Bei gutem Wetter könne man sie sehen, sagt Ebrima Tabang. Er steht am Strand von Gunjur, einem kleinen Dorf an der Küste des auch ziemlich kleinen Staates Gambia. 80 Kilometer Küste hat Gambia zu bieten, sie sind bei britischen Pauschaltouristen beliebt, die dort ihre Körper dunkelrot rösten. Vor allem aber bei Fischern aus der ganzen Welt, die mit ihren riesigen Fangflotten in die Gewässer vor Gambia kommen, die zu den reichsten der Welt zählen. "Die Schiffe kann man am Horizont sehen, sie kommen aus China, Japan und Europa", sagt Ebrima Tabang von der staatlichen Fischereibehörde, der eigentlich dafür zuständig ist, den Küstenabschnitt vor illegalen Fischtrawlern zu schützen. Die Frage ist nur, wie er das machen soll. Manchmal gibt es ein Boot, mit dem er und seine Leute rausfahren können. Manchmal auch nicht.
"Und wenn mal jemand von uns rausfährt, bekommt er einfach 100 Dollar in die Hand von den Kapitänen, wenn sie überhaupt anhalten. Das ist ein Drittel eines Jahresgehaltes. Was würden Sie machen?"
Früher, erzählt Tabang, hätten die gambischen Fischer nur einmal kurz raus fahren müssen mit ihren motorlosen Pirogen, dann hätten sie den Tagesfang beisammen gehabt. Heute fahren viele gar nicht mehr raus, weil sie den Kampf nicht gewinnen können gegen die riesigen Fischfabriken auf dem Meer, die bis zu 30 Tonnen fangen an einem Tag. Viele Pirogen liegen umgedreht am Strand, unter ihnen liegen ein paar Fischer, die rauchen. Sie haben Deutschland-Flaggen an ihre Boote gemalt - der große Traum. Aus keinem anderen afrikanischen Land sind prozentual so viele Menschen nach Europa geflüchtet wie aus Gambia.
Seit einigen Jahren machen sich die Politiker in Europa verstärkt Gedanken, wie man die jungen Menschen von der Flucht abhalten kann. Und tragen gleichzeitig dazu bei, die Fluchtursachen zu verstärken. Etwa 32 000 Stunden fischten Fischtrawler aus der EU zwischen 2012 und 2015 illegal vor Gambia, hat die Nichtregierungsorganisation Oceana jetzt errechnet, die sich für den Schutz der Ozeane einsetzt. Die Daten stammen aus einem Überwachungssystem, das diejenigen Schiffe erfasst, die ihr automatisches Erkennungssystem eingeschaltet haben. Die Dunkelziffer der schwarz fischenden Boote dürfte viel größer sein, glauben sie bei Oceana. Aber auch so zeigten die Daten auf erschreckende Weise, wie stark sich Boote aus Rechtsstaaten an illegalen Praktiken beteiligten, sagt Maria Jose Cornax von Oceana.
Europas Gewässer gelten zu 90 Prozent als überfischt
Die Boote stammen aus Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, und sie hatten offenbar die Erlaubnis ihrer jeweiligen Regierungen - obwohl die EU ihre Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren mehrfach daran erinnert hatte, dass in Gambia und Äquatorialguinea nicht gefischt werden dürfe, so lange es mit beiden Staaten kein neues Abkommen zum Fischfang gebe. Solche so genannten "Partnerschaftsabkommen" werden abgeschlossen, seit die EU 2014 ihre Fischereipolitik drastisch geändert hat. Im Inneren und auch nach außen.
Meeresbiologie:Zu viele Fische sind der Krabben Tod
In der Nordsee wachsen die Fischbestände wieder und damit die Fangquoten. Eigentlich eine gute Nachricht, für die Krabbenfischer und auch das Ökosystem entstehen aber neue Probleme.
Die europäischen Gewässer gelten zu 90 Prozent als überfischt, worauf die europäischen Fischereikonzerne mit einer Ausweitung ihrer Fanggründe reagierten. Die Schiffe wurden größer, die Konzerne handelten mit westafrikanischen Staaten Fanglizenzen aus, die die EU nach Angaben von Greenpeace mit etwa 140 Millionen Euro subventioniert hat. Es dauerte nicht lange, bis auch die westafrikanischen Gewässer überfischt waren, allein die Bestände des dort wichtigen Zackenbarschs gingen um 80 Prozent zurück. Tausende Fischer in Westafrika wurden arbeitslos, viele machten sich auf den Weg nach Europa.
Die neuen Fischereiabkommen sollen hingegen ein "Geben und Nehmen" sein. Die Europäer bekommen Zugangsrechte, zahlen dafür im Gegenzug für den Aufbau einer nachhaltigen Fischwirtschaft und die Überwachung der Fischgründe. Kritiker sagen, dass die Vorteile ziemlich einseitig verteilt seien. Senegal zum Beispiel bekommt für die Lizenz an die Europäer etwa eine Million Euro im Jahr. Die Abkommen seien zudem teilweise undurchsichtig, es gebe zu wenig Informationen, welche Fische gefangen werden und wie viele. Auch scheint die EU-Kommission sehr schnell zur Stelle zu sein, wenn es darum geht, andere Länder zu maßregeln - für die eigenen Mitglieder aber gelten offenbar andere Regeln. Im Mai ermahnte der zuständige Kommissar Karmenu Vella die Regierung von Liberia, sie müsse mehr gegen illegale Fischerei tun. Die Trawler, die aus den Mitgliedsländern illegal vor Gambia unterwegs waren, erwähnte er nicht.
Ein Drittel des nach Europa importierten Fischs könnte illegal gefangen sein
Die EU ist seit Langem der größte Exportmarkt für Fischereiprodukte. Nach Schätzungen könnte bis zu einem Drittel aus illegalem Fang kommen, der wiederum vor allem vor der Küste Westafrikas gemacht wird. Als Guinea-Bissau den Trawlern den Zugang zu seinen Gewässern verbot, begannen die großen Fischkonzerne einfach, eine Armada kleiner Boote unter lokalen Flaggen auszusetzen, die ihren Fang dann zu den Mutterschiffen brachten. Der Staat war machtlos.
In Gambia entsteht gerade ein neuer Staat, zumindest eine neue Politik. Anfang dieses Jahres hat das Volk den alten Diktator verjagt, der über Jahrzehnte viele Millionen aus der Vergabe von Fischereirechten in die eigene Tasche steckte. Die neue Regierung dagegen möchte die schwindenden Ressourcen für das eigene Volk sichern.
Das Land will Firmen aus den USA, Südafrika und Holland damit beauftragen, die eigene Küste vor illegalen Fischern zu schützen, mit Booten und Helikoptern. Ebrima Tabang, der Fischereibeauftragte der Regierung, wird sich womöglich einen neuen Job suchen müssen. Aber vielleicht ist er darüber gar nicht so traurig.