Gastronomie:Viel Arbeit, wenig Geld

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Deutsche Gäste möchten, dass ihr Schnitzel knusprig, schnell und von möglichst freundlichem Personal serviert wird – und billig soll es auch sein. Die Arbeitsbedingungen in Restaurants sind umstritten. (Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Während der Lohn bei Dienstleistungen im Schnitt bei 22 Euro die Stunde liegt, sind es bei Restaurants und Hotels 14 Euro. Die Verdienstlücke vergrößerte sich sogar.
  • Dabei sucht die Gastrobranche dringend neues Personal.

Von Alexander Hagelüken

Herbert Maier hat auch mal einen anderen Job ausprobiert. An der Maschine, in einer Fabrik für Autoteile. Aber das war nichts für ihn. Obwohl es sogar besser bezahlt war als die Gastronomie, in der er jetzt mehr als 20 Jahren tätig war. "Ich mag es, mit Menschen zu arbeiten", erklärt der Mann Anfang 50. Und schon redet er darüber, was aus seiner Sicht dafür getan werden muss, dass Restaurantgäste wiederkommen. Freundlichkeit, Schnelligkeit, Sauberkeit, ein schönes Ambiente. "Ich liebe meine Arbeit", sagt er.

Wer ihm so zuhört, vergisst glatt, dass Herbert Maier gerade Beziehungskummer hat mit seinem Beruf. Er möchte darüber nur reden, wenn er anonym bleibt. Nach gesundheitlichen Problemen wollte er von seinem Chef in der Restaurantkette ein paar günstigere Schichten. Als der ihm das abschlug, kam bei Maier der ganze Ärger darüber hoch, dass die Bedingungen aus seiner Sicht immer schlechter werden. Da ist der Zuschlag von 300 Euro im Monat, den der Chef ihm verweigert, obwohl er ihm nach einer Fortbildung zusteht. Da sind unbezahlte Überstunden. Und Stress wegen Personalmangels.

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Ein Einzelfall? Vielleicht. Unveröffentlichte Zahlen der Bundesregierung deuten allerdings auf einen merkwürdigen Widerspruch im Hotel- und Gastgewerbe mit seinen mehr als zwei Millionen Beschäftigten hin. Einerseits klagen die Firmen über Arbeitskräftemangel. Andererseits bieten sie im Vergleich schlechtere Bedingungen. Während der Bruttolohn bei Dienstleistungen im Schnitt bei 22 Euro die Stunde liegt, sind es bei Restaurants und Hotels 14 Euro. Die Verdienstlücke vergrößerte sich im vergangenen Jahrzehnt.

"Der Chef kündigt Mitarbeitern, die schon länger dabei sind und mehr verdienen"

"Das Hotel- und Gastgewerbe zahlt die niedrigsten Löhne und der Lohnabstand wächst weiter", kritisiert der Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt (Grüne), der die Zahlen anfragte. "Kein Wunder, dass der Arbeitskräftemangel im Hotel- und Gastgewerbe so groß ist wie noch nie." Beschäftigte schrecke die Bezahlung verbunden mit regelmäßigen Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdiensten ab. Offiziell sind 40 000 Vakanzen gemeldet, fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren.

Der Branchenverband Dehoga bestätigt Arbeitskräftemangel, widerspricht aber der Erklärung, das liege an unterdurchschnittlicher Bezahlung. "Da sucht sich jemand für seine politische Meinung Zahlen zusammen", sagt Geschäftsführerin Sandra Warden. "Die Tariflöhne sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Da müssen wir uns nicht verstecken. Es gibt attraktive Zuschläge für Abend- oder Wochenendarbeit, auch Trinkgelder sind oft attraktiv. Es ist ja nicht so, dass sich niemand für unsere Branche entscheidet. Im Gegenteil: Wir haben deutlich Beschäftigung aufgebaut."

Auf der anderen Seite berichtet etwa die Mitarbeiterin einer Cateringfirma von zunehmendem Druck, Personalmangel durch Mehrarbeit auszugleichen. Ihre Kollegen und sie müssten ausbaden, dass der Betrieb für ein Gehalt von 1800 Euro brutto ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Wirtschaftsboom keine neuen Mitarbeiter finde. Ihr Betrieb gehört zur Mehrheit in der Branche, die inzwischen keinen Tariflohn mehr zahlen - auch das hat sich verschlechtert.

Herbert Maier erlebt seit einiger Zeit Sparaktionen. "Der Chef kündigt Mitarbeitern, die schon länger dabei oder älter sind und mehr verdienen." Stattdessen hole er für begrenzte Zeit Ungelernte aus anderen EU-Staaten oder vom südlichen Balkan, die kaum Deutsch könnten. Offiziell als Azubis angemeldet, verdienten sie wenig.

Solche Aktionen werden dadurch vereinfacht, dass manche in der Branche Abläufe standardisieren. "Die Bearbeitung geht dadurch schneller, jeder Beschäftigte wird ersetzbar", beobachtet Samir Boudih von der Gewerkschaft NGG. In Restaurants spülen manche Mitarbeiter nur noch, andere waschen nur Salat. Wettbewerb werde oft nicht mehr über Qualität ausgetragen, sondern über den Preis. "Größere Betriebe bieten 0,6-Liter-Cocktails für nur fünf Euro an. Da kann keine klassische Bar mithalten, deren Mixer möglichst viele verschiedene Getränke mit hochwertigen Zutaten kreieren". Da tobe ein Preiskampf, ausgetragen über die Arbeitskosten . So bezahlten manche Hotels Reinigungskräfte nach der Anzahl der Zimmer, die sie in einer bestimmten Zeit fertigmachen müssten.

An den Daten der Bundesregierung fällt auf, dass sich die Mitarbeiterstruktur in der Branche binnen zehn Jahren fragwürdig verändert hat. So hat die Zahl der geringfügig Beschäftigten stark zugenommen, sie ist mit einer Million inzwischen fast so groß ist wie die der normal Sozialversicherten. Dehoga-Geschäftsführerin Warden erklärt das mit zwei großen Anstiegen geringfügiger Beschäftigung: Als 2004 die Minijobs eingeführt und viele aus der Schwarzarbeit zurückgekehrt seien - und während der Finanzkrise. Ein Problem sieht sie darin ebenso wenig wie in der Nahezu-Verdreifachung der Teilzeitkräfte auf eine halbe Million, während die Zahl der Vollzeitmitarbeiter zurückging. "Meist geht der Teilzeitwunsch von den Beschäftigten aus. Das liegt auch daran, dass wir viele weibliche Beschäftigte haben".

Auch Auszublidende verdienen weniger

Strittig ist auch, wie gut sich die Branche um den Nachwuchs kümmert. Der mittlere Azubilohn liegt mit 750 Euro inzwischen 120 Euro unter dem Durchschnitt der deutschen Auszubildenden. Der Abstand nahm zu. Und fast jeder zweite Ausbildungsvertrag wird vom Azubi oder dem Arbeitgeber aufgelöst. Der Branchenverband findet, der Azubilohn liege "im Mittelfeld". Mit der hohen Zahl aufgelöster Verträge sei man nicht glücklich, allerdings gebe es dafür sehr unterschiedliche Gründe.

Politiker Schmidt lässt mit seiner Kritik nicht locker. "Das Hotel- und Gastgewerbe ist ein bedeutender Wirtschaftssektor. Wegen Personalmangel führen Gastronomen unfreiwillig Ruhetage ein und verkürzen Öffnungszeiten, Hotels schränken Angebote ein." Die Branche solle für bessere Arbeitsbedingungen sorgen. Branchenvertreterin Warden sagt dazu, für den Gast werde der Personalmangel in den seltensten Fällen erkennbar, außer manchmal in touristischen Gebieten oder ländlichen Gebieten.

Aufhorchen lässt ihre Bemerkung über die niedrigeren Verdienste: "Wir können mit Industrie und unternehmensnahen Dienstleistungen nicht mithalten. Wegen der mittelständischen Branchenstruktur - und wegen der Preise, die wir am Markt erzielen können". Das wirft die Frage auf, wer für das Sparen am Lohn verantwortlich ist: Die Betriebe allein? Oder auch der Kunde, der in Hotel und Restaurant wenig zahlen möchte?

Herbert Maier verabschiedet sich jetzt aus der Branche. Der Chef wollte ihn auf Teilzeit setzen, für unter 1000 Euro im Monat: "Davon kann ich nicht leben." Er sucht gerade etwas im Einzelhandel oder einer Bäckerei. Weg von der Gastronomie, die er so mochte. "Wenn das Glas gebrochen ist", sagt er, "dann ist es kaputt".

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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