80. Geburtstag:Ferdinand Piëch gegen alle anderen

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Kontrolle: Ferdinand Piëch 2010 als Aufsichtsratschef. (Foto: dpa)

Er geht, und doch bleibt er. Typisch für den Mann, der oft das Unerwartete tut. Am Ostermontag wird der VW-Patriarch 80 Jahre alt.

Von Karl-Heinz Büschemann

Er ist erfolgreich und umstritten, bewundert und gefürchtet. Ferdinand Piëch, der einflussreichste Automanager in Deutschland, beendete schwere Krisen und schuf neue. Er macht VW zum größten Autokonzern in Europa und verstößt gegen fast alle Regeln guter Unternehmensführung. Er liebt Autos und Motoren, je mehr PS und Ventile sie haben, desto besser, und er missachtet später die aufkommende Elektromobilität. Weil er undurchsichtig ist, weil er grausam sein kann und weil er scheinbar alles seinem eisernen Willen unterwirft, geht von dem asketisch wirkenden Herrn mit der stockenden Sprache und dem leicht österreichischen Akzent etwas Dämonisches aus. Am Ostermontag wird er 80 Jahre alt.

Früh geprägt

Ferdinand Piëch kommt 1937 in Wien zur Welt. Früh ist klar: Er will Ingenieur werden. Zu groß ist der Einfluss des Großvaters Ferdinand Porsche, der als Schöpfer des VW-Käfers und des Porsche 356 ein genialer Autoentwickler seiner Zeit war. "Meine erste Liebe zur Technik war wohl schon im wohlriechenden Umfeld des großväterlichen Konstruktionsbüros am Wörthersee entstanden", schwärmt Piëch in seinen Erinnerungen, die natürlich "Auto-Biographie" heißen. Auch der brennende Ehrgeiz des kleinen Ferdinand wird sichtbar. Der Wettbewerb mit seinen zahlreichen Cousins vom Porsche-Clan, der noch Jahrzehnte anhalten wird, beginnt in den letzten Kriegstagen. Ferdinand und sein Cousin Ferdinand Alexander Porsche sammeln Messinghülsen aus Geschützen, um sie einzutauschen. Der kleine Piëch bekommt für seine vielen Hülsen einen Stahlhelm, erzählt Piëch später. Vetter Ferdinand Alexander sammelt weniger ein und bekommt "nur einen Rot-Kreuz-Kasten". Piëch-Logik.

Harte Schule

Die Schule wird zur Qual. Piëch nennt die 50er-Jahre "eine finstere Zeit des Erziehungswesens". Der Legastheniker ist ein schlechter Schüler ohne Talent für Sprachen und wird von der Mutter in ein strenges Schweizer Internat gesteckt: "Ein typisches Abhärtungsinternat", wie er sagt. Aber auch das gehört zur wohlhabenden Autofamilie: Mit 18 bekam der junge Piëch einen Porsche 356 zum Geburtstag.

Als Schüler lernt Piëch bereits, was ein Spitzelsystem ist. Die strenge Schweizer Schule hat Zuträger in allen Gasthäusern der Umgebung, die genau mitteilen, welcher Zögling zu verbotenen Zeiten bei Bier oder Wein sitzt. Später wird es heißen, Piëch habe auch bei VW ein Informanten-System aufgebaut, das den Chef praktisch über alles im Konzern informiert.

Ungewöhnliche Diplomarbeit

Schon als Student an der ETH Zürich hat Ferdinand Piëch drei Töchter (an Kindern liegt ihm so viel, dass er es bis heute auf ein Dutzend gebracht hat). Piëch absolviert sein Technik-Studium in acht Semestern, wenn auch nur mit mittelmäßigen Noten. Ungewöhnlich ist seine Diplomarbeit. Der Porsche-Enkel konstruierte darin einen luftgekühlten Zwölfzylinder-Formel 1-Motor. Darunter tut er es nicht. Die Mutter stachelt seinen technischen Ehrgeiz an und schenkt dem Studiosus zwei halbe Austro-Daimler, schwere Wagen aus den 20er-Jahren. Er machte daraus ein himmelblaues Fahrzeug, von dem er noch heute schwärmt. Der Oldtimer steht im Porsche Museum in Stuttgart.

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Schlechte Manieren

Nach dem Studium ging der junge Mann zu Porsche, wie andere Söhne in die Familien-Bäckerei einsteigen. Mit 31 Jahren entwickelte der vor Ambition berstende Ingenieur ein Rennauto, wie es nie jemand gesehen hatte. Piëch nennt diesen Porsche 917 "das ultimative Tier unter den Rennwagen" und spricht selbst von "nützlichem Irrwitz." Das ungestüme Ding hat soviel Kraft, dass es knapp an die 400 Kilometer pro Stunde herankam. Die Porsche-Werksfahrer weigerten sich, den schwer beherrschbaren Renner an die technischen Grenzen zu fahren, und 1969 kam ein Rennfahrer in dem Geschoss gleich bei der ersten Runde im 24 Stunden-Rennen von Le Mans ums Leben. Noch heute ist Ferdinand Piëch stolz auf das Auto "mit den schlechten Manieren".

Vorsprung durch Allrad

Irgendwann hatten die Porsches und die Piëchs den weisen Entschluss gefasst, dass kein Mitglied der Clans mehr in ihrem Unter nehmen arbeiten sollte. Die Geschäfte liefen zu schlecht. Piëch landet bei Audi, der neuen Tochter von Volkswagen, und schon 1975 sitzt er dort im Vorstand. Piëch holt mit neuen Ideen die Hut- und Hosenträger-Marke aus der Langweiler-Ecke und sorgt mit dem Allrad-Antrieb für Vorsprung durch Technik. Zuvor gab es diese Technik vor allem in der Landwirtschaft oder beim Militär. Piëch machte Allrad schick und stadtfein. Audi begann den Aufstieg zur Premiummarke, die es mit BMW und Mercedes aufnehmen konnte. Er hatte mal wieder gezeigt, dass er Ideen umsetzen und zum Erfolg bringen kann, an die außer ihm keiner glaubt.

Burli und Butzi: Piëch (re.) und sein Cousin Ferdinand Alexander Porsche mit Großvater Ferdinand Porsche. Später stritten die Familien immer wieder. (Foto: Volkswagen)

Wettbewerb als Krieg

Piëch wird Anfang 1988 Audi-Chef. Es ist für ihn das Sprungbrett nach Wolfsburg, wo er 1993 die Vorstandsspitze übernimmt. Für ihn schließt sich ein Kreis. VW ist nicht nur mit dem Käfer des Großvaters groß geworden. Auch sein Vater, Anton Piëch, hatte das von Hitler begründete Volkswagenwerk in den Kriegsjahren 1941 bis 1945 geleitet. Piëch krempelt den verkrusteten und von IG Metall wie Land Niedersachsen beherrschten Konzern um. Er erfindet die sogenannte Plattformstrategie, die gleiche Teile für ein rundes Dutzend Automarken von Škoda bis Audi verwendet. Da für Piëch der Wettbewerb am Markt wie ein Krieg ist, den er unbedingt gewinnen will, holt er den berüchtigten Einkäufer von General Motors (GM), Ignacio Lopez, zu VW. "Der Würger von Wolfsburg" (Der Spiegel) quält die Zulieferer, um Kosten zu sparen, trägt VW aber eine teure Klage von GM wegen des Diebstahls von Daten ein. Piëch wäre beinahe zum Verlierer geworden.

Familienbetrieb VW

2002 wechselt er an die Spitze des Wolfsburger Aufsichtsrates. Mit seinem Vertrauten Martin Winterkorn als Vorstandschef kann er in Wolfsburg bald nach Belieben schalten und walten. Als die inzwischen supererfolgreiche Stuttgarter Familienfirma Porsche auch noch bei VW als Aktionär einsteigt, ist Piëch der mächtigste Mann der Branche. Als Manager und Gesellschafter führt er den größten Autokonzern Europas wie einen Familienbetrieb.

Doch schon erwischt ihn die nächste Krise. VW hat Betriebsräte systematisch bestochen und mit Lustreisen bei guter Laune gehalten. Das Verhältnis von Betriebsrat und Management war zu eng geworden. Piëch, der kaum jemandem vertraut und meist gut informiert ist, behauptet erfolgreich, von der Korruption nichts gewusst zu haben.

Alleinherrschaft und Sturz

Jenseits der Siebzig erreicht Piëch den Höhepunkt seiner Macht in Wolfsburg. Doch der Sportwagenbauer Porsche, wo der umtriebige Wendelin Wiedeking seit Langem der Vorstandschef ist und wo Cousin Wolfgang Porsche den Aufsichtsrat führt, wird dem VW-Patriarchen zu keck. Piëch wehrt den Versuch der Übernahme von Volkswagen durch Porsche ab. Der Plan war zu windig finanziert. Piëch dreht die Sache um und VW übernimmt Porsche. Ferdinand Piëch bleibt der starke Mann der Gruppe. Sein Ende kommt mit der Diesel-Affäre, die den Konzern ins Mark trifft. Piëch wie Winterkorn müssen gehen. Doch "der Alte", wie Piëch in Wolfsburg genannt wird, lässt nicht locker. Er beschuldigt frühere VW-Manager, über die Manipulation mehr gewusst zu haben, als sie zugaben. Es kracht zwischen den Familien. Ferdinand Piëch wirft hin und verkauft fast alle Anteile am Familienkonzern im Wert von etwa einer Milliarde Euro an seinen Bruder Ernst.

Was nun? Der Sportwagennarr Piëch hat schon lange eine Auge auf Ferrari geworfen ...

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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