Flüchtlinge:Ökonomen attackieren Gabriels Solidarpaket für Deutsche

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Erst nannte Finanzminister Schäuble Gabriels Vorschlag "erbarmungswürdig". Nun kritisieren ihn auch Ökonomen als "Wahlkampfgag". (Foto: dpa)
  • Sigmar Gabriels Vorschlag für ein Solidarpaket, das bedürftige Deutsche unterstützt, stößt nun auch bei Wirtschaftswissenschaftlern auf heftige Kritik.
  • Arbeitsministerin Nahles schlägt unterdessen eine ähnliche Maßnahme für Rentner vor. Auch wenn sie sich auf den Koalitionsvertrag bezieht, könnte das Vorhaben für neuen Ärger sorgen.

Deutsche Top-Ökonomen attackieren Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für seinen Vorschlag eines Solidarpakets. Gabriel hatte gefordert, parallel zur Flüchtlingskrise ein milliardenschweres Förderpaket für bedürftige Deutsche aufzusetzen - mit Kita-Plätzen für alle, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und einer Aufstockung kleiner Renten sowie eine Abkehr vom Sparkurs. Im Handelsblatt kritisieren die Wirtschaftswissenschaftler diese Idee unter anderem als "Wahlkampfgag".

Für Clemens Fuest, den künftigen Chef des Münchner Ifo-Instituts, verstößt der Vorschlag gegen die Grundsätze rationaler Finanzpolitik. Er sei eine "Irreführung der Bevölkerung", denn die Inländer müssten die Schulden ja später selbst zurückzahlen. Statt eines Sozialpaktes "auf Pump" sollte man besser Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen.

Besonders deutlich wird Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Regierung würde mit einem solchen Paket einen "Verteilungskampf zwischen Deutschen und Flüchtlingen heraufbeschwören". Für ebenso falsch hält Fratzscher allerdings den Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble, Steuern zu erhöhen. Beides signalisiere den Menschen, dass sie durch Flüchtlinge wirtschaftliche Nachteile fürchten müssten. Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht ebenfalls keinen Grund für einen Sozialpakt. Bislang gebe es keine Missstände, die ein solches Paket rechtfertigten.

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Der SPD-Chef plädiert für ein "neues Solidarprojekt", damit sich Einheimische nicht wegen der Ausgaben für Flüchtlinge benachteiligt fühlen. Das lehnt Schäuble ab. Zu Griechenland äußert sich der Finanzminister ungewöhnlich milde.

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Ein Vorschlag aus dem Arbeitsministerium könnte für neuen Ärger sorgen

Gabriel hatte zuletzt heftige Kritik für seinen Vorschlag einstecken müssen. Schäuble bezeichnete die Idee auf dem Treffen der G-20-Finanzminister in Shanghai als "erbarmungswürdig". Das könne nicht die Meinung eines Vizekanzlers sein, sondern nur die eines SPD-Wahlkämpfers.

Während Gabriels Vorschlag wohl wieder vom Tisch sein dürfte, gibt es aus dem von Andrea Nahles (SPD) geführten Arbeitsministerium nun einen neuen, ähnlichen Vorschlag - und der könnte für Zündstoff sorgen. Nahles bereitet ein weiteres Rentenpaket vor. Dieses soll die Einführung einer "solidarischen Lebensleistungsrente" beinhalten. Das soll die Rentenansprüche von Geringverdienern aufwerten. Ein Vorschlag, der also in eine ähnliche Richtung geht wie der von Wirtschaftsminister Gabriel.

"Wir arbeiten daran und werden noch in diesem Jahr einen konkreten Vorschlag vorlegen", sagte Nahles. Sie beruft sich bei ihrem Vorschlag auf den schwarz-roten Koalitionsvertrag. Darin sind Eckpunkte für eine "solidarische Lebensleistungsrente" festgelegt. Dass der Vorschlag ausgerechnet jetzt erneuert wird, könnte erneut zu Diskussionen in der Koalition führen.

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