General Motors:Elektroautos statt Spritfresser

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General Motors kann nach der Sanierung durchstarten - und leidet doch noch unter dem miesen Image der Vergangenheit. Neue Modelle sollen die Wende bringen.

Moritz Koch

Es ist ein Adrenalin-Schub für den Automarkt. Die Abwrackprämie, die die US-Regierung nach deutschem Vorbild eingeführt hat, lockt die Amerikaner wieder in die Autohäuser, die sie zuvor so hartnäckig gemieden hatten.

Das war das alte GM: Ein zerfetztes Werbeplakat in New York zeigt noch die untere Hälfte eines spritfressenden Trucks aus der Modellpalette von General Motors. Das Unternehmen möchte weg vom Image, nur reparaturanfällige Autos mit hohem Verbrauch anzubieten. Denn geht es beim Marktanteil weiter bergab, wird die Sanierung scheitern. (Foto: Foto: Getty Images)

Neuwagen-Käufer bekommen bis zu 4500 Dollar für ihr altes Auto. Die Absatzzahlen sind in den vergangenen Wochen daher sprunghaft angestiegen. Das erste Subventionsprogramm von einer Milliarde Dollar war innerhalb von Tagen ausgeschöpft. Inzwischen hat der Kongress neues Geld bereitgestellt, bis September soll es reichen.

Die Abwrackprämie lindert auch die Not des amerikanischen Marktführers General Motors (GM), der gerade erst die Insolvenz verlassen hat. Der Kundenschwund der Opel-Mutter hat sich spürbar verlangsamt.

Probleme lange nicht behoben

Doch die Probleme des Konzerns sind noch lange nicht behoben. Nachdem der Staat 50 Milliarden Dollar in die Firma gepumpt hat, muss GM jetzt beweisen, dass es nicht nur fremdes Geld verbrennen, sondern auch eigenes verdienen kann. Dieser Beleg steht noch aus.

Und das neue, sanierte GM leidet unter dem schlechten Image des alten. Jahrzehntelange Misswirtschaft hat den Autos des Unternehmens den Ruf von Minderwertigkeit und unstillbarem Benzindurst eingebracht. Seit seinem Blitzbesuch vor dem New Yorker Konkursgericht - gerade einmal 40 Tage dauerten die Verhandlungen - versucht der Konzern aus Detroit, ein neues Bild von sich zu zeichnen. Die Werbebotschaften hat GM auf ein Schlagwort reduziert: "Neuerfindung".

Mehr denn je nutzt das Unternehmen das Internet als Bühne: Kundennähe wird in Chatrooms simuliert. Auf der GM-Webseite können Surfer dem Konzern die Meinung sagen. Selbst Unternehmenschef Fritz Henderson bittet darum, dass die Verbraucher ihm Nachrichten zukommen lassen - "Tell Fritz" heißt seine Rubrik. Ein Surfer, der sich als Robert Jones ausgibt, fleht hier: "Bitte helft Amerika, baut zuverlässige Autos."

Nur ein GM-Modell unter den Top Ten

Der Beitrag ist beispielhaft. Henderson und seine Ghostwriter können sich bei ihren Antworten die Finger wund tippen - gerade junge und erfolgreiche Amerikaner verbinden GM trotzdem mit schlechter Qualität. Als Studenten fahren sie die Autos der asiatischen Hersteller.

Als Berufstätige steigen sie dann auf europäische Oberklasse-Modelle um. Die Abwrackprämie hat die Schwächen GMs abermals offengelegt. Unter den Top Ten der im Rahmen des Subventionsprogramms meistverkauften Autos befindet sich nach Daten der Marktforscher von iSuppli nur ein GM-Modell: der Chevy Cobalt auf Platz zehn.

Dennoch glauben Experten, dass GM eine Zukunft hat, eine vielversprechende sogar. "Die Insolvenz hat General Motors verändert", sagt Dave Cole vom Center for Automotive Research in Ann Arbor bei Detroit. "Sie hat den Konzern nach Jahrzehnten des Niedergangs wieder wettbewerbsfähig gemacht."

Dafür kann sich GM bei Robert Gerber bedanken. Der New Yorker Konkursrichter urteilte voll im Sinne von Konzernführung und US-Regierung, die den Sanierungsplan vorbereitet hatte und nun Mehrheitseigentümer des Unternehmens ist. Widerspenstige Gläubiger mussten sich dem Gericht fügen. Die Gewerkschaft UAW hatte schon vor dem Insolvenzprozess nachgegeben. So konnten Arbeitskosten gesenkt, Fabriken geschlossen, Marken wie Hummer und Saturn abgestoßen und der Schuldenberg kurzerhand eingeebnet werden.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie General Motors seine ehrgeizigen Pläne verwirklichen will.

Entscheidend für die Zukunft des neuen GMs ist nun, wie schnell sich der Automarkt erholt. Geht man von den Zahlen der ersten zwei Quartale aus, in denen die Abwrackprämie ihre Wirkung noch nicht entfaltet hatte, ist in diesem Jahr mit gerade einmal 9,5 Millionen Autoverkäufen zu rechnen.

"Der Markt befindet sich auf Depressions-Niveau", sagt Cole. Nach dem Sanierungsplan soll dem Konzern ein Automarkt von zehn Millionen Neuwagen genügen, um kostendeckend zu produzieren - vorausgesetzt, er kann seinen Marktanteil verteidigen.

Zumindest dafür, dass der US-Markt die Zehn-Millionen-Marke bald wieder überschreitet, spricht tatsächlich vieles. Die Wirtschaft stabilisiert sich, die Abwrackprämie wirkt. Auch spielt GM die demographische Entwicklung in die Hände: Die US-Bevölkerung wächst. Jedes Jahr steigt die Zahl der Haushalte um eine Million. Das bedeutet etwa zwei Millionen möglicher neuer Autokunden.

Marktanteil ständig gesunken

Bleibt nur die Frage, ob es GM gelingt, seinen Marktanteil zu stabilisieren. Er war in den vergangenen Jahrzehnten beständig gesunken, fiel von 60 auf gerade einmal 20 Prozent. Schuld an diesem Niedergang waren nicht nur die Lasten von Lohnkosten und Krediten. Es war vor allem die bürokratische Firmenstruktur.

Diese Selbstblockade soll "Big Ed" beenden. Ein Koloss ist der neue Chef des Verwaltungsrats, mehr als zwei Meter groß und ein knallharter Sanierer. Edward Whitacre, 67 Jahre alt, war bis 2007 Vorstandsvorsitzender des Telefonkonzerns AT&T. Im Auftrag der Regierung soll er darüber wachen, dass das neue GM seine ehrgeizigen Pläne verwirklicht. Schon im kommenden Jahr will der Konzern an die Börse und damit beginnen, der Regierung die Staatshilfen zurückzuzahlen.

Natürlich kann das nur gelingen, wenn GM sein Imageproblem löst. Experten wie Dave Cole sind zuversichtlich: "Statt sieben hat GM nur noch vier Kernmarken, es kann daher seine Werbung besser fokussieren", sagt er. "Kommende Mittelklasse-Modelle von Chevrolet und Buick werden dem Konzern neue Kunden bringen."

Assoziationen in den Köpfen brechen

Allerdings verwenden die Chevys und Buicks Getriebe und Motoren von Opel. Das erklärt die zähen Verhandlungen um die Zukunft der Konzerntochter, die in Deutschland fast täglich Schlagzeilen machen. General Motors will sicherstellen, dass der Technologie-Transfer über den Atlantik weitergeht.

Dabei gibt es sie durchaus, moderne Technik, made in Detroit. Der Chevrolet Volt, ein Elektroauto, das dank eines zuschaltbaren Verbrennungsmotors eine ungewöhnlich große Reichweite hat, soll schon im kommenden Jahr auf den Markt kommen.

Analysten rechnen zwar nicht damit, dass der Chevy Volt ein Verkaufsschlager wird. Dafür ist er zu teuer. Dennoch kommt dem Elektroauto die vielleicht wichtigste Aufgabe im Modell-Konzept des neuen GMs zu. Er soll die starre Assoziation mit unzeitgemäßen Spritfressern in den Köpfen der Kunden brechen.

© SZ vom 18.08.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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