Kommentar:Eine Spielwiese für Verbrecher

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Bei der Bekämpfung der Geldwäsche hat Deutschland versagt. Die nächste Regierung muss dem Thema endlich gerecht werden - und sollte unbedingt die Pläne der EU-Kommission unterstützen.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Geldwäsche, das ist ein technisches Wort, zu abstrakt für die passenden Assoziationen. Wer im Netz nach Geldwäsche sucht, findet vor allem Symbolbilder: Dollarscheine in der Waschmaschine, Euroscheine auf der Wäscheleine. Als ginge es tatsächlich nur darum, "schmutziges" Geld zu säubern. Die wahren Bilder bleiben verborgen hinter dem Begriff und hinter den Milliardenbeträgen, die Kriminelle in Deutschland laut Schätzungen jedes Jahr waschen. Klar, es gibt in der Bundesrepublik ein massives Problem bei der Kontrolle der Geldwäsche, aber gibt es nichts Schlimmeres?

Die wahren Bilder der Geldwäsche, das sind: Menschenhandel und Zwangsprostitution, Heroinsucht, Raub und Erpressung, Kunstdiebstahl, illegale Waffengeschäfte und Terrorfinanzierung. Geschätzt werden zwei Drittel aller Straftaten vor allem in der Absicht begangen, sich zu bereichern. Geldwäsche ist ein entscheidendes Vehikel des Verbrechens, sie macht verbrecherisch erlangte Mittel überhaupt erst verfügbar. Und Deutschland ist eine Spielwiese für Verbrecher: für die Mafia, für Rockerbanden und Clans, korrupte Bauunternehmer und Finanziers, für Glücksritter aus der Unterwelt und steinreiche Gangsterchefs.

Zuletzt hat die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag ergeben, dass 324 Finanzinstitute überhaupt keiner geldwäscherechtlichen Kontrolle unterliegen. Vor einigen Monaten kam der Bundesrechnungshof in einem als geheim eingestuften Bericht zu dem Schluss, es gebe in Deutschland "keine wirksame Geldwäscheaufsicht". Das betrifft nach wie vor insbesondere den Nicht-Finanzsektor - Autohändler, Juweliere, den Kunstmarkt, Spielhallen oder andere Güterhändler. Und der Staat schaut noch nicht einmal nur zu: Er hat laut Rechnungshof zu wenige Kapazitäten, um überhaupt hinzuschauen.

Dysfunktionale Financial Intelligence Unit

Die Zustände sind chaotisch: Für die Überwachung des Nicht-Finanzsektors sind die Bundesländer verantwortlich. Da geht es dann wild durcheinander; mal ist ein Ministerium zuständig, dann wieder Bezirksregierungen und woanders örtliche Polizeibehörden. Die Geldwäschebekämpfung endet oft schon innerhalb Deutschlands an der Grenze eines Bundeslandes. Und auf Bundesebene sieht es mit der tendenziell dysfunktionalen Financial Intelligence Unit des Zolls kaum besser aus. Die sammelt zentral alle Geldwäscheverdachtsmeldungen und soll sie - so die Theorie - schnell und effizient an die zuständigen Stellen bei Polizei und Staatsanwaltschaften weiterleiten.

Fast alle diese Meldungen stammen von Banken. Und während viele völlig wertlos sind, verbirgt sich in manch einer vielleicht der entscheidende Hinweis auf einen großen Skandal. So wie im Fall Wirecard, bei dem die Commerzbank und andere Institute in Verdachtsmeldungen frühzeitig vor dubiosen Geldflüssen warnten, hinter denen die Ermittler heute den Kern des Beutezugs früherer Wirecard-Manager und ihrer Partner vermuten, mit denen sie Banken, Anleger und das eigene Unternehmen ausgenommen haben sollen. Die Warnungen kamen erst bei den Ermittlern an, als der Konzern schon pleite war.

Immer wieder hat die EU-Kommission in den vergangenen Jahren Deutschland gerügt, weil es die Bundesregierung nicht geschafft hatte, die EU-Geldwäscherichtlinien ausreichend umzusetzen. An diesem Dienstag stellt die Kommission nun eine Gesetzesinitiative vor, mit der eine neue Anti-Geldwäschebehörde auf europäischer Ebene entstehen soll. Eine Zentralstelle, die nationale Geldwäscheaufsichten besser vernetzt, den Informationsaustausch verbessert und die Behörden in den Mitgliedstaaten kontrolliert. Das ist ein wichtiger Schritt und dringend geboten. Denn zu oft hat sich gezeigt, wie leicht Geldwäscher die laxen Kontrollen in den EU-Staaten gegeneinander ausspielen konnten, um Milliarden zu waschen.

Deutschland ist hier in der Bringschuld. Als mächtigste Wirtschaftsnation der EU kann sich die Bundesrepublik weitere Nachlässigkeiten bei diesem Thema nicht erlauben. Das politische Versagen auf diesem Feld ist so gewaltig wie peinlich. Die nächste Bundesregierung muss hier andere Prioritäten setzen. Und sie täte für den Anfang gut daran, die von der EU-Kommission vorgeschlagene 10 000-Euro-Obergrenze für Bargeldgeschäfte zu unterstützen.

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