollegen in anderen Hauptstädten zu sprechen. In der vergangenen Woche telefonierte sie gleich zweimal mit Wladimir Putin, dem russischen Ministerpräsidenten. Es ging um Opel, ob der russische Staat bereit sei, sich an dem angeschlagenen Autobauer Opel zu beteiligen.

Hat Opel zur Chefsache erklärt: Kanzlerin Angela Merkel (Foto: Foto: AP)

Am vergangenen Freitag telefonierte die Kanzlerin in der gleichen Sache mit dem US-Präsidenten Barack Obama. Sogleich ging sie in die Details, fragte nach der Höhe der Lizenzgebühren, die Opel für die Nutzung von Patenten an die bisherige Muttergesellschaft General Motors zahlen müsse. Ein anderes Thema war, ob General Motors (GM) erlauben werde, dass Opel auch Autos nach China liefert.

Längst ein Thema wie Terrorismus oder Klimaschutz

In der Nacht zum Pfingstsamstag stand fest, dass Amerika und Russland die wichtigsten Partner der Kanzlerin bei der Rettung von Opel sind. GM geht unter Regie des Weißen Hauses in die Insolvenz, wird zum Staatsunternehmen und bleibt mit 35 Prozent an Opel beteiligt. Der russische Staat übernimmt durch die Sberbank ebenfalls 35 Prozent. Der kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna, der mit den russischen Partnern paktiert, bekommt weitere 20 Prozent. Daneben fallen die zehn Prozent, die Opel-Händler und -Mitarbeiter übernehmen werden, kaum noch ins Gewicht. Die Bundesregierung garantiert Opel Kredite und Bürgschaften für den Autohersteller für 4,5 Milliarden Euro. Opel ist im Griff von drei Regierungen.

Die Autoindustrie ist für die Mächtigen der Welt längst ein Kernthema wie der internationale Terrorismus, die Energieversorgung oder der Klimaschutz. Deshalb trat am Montagabend Präsident Barack Obama selbst vor die Fernsehkameras, um den Amerikanern die GM-Insolvenz zu erklären. Es werde "schmerzhaft für viele Amerikaner sein, die sich über Generationen auf General Motors verlassen haben", sagte Obama. Sein Ziel sei es aber, dem Unternehmen "wieder auf die Beine zu helfen".

Der Mann im Weißen Haus ist zum obersten Konkursverwalter der US-Autobranche geworden, der schon vor einem Monat bei Chrysler die geordnete Insolvenz einleitete. Der Konkurs von GM hat für Obama politische Implikationen, die kaum abzuschätzen sind.

Wettstreit um Opel

Unter der Aufsicht Washingtons wird GM mehr als 20.000 Arbeiter entlassen und tausenden von Händlern kündigen, gerade in den Industriezentren des Mittleren Westens, auf die Obama für seine Wiederwahl angewiesen ist. Der Präsident, der seinen Wahlsieg im November auch der Unterstützung der Autogewerkschaft UAW verdankte, zwang die Belegschaft, Errungenschaften abzugeben, die sie einst in erbitterten Arbeitskämpfen erstritten hatte.

Auch Kanzlerin Merkel hat Opel längst zur Chefsache erklärt. Vier Monate vor der Bundestagswahl liegt sie mit ihrem SPD-Gegenkandidaten Frank-Walter Steinmeier darüber im Wettstreit, wer die größten Hilfen für Opel gewährt. "Ich möchte nicht, dass Opel in den Strudel einer amerikanischen Insolvenz hineingerät, bei der zuletzt die Filetstücke herausgenommen werden", so die Kanzlerin. Die Hilfe für Opel sei "ohne Alternative". Auch Russlands mächtiger Ministerpräsident sieht in der Autobranche eine Kernindustrie, die zu fördern sei.

Die Politiker in Deutschland, Amerika und Russland handeln wie fast alle Regierungen, wenn es um die Autoindustrie geht. Amerika wurde mit dem Auto groß, Deutschland entwickelte sich mit seinen Luxusautos zum Exportweltmeister. China baut eine riesige Autoindustrie unter staatlicher Regie auf, und auch Russland setzt auf eine eigene Fahrzeugproduktion. Das schafft Arbeitsplätze und sorgt für erhöhtes internationales Ansehen. Von den 20 wirtschaftlich wichtigsten Ländern, hat nur eines keine eigene Autoindustrie. Saudi Arabien.

Wo immer in der Welt eine Autofabrik gebaut wird, stehen die Regierungen bereit und subventionieren die Neubauten, nur um die Investition ins eigene Land zu holen. Der Wettbewerb der Nationen um Fabriken und die staatliche Unterstützung der Industrie tragen damit zu den Überkapazitäten bei, unter denen die Industrie heute leidet. Ein Problem, das die Regierungen dann wieder lösen müssen, indem sie - wie bei Opel - die Schließung von Werken mit Steuergeld verhindern.

Barack Obama versuchte in seiner Rede am Montag, eine positive Vision der Zukunft zu zeichnen, in der aber die Autobauer immer noch eine entscheidende Rolle spielen. Es sei "absolut zuversichtlich", so Obama, dass GM bei gutem Management "einer neuen Generation von Amerikanern helfen werde, ihre Träume zu verwirklichen".

© SZ vom 02.06.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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