Konsum:Fleisch ist per se zu billig

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Halbierte Schweine im Schlachthof: Der Fleischproduktion müssen Grenzen gesetzt werden. (Foto: dpa)

Alle Versuche, beim Fleisch höhere Preise durchzusetzen, haben bisher wenig Erfolg. Es gibt nur eine Lösung: Es müssen wirklich alle Kosten für die Erzeugung eingerechnet werden, auch die für Klima- und Umweltschäden.

Kommentar von Silvia Liebrich

Die Diskussion um Fleischpreise dreht sich im Kreis. Und das schon seit Jahren. Kein Wunder also, dass da so manchem ein gut abgehangener Kinoerfolg aus den 90er-Jahren in den Sinn kommt. Titel: "Und täglich grüßt das Murmeltier". In der Hauptrolle Bill Murray als übellauniger, egoistischer Wetteransager, der in einer Zeitschleife steckt und immer wieder denselben Tag durchlebt. Heraus findet er erst, als er er sein Verhalten zum Besseren ändert.

Dasselbe gilt für die Menschen und ihren Fleischkonsum. Wenn sie die Fehler nicht erkennen und korrigieren, wird sich nichts ändern. Während sich die einen über Missstände in Ställen aufregen, ärgern sich andere über den Preiskampf im Handel, das Nichtstun der Politik oder die Gewinnsucht von Schlachtkonzernen. Alle haben sie irgendwie recht, aber das allein hilft nicht weiter, wenn ein Konsens über nötige Reformen fehlt.

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Von Michael Moorstedt

Den jüngsten Aufreger verursachte diese Woche der Lebensmittelhändler Lidl. Erst im Dezember hatte der Discounter werbewirksam angekündigt, die Preise für Schweinefleisch zu erhöhen. Vorausgegangen waren massive Proteste von Bauern, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie unter einem massiven Preisverfall leiden. Diesen sogenannten Solidaritätsbonus für Landwirte streicht Lidl nun wieder. Das Unternehmen begründet das vor allem damit, dass die Konkurrenz nicht mitgezogen hat.

Da mag es naheliegen, wieder einmal auf den Handel zu schimpfen. Doch das wäre zu einfach. Lebensmittelhändler versorgen die Bevölkerung mit Lebensmitteln, auf Dauer können sie dabei Marktpreise nicht außer Acht lassen, sonst haben sie keine Zukunft. Schließlich stehen sie im Wettbewerb. Dass sie durchaus bereit sind, die Initiative zu ergreifen, wenn es darum geht, etwas für Umwelt-, Tier- und Klimaschutz zu tun, haben sie in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Biolebensmittel gehören inzwischen zum festen Sortiment von Discountern, sie tragen so zur steigenden Nachfrage bei und fördern die ökologische Landwirtschaft. Die Händler entwickeln außerdem freiwillig neue Lösungen zum Vermeiden von Plastikmüll, auch weil sie sonst mit restriktiven Vorgaben vom Gesetzgeber rechnen müssten.

Wenig bis gar keinen Erfolg zeigen dagegen alle Versuche, das Angebot von Fleisch und Wurst nachhaltiger zu gestalten und höhere Preise durchzusetzen, verschiedenen Tierschutzlabeln zum Trotz. Doch solche Kennzeichen nützen wenig, wenn sich dadurch in der Tierhaltung grundsätzlich nur wenig ändert. Verbraucher lassen sich da nicht täuschen.

Der Fleischproduktion müssen Grenzen gesetzt werden

Die Debatte um Fleischpreise wird erst dann der Zeitschleife entkommen, wenn Verbraucher, Handel, Erzeuger, Schlachtkonzerne und Politik die Ursachen des Problems erkennen und beheben: Fleisch ist per se zu billig, weil der Preis längst nicht alle Kosten enthält, die bei der Erzeugung anfallen, etwa die für Wasser- und Umweltverschmutzung oder den Schaden für das Klima. Diese Kosten müssen eingerechnet werden.

Der Fleischproduktion müssen zudem endlich Grenzen gesetzt werden. In Deutschland werden weit mehr Tiere gehalten, als gut für Umwelt, Klima, Bauern, ja die ganze Gesellschaft ist. Hier muss ein vernünftiges Maß gefunden werden. Es ist falscher Ehrgeiz, wenn deutsche Tierhalter auch noch Exportmärkte bedienen wollen.

Fleisch ist auch kein Halbleiter, der sich in Massen, perfekt durchrationalisiert und unschlagbar günstig in der Fabrik herstellen lässt. Doch genau nach diesem industriellen Prinzip funktioniert inzwischen weltweit ein Großteil der Tierhaltung. Das ist der eigentliche Fehler im System Fleisch. Es geht hier um Tiere, um Lebewesen. Eine Tatsache, die auch Verbraucher beim Griff nach dem nächsten Sonderangebot gern verdrängen.

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