Internationale Beziehungen:Gabriels heikle Mission in Teheran

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Sigmar Gabriel (rechts) mit dem iranischen Wirtschaftsminister Ali Tayebnia. (Foto: AP)
  • Wirtschaftsminister Gabriel ist erstmals seit Ende des Embargos Anfang des Jahres nach Iran gereist.
  • Der SPD-Chef will in dem Land politisch und wirtschaftlich Türen öffnen.
  • Für die exportwilligen Unternehmen bleibt die Lage aber noch immer heikel, zu unsicher ist die Annäherung oft noch.

Von Cerstin Gammelin, Teheran

Es ist weit nach 22 Uhr in Teheran, als Sigmar Gabriel am Montagabend im Hotel eintrifft. Der Bundeswirtschaftsminister kommt vom wichtigsten Termin des Tages zurück, er stand nicht im offiziellen Besuchsprogramm: Gabriel hat mit dem Vizepräsidenten der Islamischen Republik Iran, Mohammad Bagher Nobakht, zu Abend gegessen. Man habe den ganzen Tag über viele verschiedene Themen geredet, sagt ein sichtlich erschöpfter Gabriel, über die Interessen der Wirtschaft, auch über Syrien und dass alle zu einem Waffenstillstand beitragen.

Gabriel ist da schon 24 Stunden im Land. Seine Verwandlung zum Handelsreisenden hatte beim Anflug auf Teheran begonnen. Vor der Landung hatte er sich gewandelt, vom SPD-Vorsitzenden, der gegen das Spekulantentum bei einer deutschen Großbank wettert, zum Bundeswirtschaftsminister. Als solcher hatte er sich in die iranische Hauptstadt aufgemacht, um einen "doppelten Dialog" zu führen.

Gabriel will die Beziehungen Deutschlands zur Islamischen Republik Iran wirtschaftlich und politisch voranbringen. Es ist die erste große Wirtschaftsreise seit Ende der Atomsanktionen im Januar. "Wir wissen, es werden keine Wunder geschehen", fasst Gabriel seine Mission zusammen, "aber wir müssen zupacken, damit die Menschen Fortschritte sehen."

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Die Normalisierung der Beziehungen zu Iran ist eine riesige Aufgabe nach 15 Jahren Stillstand und immer noch angespannten Beziehungen. Gabriel weiß, dass es Kritik an dieser Reise gibt, weil Iran zentrale Positionen der Bundesregierung wie das Existenzrecht Israels nicht teilt, weil die Zahl der Hinrichtungen drastisch steigt, weil es Menschenrechtsverletzungen gibt. Kein Zufall also, dass Gabriel sich schon im Vorfeld getroffen hat mit Menschenrechtlern und er versuchen will, am Ende seines Besuchs so etwas wie einen Beweis zu liefern, dass die Iraner zu Kompromissen bereit sind. Details sollen vertraulich bleiben, um die Aktion nicht zu gefährden.

Die deutsche Wirtschaft liefert ihre Beweise schon am Montagmittag. Mehr als 120 Wirtschaftschefs haben Gabriel begleitet, "eine gute und kräftige Delegation", sagt der Bundeswirtschaftsminister, als er das deutsch-iranische Businessforum eröffnet. Kurz danach werden Minister Gabriel und der iranische Wirtschafts- und Finanzminister Ali Tayebnia ernst: Sie unterzeichnen erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt bilaterale Vereinbarungen, acht mitgereiste Unternehmen schließen Handelsverträge. Die Bundesbank wird der iranischen Zentralbank helfen, ihre Zahlungssysteme zu modernisieren. Mitsubishi Deutschland modernisiert ein Gaskraftwerk, der Mittelständler Keller baut eine Ziegelsteinfabrik, die Firma Intra-Industrieanlagen liefert Kühlgeräte.

Banken geben kaum Kredite für Großprojekte - zu unsicher

Auffällig ist: Es sind vor allem Mittelständler, die sich engagieren. Große Aufträge wie der an Siemens zur Modernisierung der iranischen Eisenbahn - die Münchener liefern Teile zum Bau von 50 dieselelektrischen Lokomotiven -, sind die Ausnahme. Das größte Problem ist die Finanzierung großer Investments. Es finden sich keine Banken dafür. Zwar betont Gabriel, die Bundesregierung stelle wieder alle Exportfinanzierungen zur Verfügung, auch Hermes-Kredite. Ungelöst bleibt dennoch das Problem, was passiert, wenn die Amerikaner bei der Überprüfung, wie Iran die Atomvereinbarungen umsetzt, zu dem Schluss kommen, dass es nicht alles erfüllt - und neue Sanktionen verhängen. Es findet sich keine große Bank, die das Kreditrisiko übernehmen will. Die Bundesregierung versucht, auch über diplomatische Kanäle nach Washington, das Problem zu entschärfen. In dieser Woche wird Gabriels Staatssekretär Matthias Machnig vorsprechen, Experten gehen davon aus, dass auch am Rande der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds Ende dieser Woche über die Sicherheiten für Banken geredet wird.

Das Ergebnis ist offen. Iran setzt große Hoffnungen auf die Beziehungen mit Berlin. Die Reise des Bundeswirtschaftsministers werde "das Signal setzen, dass wir ein neues Kapitel in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen aufschlagen", sagte Gholam Hossein Shafei, Vizepräsident der iranischen Handelskammer. Man werde "einen Plan für die Zukunft skizzieren". Deutschland könne wieder "der wichtigste Handelspartner für Iran werden". Gabriel gibt ganz den Vizekanzler, als er antwortet: "Wir haben auch Interesse, die Politik Ihrer Regierung zu unterstützen." Wenn die iranische Wirtschaft wachse und die Menschen bessere Lebensbedingungen fänden, werde das am Ende auch dem als liberal geltenden Staatspräsidenten Hassan Rohani helfen, spätestens kommendes Jahr bei den Wahlen.

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Wer durch die Hauptstadt Teheran fährt, kann deutlich sehen, was 15 Jahre Isolation hinterlassen haben. Die Straßen sind voll mit alten Fahrzeugen, auffällig viele der Marken Honda, Peugeot und Tata, viele Busse aus Fernost. Die Luft ist so verschmutzt, dass die Viertausender-Berge hinter der 14-Millionen-Einwohner-Stadt im Dunst verschwinden. Keine der bekannten Fast-Food-Ketten hat sich angesiedelt, keine Baumärkte, keine Modehäuser, keine internationalen Banken. Aber auch hier ist ein Konflikt ungelöst: Wirtschaftsvertreter können den Investitionsbedarf mit Händen greifen, Traditionalisten wollen den Status quo wahren. Iran gleiche Russland in den 1990er-Jahren, erzählen mitgereiste Wirtschaftsvertreter.

Die diplomatischen Pflichtübungen absolviert Gabriel am Montag jedenfalls fehlerfrei. Es gebe viel "Verbindendes zwischen beiden Ländern und auch manches Trennendes" wie den Status der Religion oder die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Israel und Palästina, kritisiert er vorsichtig iranische Positionen. Geschäftsmann Shafei lächelt die Kritik weg: "Ich kenne keine zwei Länder auf dieser Welt, die außenpolitisch deckungsgleiche Interessen haben." Es sei wichtig, im Gespräch zu versuchen, den anderen zu verstehen.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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