Große Koalition:Schäuble nennt Forderung Gabriels "erbarmungswürdig"

Key Speakers At Day Two Of The Institute of International Finance G20 Conference

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beim Treffen der G-20-Finanzminister in Shanghai.

(Foto: Bloomberg)
  • SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel fordert, nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Deutsche mehr Geld auszugeben. Das lehnt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ab.
  • Nach dem Treffen der G-20-Finanzminister in Shanghai äußert Schäuble sich auch zur Lage Griechenlands. Er zeigt Verständnis für die schwierige Lage der Regierung in Athen.

Von Cerstin Gammelin, Shanghai

Eigentlich sollte es um internationale Finanzpolitik gehen, schließlich saß Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Hotel Shangri La in Shanghai, wo gerade die Finanzminister der G-20-Staaten getagt hatten. Und außerdem war nicht viel Zeit für Reporterfragen, schließlich wartete der Regierungsflieger in die Heimat schon. Aber als dann die Frage kam, ob Schäuble jetzt die Schwarze Null aufgeben werde, auch, weil er laut Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) nicht nur Geld für Flüchtlinge, sondern auch für Deutsche ausgeben solle, da wurde der CDU-Politiker emotional. Seine Äußerungen könnten einen neuen Koalitionskrach auslösen.

Was Gabriel fordert

"Wenn wir Flüchtlingen - Menschen, die wirklich in in bitterer Not sind - nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die nicht so in bitterer Not sind, das Gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig", sagte Schäuble. "Und das kann nicht die Meinung eines Vizekanzlers sein, sondern die eines SPD-Wahlkämpfers."

Gabriel hatte im ZDF ein "neues Solidarprojekt" mit Kita-Plätzen für alle, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und einer Aufstockung kleiner Renten sowie eine Abkehr vom Sparkurs gefordert. Er wolle verhindern, dass sich die einheimische Bevölkerung angesichts der Milliardenausgaben für Flüchtlinge benachteiligt fühlt.

Was Schäuble dem SPD-Chef vorwirft

Schäuble verwahrt sich gegen "dieses Gerede, dass ich jetzt in allen Bereichen der Politik mehr Geld ausgeben muss, als in der Finanzplanung vorgesehen ist, damit nicht wegen der Flüchtlinge der Rechtsradikalismus steigt".

Schäuble nahm sich Zeit, weit auszuholen und begann mit dem Koalitionsvertrag, in dem man sich auf eine Finanzpolitik geeinigt habe. Erst vor wenigen Wochen, bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts, habe Gabriel argumentiert, eine nachhaltige Finanzpolitik sei ein Grund für Wirtschaftswachstum.

"Dass er jetzt das Gegenteil sagen sollte", Schäuble zügelte sich kurz und fuhr fort: "Vielleicht hat er sich unklar ausgedrückt. Das soll ja auch passieren. Manchmal sage ich, dass ich schon ein wenig Mitgefühl habe mit seiner Lage als Parteivorsitzender. Als Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister ist er in einer wunderbaren Regierung. Als Vorsitzender der SPD hat er es ein bisschen schwieriger." Schäuble ergänzte, er habe bereits im September 2015 im Bundestag gesagt, die Lösung der Flüchtlingskrise sei "wichtiger als alles andere".

Was Schäuble über Griechenland sagt

Schäuble sprach auch über Griechenland, und zwar ungewöhnlich milde angesichts des Reformstaus. Das Land sei "in einer außergewöhnlich schwierigen Situation". Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras müsse Reformen umsetzen und sei gleichzeitig schwer von der Flüchtlingskrise betroffen. Einschnitte wie die Rentenreform wären auch in anderen Ländern sehr schwierig, sagte Schäuble. "Wir in Deutschland regen uns gelegentlich über weniger auf."

Griechenland muss sein Rentensystem modernisieren und dabei Einsparungen von mehreren Milliarden Euro generieren. Die Reform ist eine der wichtigsten Auflagen des dritten Programms für das von der Pleite bedrohte Land, das im Sommer zwischen Athen und den Gläubigern vereinbart wurde.

Die Reform steckt seit Monaten im Parlament fest. Ohne Reform bekommt Athen keine Raten ausgezahlt. Spätestens im Sommer sind vier Milliarden Euro an die Gläubiger fällig.

Warum Schäuble vom IWF abhängig ist

Da die Nachbarländer ihre Grenzen abgeriegelt haben, stecken mittlerweile Tausende Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland in Griechenland fest. Das Land ist überfordert - das hat Auswirkungen für die Wirtschaft. Investoren bleiben weiter fern. Der Tourismus auf den Inseln leidet.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) plädiert deshalb dafür, die Ziele für den Haushaltsüberschuss, den Athen erwirtschaften soll, um einen Prozentpunkt auf 2,5 Prozent pro Jahr zu senken. Um trotzdem die Schulden spürbar zu verringern, sollen die Euroländer auf einen Teil verzichten. Schäuble lehnt allerdings einen Schuldenschnitt ab.

Die Lage wird noch komplizierter, weil der IWF ohne Schuldenerleichterung sich nicht mehr an den Hilfen für Athen beteiligen kann. Ohne IWF wiederum kann Schäuble im Bundestag kein weiteres Mandat zur Auszahlung von Kredithilfen bekommen. Der Spielraum, eine Lösung zu finden, sei sehr gering, hieß es in Shanghai.

Die Frage, ob nicht wegen der Lage die Kreditauflagen gelockert werden sollten, ließ Schäuble aber unbeantwortet. Trotz aller Milde.

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