Unfallforschung:Darum werden Menschen zu Geisterfahrern

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Auf solche Warnschilder setzt Österreich, um Geisterfahrer zu stoppen. (Foto: Daniel Scharinger/IMAGO)

Die Ergebnisse einer neuen Studie seien "erschreckend", sagen Unfallforscher. Viele Falschfahrten passieren demnach mit Absicht. Wie sich das verhindern ließe.

Von Christina Kunkel

Bei dieser Meldung aus dem Autoradio ist wohl jeder schon einmal zusammengezuckt: "Achtung, auf der Autobahn kommt Ihnen ein Fahrzeug entgegen." Denn wenn ein Falschfahrer einen Unfall verursacht, endet der oft fatal. Im Schnitt gibt es laut ADAC jedes Jahr etwa 2000 Geisterfahrer-Warnmeldungen in Deutschland. 2021 kam es zu 83 Unfällen, bei denen Menschen zu Schaden kamen, für 24 Autoinsassen endete eine Geisterfahrt tödlich.

Doch warum geraten so viele Autofahrer auf die entgegengesetzte Fahrspur? Und weshalb helfen die aktuellen Schutzmaßnahmen oft nicht? Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat dazu jetzt die Ergebnisse eines mehrjährigen Forschungsprojekts vorgestellt, für das sie Polizeiakten, Gutachten und medizinische Berichte zu 224 Falschfahrer-Unfällen ausgewertet hat.

Rund 40 Prozent der Geisterfahrer sind älter als 75 Jahre

"Die Ergebnisse sind erschreckend und zeigen, dass wir bisher unsere Hoffnungen auf Maßnahmen gesetzt haben, die nur begrenzt Wirkung entfalten können", sagt UDV-Chef Siegfried Brockmann. Denn eine wesentliche Erkenntnis der Unfallforscher lautet: Viele Geisterfahrten passieren mit Absicht. In einem Drittel der Fälle wendeten die Fahrer laut Studie im fließenden Verkehr.

Das größte Risiko, zum Geisterfahrer zu werden, haben demnach Menschen über 75 Jahre. Diese Altersgruppe mache mehr als 40 Prozent der Falschfahrer aus. Dass es sich dabei meist um Männer handelt, liege vermutlich daran, dass in dieser Altersgruppe überwiegend Männer Auto fahren. Ursache für die Falschfahrten waren bei Senioren hauptsächlich Demenz oder Verwirrtheit. Bei jüngeren Menschen war es dagegen oft eine Suizidabsicht oder ein Fluchtversuch vor der Polizei. Alkohol habe bei knapp einem Fünftel der Fälle eine Rolle gespielt, allerdings fast ausschließlich bei Jüngeren.

August 2023: Ein 83 Jahre alter Mann hatte auf der A 96 gewendet und war in die verkehrte Richtung gefahren. Der Unfallverursacher wurde getötet, mehrere Menschen verletzt. (Foto: Nikolas Schäfers/dpa)

Wie können Geisterfahrten nun verhindert werden? Mit den aktuellen Maßnahmen oft nicht, sagt Brockmann. Eine bessere Linienführung und "Stopp-Hände" nach österreichischem Vorbild an Autobahn-Anschlussstellen könnten nur wirken, wenn die Falschfahrt unbewusst geschehe und keine Verwirrtheit deren Wirkung minimiere. Auch automatisch ausfahrende Krallen an Anschlussstellen können laut Brockmann nur an Ausfahrten Geisterfahrer stoppen. Denn wer mitten im Verkehr wendet, wird so nicht aufgehalten. Dazu seien solche Systeme sehr teuer und würden auch Rettungswagen stoppen.

Deshalb empfehlen die Unfallforscher, auf Technik in Autos zu setzen. Diese Systeme erkennen, wenn das eigene Auto entgegen der Fahrtrichtung unterwegs ist, und sie warnen dann den Fahrer. Auch Verkehrsteilnehmer, die sich im direkten Umfeld befinden, erhalten einen Hinweis auf die Gefahr. Diese Technik bietet etwa der Zulieferer Bosch, Škoda war 2021 der erste Autohersteller, der den Falschfahrerwarner in seine Neuwagen einbaute. Doch noch ist das System nicht weit verbreitet. Außerdem verhindert es keine absichtlichen Geisterfahrten.

Noch effektiver wären deshalb Notbremsfunktionen in den Autos. Diese könnten über die Verkehrszeichenerkennung und GPS die beginnende Falschfahrt frühzeitig erkennen und das Fahrzeug dann automatisch stoppen.

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