Fraport-Beteiligung:Heikle Landung in Sankt Petersburg

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Russische Regierungsmaschinen vom Typ Tupolev Tu-204 und Ilyushin Il-96, hier aber nicht am Flughafen in Sankt Petersburg, sondern in Moskau. (Foto: Sergei Bobylev/imago images / ITAR-TASS)

Die Beteiligung am Flughafen Pulkowo ist für Fraport ohnehin schon problematisch. Nun zeigt sich, dass dort im März ausgerechnet russische Regierungsmaschinen landeten - und das nicht nur einmal.

Von Petra Blum, Hannes Munzinger und Lea Weinmann

Am späten Nachmittag des 4. März landet auf dem Flughafen Pulkowo von Sankt Petersburg ein besonderes Flugzeug. Es ist genau 17.09 Uhr, als die Maschine des Typs Iljuschin IL-96-300PU auf dem Rollfeld des Flughafens aufsetzt. Die Welt schaut an diesem Tag äußerst besorgt nach Saporischschja, wo um das größte Atomkraftwerk Europas gekämpft wird. Ein Gebäude der Anlage geht nach Beschuss in Flammen auf, russische Truppen übernehmen die Kontrolle über die sechs Reaktoren. Der russische Angriffskrieg ist da schon acht Tage alt, Sanktionen sind verhängt worden. Die EU und die Vereinigten Staaten haben sogar Wladimir Putin selbst sanktioniert, dazu seine wichtigsten Minister.

Es ist gut möglich, dass eine dieser sanktionierten Personen oder gar Putin selbst an jenem Nachmittag am Sankt Petersburger Flughafen ankommt. Denn die Iljuschin IL-96-300PU gilt als Präsidentenmaschine, Sonderanfertigung. Sechs oder sieben Maschinen dieses Typs sollen existieren. Jene, die am 4. März in Sankt Petersburg landet, trägt die Kennung RA-96019. Auch andere Regierungsmitglieder nutzen die Flotte.

An jenem Tag Anfang März wird zudem bekannt, dass der deutsche Flughafenkonzern Fraport sein Russlandgeschäft ruhen lassen will. Fraport gehören 25 Prozent der Betreibergesellschaft des Flughafens von Sankt Petersburg - und nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat das M-Dax-Unternehmen mit diesem Investment ein Problem. Denn auch die russische Staatsbank VTB ist Anteilseignerin an der Betreibergesellschaft. Sie steht bereits seit der Annexion der Krim 2014 unter Sanktionen.

Nun muss das deutsche Unternehmen, das mehrheitlich dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt gehört, auch noch die unangenehme Frage beantworten, ob der Flughafen von sanktionierten Politikern genutzt wird - oder gar vom russischen Militär. Fraport antwortete auf Anfrage von SZ und WDR, man habe keinen "Zugang zu Informationen, die als Staatsgeheimnis klassifiziert sind. Dazu gehören u.a. Flüge von Regierungsmitgliedern".

Auch Militärmaschinen können den Flughafen nutzen

Die Flüge der Regierungsmaschinen sind allerdings kein Staatsgeheimnis, sie sind ganz offen über Online-Flugtracker wie "Flightradar24" oder "OpenSky Network" in Echtzeit beobachtbar. Nach einer Analyse von SZ und WDR flogen mindestens zwei dieser Maschinen Pulkowo nach Kriegsbeginn an: Die Flugzeuge mit den Kennungen RA-96017 und RA-96019 können anhand öffentlich zugänglicher Bilder und Videos der Regierungsflotte zugeordnet werden. Die Maschine RA-96019 hatte in der Vergangenheit auch Außenminister Lawrow genutzt. 2017 reiste er darin zur Münchner Sicherheitskonferenz, um eine "postwestliche" Weltordnung zu fordern.

Aus den sogenannten Pandora Papers, einem Datenleak, das dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zugespielt wurde, geht hervor, dass auch Militärmaschinen den Flughafen Pulkowo nutzen können. "Pulkowo bietet die volle Bandbreite an Leistungen, eingeschlossen Geschäftsflüge, Regierungsflüge, Cargo-, Militär- und Sanitätsflüge", heißt es in einem Dokument. Anfang der Woche hatte Fraport-Vorstandschef Stefan Schulte eingestanden, dass es eine Kommandantur, also eine militärische Dienststelle, auf dem Flughafen gebe. Die sei aber lediglich "eine Art Reisestelle für Militärs oder für politische Nutzung".

In Hessen gerät Fraports Geschäft in Sankt Petersburg weiter zum Politikum. Die hessische FDP-Politikerin Marion Schardt-Sauer forderte: "Die Landesregierung muss in dieser Situation dringend eine Exit-Strategie für die Russland-Beteiligungen vorlegen." Landesfinanzminister Michael Boddenberg (CDU), der auch Aufsichtsratschef von Fraport ist, sagte hingegen vor dem Haushaltsausschuss des Landtages: "Für mich ist es absolut irre, dass man diesem Verbrecher am Ende auch noch Vermögenswerte überlässt." Konzernchef Schulte erklärte zudem, dass man aus dem bis 2040 laufenden Konzessionsvertrag derzeit nicht aussteigen könne. Es sei vertraglich verboten, den Anteil am russischen Flughafen vor 2025 abzugeben, behauptet Schulte. Das Unternehmen sei außerdem verpflichtet, Vermögen im Sinne der Anleger zu schützen.

Eine Klausel könnte den Ausstieg ermöglichen

Ein Verkaufsverbot bis 2025 findet sich in den Daten der Pandora Papers nicht. Dafür aber eine Klausel, die Fraport doch den Ausstieg aus der Beteiligung ermöglichen könnte: Sollte es einen qualifizierten Wettbewerber geben, der also die technischen Voraussetzungen erfüllt, könne dieser an die Stelle von Fraport treten und dessen Anteile übernehmen - so steht es in einem der Vertragszusätze. Einem solchen Geschäft müssten allerdings sämtliche Mitgesellschafter zustimmen, also unter anderem die russische Staatsbank VTB, gesteht Fraport ein. Und auch die Stadt Sankt Petersburg als Konzessionsgeberin müsste einverstanden sein.

Dort, in der Heimatstadt Wladimir Putins, landete am 24. März erneut jene Präsidentenmaschine, die schon 20 Tage zuvor aus Moskau eingeflogen war. Sie blieb nicht lange am Boden, sondern hob kurz darauf wieder ab, wieder in Richtung der russischen Hauptstadt. Welcher Passagier an Bord war, ist unbekannt.

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