Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Ob mit dem Fahrrad, E-Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln: Bewohnern von Großstädten stehen zahlreiche Optionen als nachhaltige Fortbewegungsmittel zur Verfügung. Doch wie können auch Güter wie etwa Briefe und Lebensmittel ihren klimafreundlichen Weg durch die Stadt finden? Dieser Frage widmete sich die Frankfurter Verkehrsgesellschaft (VGF) zur Eröffnung der Nationalen Radlogistik-Konferenz am Dienstag in Frankfurt.
Als Option stellte die VGF eine kombinierte Nutzung von Straßenbahn und Lastenrad vor. Dafür verlud das Unternehmen Container eines Lastenrad-Herstellers zum Transport in eine Straßenbahn. So könnten nicht nur Waren emissionsarm und platzsparend ihren Weg durch die Stadt finden - „wir hoffen, dass wir so aber auch Verkehr verlagern können“, sagte Silke Höhn von der VGF. Wissenschaftler halten die Idee für durchaus zukunftsträchtig.
Die Container mit einem Fassungsvermögen von 2,1 Kubikmetern und einer Länge von 1,7 Metern passen in den Mehrzweckbereich von Straßenbahnen. Wo sonst etwa Kinderwagen abgestellt werden, könnten stattdessen bald die Behälter in der Größe von Europaletten ihren Platz finden. Nach dem Transport per Tram sollen die Container auf Rollen an üblichen Haltestationen von einem Lastenradkurier in Empfang genommen werden. Die Radfahrer können die Güter dann an Unternehmen oder Haushalte ausliefern.
Neu sei die Idee der Gütertram nicht, erklärt der Professor für Logistik an der Frankfurt University of Applied Sciences, Kai-Oliver Schocke. „Die Gleise von Straßenbahnen wurden bis in die Sechzigerjahre auch für den Gütertransport verwendet.“ Vor rund 20 Jahren sei die Idee der Gütertrams wieder aufgekommen, erläuterte der Experte. Auch die VGF stellte bereits 2018 ein ähnliches Projekt vor. Dabei testete das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt und einem Paketzusteller die Postzustellung per Gütertram und Lastenrad.
In Hessen gibt es laut Prof. Manfred Boltze von der Technischen Universität Darmstadt ein solches Warentransportmodell bisher nicht. Ein bekanntes und erfolgreiches Beispiel kennt er nur aus Dresden. Eine Güterstraßenbahn lieferte dort etwa Bauteile für die „Gläserne Manufaktur“, in der Volkswagen den E-Golf baut. Laut Schocke wird das Konzept auch in Zürich und Karlsruhe getestet.
„Es macht Sinn, das weiter auszuprobieren, vor allem in dicht besiedelten Städten wie Offenbach oder Frankfurt“, sagte der Frankfurter Mobilitätsforscher Martin Lanzendorf zum Projekt der VGF. Ob die Konzepte mit den Straßenbahnen auch aufgehen, kann der Experte schwer einschätzen. „Erst mal ist das eine tolle Idee, weil man damit überall relativ emissionsfrei hinkommt“, erklärte er. Von den Logistikkonzepten der Konzerne her erfordere es allerdings eine aufwendige Planung. „Da muss man schon sehr genau suchen, für welche Produktgruppen das überhaupt Sinn macht.“
Die Idee eines Kuriers auf dem Fahrrad statt im Auto befürwortet der Forscher: „Mit so einem typischen Kurierfahrzeug hängt man viel im Stau, das kann man dann natürlich vermeiden, wenn man etwa ein Lastenfahrrad hat.“ Schließlich können sich Lieferanten auf einem Fahrrad auch mal durch verschlungene Pfade mogeln, statt die Straße zu blockieren. Frankfurts Dezernent für Mobilität und Gesundheit, Stefan Majer (Grüne), setzt volle Hoffnung auf die angesagten Transporträder: „Es ist die ernstzunehmende und zukunftsweisende Option für eine stadtverträgliche, urbane Logistik der Zukunft.“
© dpa-infocom, dpa:210927-99-385470/5