Flash vs. HTML5:Nummer 5 lebt

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Die Entscheidung von Apple-Chef Steve Jobs gegen Flash und für HTML5 hat eine anhaltende Diskussion ausgelöst. Doch beide Web-Formate haben ihre Vorteile - und ihre Grenzen.

Bunte Fische in einem Aquarium, hüpfende Bälle, der Mauszeiger als Pinsel - solche Animationen im Browser sind meist das Ergebnis der Multimedia-Technik Flash. All dies ist aber jetzt auch mit dem kommenden Web-Standard HTML5 möglich - ganz ohne Plugin für den Flash-Player der Firma Adobe. Macht HTML5 Flash überflüssig? Experten antworten mit einem beherzten Jein.

Dieses virtuelle Aquarium sieht aus wie viele andere. Der große Unterschied: Es ist komplett in HTML5 programmiert und braucht keine spezielle Multimedia-Software wie Flash. Foto: Microsoft/dpa/tmn (Foto: dpa-tmn)

"HTML5 versucht, Anwendungen direkt in den Browser zu bringen", erklärt die Web-Entwicklerin Stephanie Sullivan Rewis aus Phoenix im US-Staat Arizona. Damit werde es erheblich einfacher, Web-Anwendungen zu gestalten. Aber sie könne sich nicht vorstellen, dass Flash überflüssig werde.

"Das W3C ist überhaupt nicht daran interessiert, alle Möglichkeiten von Flash in den Standard einzubauen." Das W3C, das ist das World Wide Web Consortium mit den Hütern der Web Standards. Unter Vorsitz des Internet-Pioniers Tim Berners-Lee haben sie in den vergangenen Jahren hart gerungen um die Weiterentwicklung der beiden jetzt noch gültigen Web-Standards HTML 4.01 und XHTML1.1.

Im Oktober 2009 beschloss das W3C, den strengeren Standard XHTML aufs Abstellgleis zu schieben und alle Weichen in Richtung HTML5 zu stellen. Dabei sind die Neuerungen durchaus überschaubar: Es gibt weniger als 30 neue Tags - also die in spitze Klammern gesetzten Elemente, welche einzelne Bestandteile einer Webseite wie einen einzelnen Absatz bezeichnen.

Dabei geht es zumeist um Ergänzungen für das "semantische Web", um mehr bedeutungstragende Elemente. Am Beispiel eines Blog-Eintrags wird der Unterschied deutlich: Bisher wird ein solches Posting auf einer Webseite meist mit -Elementen als eigener Bereich (englisch: division) von seiner Umgebung abgetrennt - in diesem Bereich kann dann jeder mögliche Inhalt gepackt werden.

HTML5 führt für Postings oder Nachrichtenbeiträge das Tag ein. Und zu diesem Artikel gehört ein eigener "Header", der als eine Art Visitenkarte bislang dem Anfang einer Webseite vorbehalten ist. Hier kommt etwa die Überschrift hin und das neue Element für das Datum und auf Wunsch auch die Uhrzeit der Veröffentlichung. Die meiste Beachtung aber finden die beiden neuen Elemente und .

Mit (deutsch: Leinwand) wird ein rechteckiger Bereich auf der Webseite eingerichtet, der auf einzelne Pixel genau mit Inhalten gefüllt wird, die auch in Bewegung gesetzt werden können. Dabei kommt die Skriptsprache JavaScript zum Einsatz. "Die Canvas-Schnittstelle ist wirklich sehr umfangreich, da gibt es jede Menge Neues zu entdecken", sagt Kevin Hoyt, Flash-Spezialist von Adobe, aus Parker im US-Staat Colorado. "Es bietet die grundlegenden Fähigkeiten von Flash. Erst wenn es um aufwendige Projekte etwa mit der Anbindung einer Webcam oder eines Mikrofons geht, stößt HTML5 an seine Grenzen."

Hier kommt dann Flash ins Spiel, wie etwa bei der Sprachlern-Anwendung von babbel.com. "Die Entscheidung für Flash war völlig pragmatisch", sagt einer der beiden Geschäftsführer, Markus Witte. "Wir wollten schnell ein Produkt entwickeln, das sich anfühlt wie echte Software, und das lässt sich browserübergreifend am besten mit Flash machen."

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Jetzt fangen die Entwickler von babbel.com aber an, "unsere Seiten in HTML umzubauen und Flash punktuell einzusetzen" - ein Grund ist, dass HTML-Seiten besser von den Suchmaschinen gefunden werden. Das größte Problem in HTML5 bereitet das neue Element . Damit können ganz ohne eine Zusatzsoftware Videos direkt in die Webseite eingebunden und abgespielt werden.

Allerdings können sich die Hersteller der Browser nicht auf einen einheitlichen Codec einigen - das ist die Software, die den Datenfluss interpretiert und in Video- und Audiosignale umwandelt. "Die kommerziellen Browser-Anbieter wie Apple und Microsoft haben kein Interesse daran, die freien Codecs zu implementieren", erklärt der HTML-Experte und Buchautor Peter Kröner aus Osnabrück. Und die Open-Source-Browser, also vor allem der Firefox des Mozilla-Projekts, "können die kommerziellen Codecs nicht implementieren".

Für Apple-Chef Steve Jobs, der Flash von seinen mobilen Geräten verbannt hat, ist das kein Problem: Auf dem iPhone oder dem iPad läuft der Browser Safari, und der kann mit dem Video-Codec H.264 der MPEG-Gruppe umgehen. Auf andere Browser trifft das aber nicht zu - und so müssen Anbieter wieder auf unterschiedliche Anforderungen der Browser Rücksicht nehmen - was ein Standard ja gerade vermeiden will.

"Die Rücksichtnahme auf browserspezifische Besonderheiten sollte der Vergangenheit angehören", erklärt Tom Hensel, technischer Berater und Dienstleister im Bereich von Webtechnologien aus Hamburg. Niemand könne sagen, welche Lizenzkosten einmal bei der Nutzung von H.264 anfallen würden. Flash bediene die Browser mit seinen Plugins wenigstens relativ gleichmäßig.

Vielleicht gehört die Zukunft des Webs einer Lösung, die beide Welten miteinander verbindet. HTML5-Experte Kröner nennt die Möglichkeit, die Flash-Runtime, also die Plattform für das Ausführen von Flash-Code, in JavaScript zu übersetzen, um sie mit HTML-5-Mitteln nutzen zu können. "Von Flash bliebe dann die Entwicklungsumgebung und das Dateiformat erhalten.

Die interaktiven Anwendungen könnten dann aber ohne Plugin mit den Bordmitteln des Browsers genutzt werden." Schon seit Januar 2008 hat HTML5 den Status eines "Working Drafts", eines Arbeitsentwurfs. Die von Apple angestoßene Debatte hat den künftigen Standard in den Fokus der Webentwickler gerückt. Aber die Arbeit im W3C geht unbeirrt ihren eher langsamen Gang.

Der bei Adobe für Standards zuständige Manager Dave McAllister erwartet, dass HTML5 2012 den Status eines vorläufigen Standardentwurfs (preliminary draft standard) erhalten wird. Bis zur endgültigen Verankerung werde es aber noch fünf bis zehn Jahre dauern.

© sueddeutsche.de/dpa, Peter Zschunke - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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