GE-Chef Immelt im Gespräch:"Amerika muss sich neu erfinden"

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GE-Chef Jeffrey Immelt über neue Regeln für den Finanzmarkt, Protektionismus - und seine Liebe zu Deutschland.

M. Beise, C. Busse und T. Fromm

Sein Vorgänger Jack Welch galt als härtester Manager der Welt. Er formte aus General Electric (GE) den größten und teuersten Konzern der Welt. Seit 2001 führt Nachfolger Jeffrey Immelt die mehr als 300.000 Mitarbeiter des Mischkonzern, der in zahlreichen Branchen zuhause ist - von Großkraftwerken über Flugzeugmotoren, Medizintechnik, Fernsehsendern bis zu Finanzdienstleistungen. Immelt kämpft gegen Gewinneinbruch und Aktienkursverfall. Die notleidende Finanzsparte soll deutlich verkleinert werden, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Eine Zusammenarbeit mit dem größten Wettbewerber Siemens sei möglich, stehe aber derzeit nicht auf der Tagesordnung.

GE-Chef Jeffrey Immelt: " Der Finanzsektor wird künftig komplett anders aussehen: Mehr Regulierung, höhere Eigenkapitalanforderungen, weniger Wettbewerber, niedrigere Gewinne." (Foto: Foto: AFP)

SZ: Herr Immelt, wir freuen uns, Sie so munter und lebendig zu sehen. Ihr Vorgänger Jack Welch hatte doch schon vor über einem Jahr damit gedroht, eine Pistole zu nehmen und Sie zu erschießen...

Immelt: Ich sehe, es gibt kein Vorspiel, Sie kommen gleich zur Sache...

SZ: Was genau mag er denn nicht an Ihrer Amtsführung?

Immelt: Fragen Sie ihn selbst, ich kümmere mich nur um die Firma. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Wir sind immer noch gute Freunde.

SZ: Bleiben wir noch kurz bei Welch. Seitdem er nicht mehr im Amt ist, erzählt er viele interessante Dinge. Zum Beispiel, dass der "Shareholder-Value", also das Dogma, wonach der Unternehmenswert für die Aktionäre das höchste aller Unternehmensziele ist, die "dümmste Idee der Welt" sei.

Immelt: Ich finde nach wie vor, dass Unternehmen dazu da sind, gute Ergebnisse zu liefern, und dass die Investoren dann entscheiden können, ob es ihnen gefällt oder nicht. Das galt vor 20 Jahren, und das gilt heute noch.

SZ: Sprechen wir über die Wirtschaftskrise. Sie haben sie neulich für beendet erklärt. Was macht Sie da so sicher?

Immelt: Die wirkliche Krise liegt schon hinter uns. Das war die Zeit, als Finanz- und Wirtschaftskrise gleichzeitig abliefen. Jetzt stecken wir in einer Rezession, und zwar weltweit. Aber auch die wird vorüberziehen.

SZ: Ist es denn richtig, dass Regierungen nun Milliarden an Steuergeldern in die Wirtschaft pumpen?

Immelt: Die Krise ließ keine andere Wahl. Ich glaube, dass die Regierungen richtig gehandelt haben. Diese Dinge mussten getan werden.

SZ: Der Kapitalismus wird sich in den nächsten Jahren verändern. Zum Guten oder zum Schlechten?

Immelt: Ich denke nicht in den Kategorien "gut" und "schlecht". Es ist so, wie es ist. Der Finanzsektor wird künftig komplett anders aussehen: Mehr Regulierung, höhere Eigenkapitalanforderungen, weniger Wettbewerber, niedrigere Gewinne. Die Regierungen werden ein Teil der Wirtschaftswelt. Das ist ein Trend, der nicht in ein bis zwei Jahren wieder vorbei sein wird. Wenn wir heute Abend ein Bier zusammen trinken würden, können wir darüber diskutieren, ob das alles gut oder schlecht ist. Würde ich sagen, dass es gut ist, dass die Regierung in allen Bereichen der Wirtschaft mitmischt? Nicht unbedingt.

SZ: Mehr Staatseinfluss bedeutet mehr Protektionismus. Ist das gut oder schlecht für GE?

Immelt: Protektionismus ist immer schlecht - auch für GE. Wir sind ein globaler Konzern, wir machen in der ganzen Welt Geschäfte. Wir können natürlich in den einzelnen Ländern stärker als lokaler Anbieter auftreten. Aber das ist nicht die Lösung. Wenn wir protektionistischer werden und die Globalisierung immer mehr zurückgedrängt wird, wird jeder einzelne Deutsche das spüren, denn dann geht sein Wohlstand zurück.

SZ: Sprechen wir über den Auslöser dieser Krise - den Finanzsektor.

Immelt: Der Finanzsektor insgesamt ist zu groß geworden, keine Frage.

SZ: Ihr Konzern ist jahrelang um seine große und starke Finanzsparte GE Capital beneidet worden - bis Ihnen Ihre Finanzgeschäfte im vergangenen Jahr auf die Bilanzen drückten. Warum stoßen Sie das Geschäft nicht ab?

Immelt: GE Capital wird in Zukunft um einiges kleiner sein, aber wir werden nicht aussteigen. Irgendwann wird die Krise zu Ende sein, und dann brauchen wir wieder eine starke Finanzsparte. Natürlich, die Erträge werden überschaubar sein, aber wir glauben, dass wir einen Wettbewerbsvorteil haben, wenn wir GE Capital behalten.

SZ: Aber gerade über GE Capital sind Sie der Finanzkrise voll ausgesetzt gewesen. Ist das nicht zu riskant?

Immelt: Als Finanzdienstleister müssen Sie immer Risiko und Rendite gegeneinander abwägen. Wir haben uns nie mit riskanten Wertpapieren übernommen und waren nie in Kreditversicherungen engagiert. Wir vergeben vor allem Kundenkredite, aber auch hier ist die Situation sehr angespannt.

SZ: Sie halten an GE Capital fest, sie werden das Geschäft kleiner machen - aber werden Sie auch etwas am Geschäftsmodell verändern?

Immelt: Verkleinern heißt doch schon, dass wir die Strategie verändern. Es wird definitiv weniger ungesicherte Schulden geben; wir müssen uns über alternative Finanzierungen Gedanken machen und die Höhe der Kundeneinlagen steigern. Das Kerngeschäft von GE Capital - Leasinggeschäfte oder Finanzierungen im Mittelstand - wird sich nicht ändern.

SZ: GE wird immer wieder als schwerfällig kritisiert. Es ist ein gigantisches Industriekonglomerat, wo es von Kühlschränken über Kraftwerke bis hin zu Röntgenapparaten und Finanzdienstleistungen alles gibt. Ist das noch zeitgemäß?

Redet nicht gerne über Zahlen: GE-Chef Immelt. (Foto: Foto: AP)

Immelt: Ach, das höre ich seit vielen Jahren. Wir schauen unser Mediengeschäft an und vergleichen es mit Disney. Unser Industriegeschäft vergleichen wir mit Siemens und anderen, unser Finanzgeschäft mit anderen Banken. Und wenn wir dann sehen, dass wir gut abschneiden, spricht das für unser Struktur. Glauben Sie mir, wir bleiben dabei.

SZ: Es gibt überall auf der Welt staatliche Konjunkturprogramme. Profitieren Sie davon?

Immelt: Immer dann, wenn es um Infrastrukturprogramme oder Energie geht, versuchen wir, vorne zu sein. Das ist unser Kerngeschäft. Wir bekommen vielleicht nicht alles, aber wir kümmern uns um alles, was gut für das Unternehmen ist.

SZ: Ihr Münchener Wettbewerber Siemens rechnet für die nächsten Jahre mit Aufträgen im Wert von 15 Milliarden Euro aus Konjunkturprogrammen.

Immelt: Wir haben eine Liste von Projekten, die wir abarbeiten. Über Zahlen reden wir, wenn alles erledigt ist.

SZ: Das Medizintechnikgeschäft ist zwar zukunftsträchtig, aber trotzdem lief es zuletzt gerade in den USA nicht so gut. Ihre Regierung muss bei den Gesundheitskosten sparen.

Immelt: Ich liebe das Medizintechnikgeschäft, ich finde, es hat eine große Zukunft. Es stimmt aber auch, dass die USA in den vergangenen Jahren ein harter Markt waren und auch hart bleiben werden. Wir müssen daher sehen, dass wir vor allem in Regionen wie Afrika und Asien wachsen. Selbst in Europa sehen wir noch Wachstumsmöglichkeiten.

SZ: Wohl nicht in Deutschland...

Immelt: Deutschland ist vielleicht einer der härtesten Märkte der Welt. Ich mag Deutschland, aber ich bin froh, dass dies nicht mein Heimatmarkt ist.

SZ: Siemens und andere deutsche Unternehmen stehen vor der Gründung eines Solarstrom-Konsortiums mit dem Namen Desertec. Es geht nicht nur darum, Strom von der Sahara nach Europa zu bringen - es geht bei all dem auch um 400 Milliarden Dollar. Warum machen Sie da nicht mit?

Immelt: Ich glaube, dass das eine gute Technologie ist. Wir beteiligen uns finanziell an einem solchen Projekt in Arizona. Es gibt auch noch andere Projekte, wo wir mitmachen werden.

SZ: Wenn Sie jemand fragen würde, bei Desertec mitzumachen - würden Sie es tun? Würde es überhaupt gehen? Schließlich ist Siemens dabei.

Immelt: Wahrscheinlich nicht, nein. Aber es ist nicht so, dass dies das letzte Projekt dieser Art ist.

SZ: Haben Sie Kooperationen mit Siemens und dessen Chef Peter Löscher?

Immelt: Wir haben in der Vergangenheit immer wieder mal über Kooperationen gesprochen. Peter und ich sind gute Freunde. Aber es gibt keine aktuellen Projekte

SZ: Kommen wir zurück auf die Finanzkrise. Was ändert sich im Leben eines Managers, was machen Sie anders als früher?

Immelt: Man muss sich heute mehr bemühen, die Menschen zu überzeugen. Und man muss geopolitisch denken: Wie wird sich die weltweite Landkarte verändern?

Frage: Welche Rolle kommt den Vereinigten Staaten in dieser neuen Welt zu?

Immelt: Eine wichtige, hoffe ich. Ich bin Amerikaner und fiebere mit dem eigenen Verein. Aber eines ist klar: Amerika hat nur eine Zukunft, wenn es sich als Exportnation neu erfindet.

SZ: Wie Deutschland?

Immelt: Wie Deutschland.

© SZ vom 04./05.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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