Finanzmärkte:Spanien hat nur Grippe

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Tote Baustellen und geplatzte Bankkredite in Spanien lassen die europäischen Finanzmärkte zittern. Und doch ist Madrid stabiler als Griechenland.

Alexander Hagelüken

Jetzt also Spanien. Der Staat muss eine andalusische Sparkasse retten, und schon reagieren europaweit Anleger nervös. Welche Wunden reißen tote Baustellen, geplatzte Bankkredite und andere Konsequenzen des spanischen Immobiliencrashs an den Finanzmärkten? Auf dem ganzen Kontinent rutschen sensible Finanzwerte ab, deutsche Aktien stürzen auf Drei-Monats-Tief, Staatspapiere aus Madrid verlieren rasant an Wert. Und schon sieht mancher das Land als nächsten Dominostein nach Griechenland fallen. Für eine solche Panik aber ist es zu früh. Natürlich gibt es Probleme in der großen Volkswirtschaft im Süden, aber auch Lichtblicke.

Baustelle in Madrid: Der Immobilienboom in Spanien ist vorüber. (Foto: ag.ap)

Ruinen des Booms

Die Währungsunion bescherte den Spaniern sensationell niedrige Zinsen, was einen Bauboom entfachte, der wie alle künstlich angeheizten Boomphasen Ruinen hinterlässt. Seit der Finanzkrise fallen die Immobilienpreise, Kredite wackeln, Banker stöhnen. Doch es lohnt es sich, genau hinzuschauen. Schwierigkeiten haben vor allem kleinere Sparkassen wie die nun gerettete Cajasur, hier könnte es noch weitere Schieflagen geben. Die größeren Sparkassen dagegen sind solider finanziert. Und die beiden führenden Privatbanken des Landes gelten sogar europaweit als Vorbild, weil sie das Spekulieren mit den verhängnisvollen amerikanischen Immobilienkrediten unterlassen haben.

Der spanische Bankensektor ist stabiler als der griechische, und ähnlich sieht es mit dem Staat aus. Die wechselnden Regierungen haben die Jahre des Booms genutzt, um die Defizite zu begrenzen. Während Griechenland unter einem Schuldenberg von 115 Prozent der Wirtschaftsleistung ächzt, sind es in Spanien gerade mal 50 Prozent - deutlich weniger übrigens als in Deutschland. Und deutlich weniger als in den Vereinigten Staaten, deren Dollar derzeit niemand anzweifelt, obwohl die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft höher liegen als im vielkritisierten Eurogebiet.

Investoren neigen gerade dazu, bei jedem Krisenanzeichen nervös zu werden. Wenn eine andalusische Sparkasse mit Kriegsdrohungen aus Nordkorea zusammenkommt, kommt Crash-Fantasie auf. Für die Beurteilung der Lage aber sind ein paar Erkenntnisse hilfreich: Spanien ist nicht Griechenland. Und ein Eurokurs bei 1,20 Dollar ist keine Katastrophe, sondern bringt deutschen Exportfirmen auch ein paar Vorteile.

Reform des Arbeitsmarkts

Ob gegen Spanien und andere angeschlagene Euroländer erfolgreich spekuliert werden kann, hängt nun davon ab, wie sich die Volkswirtschaften verhalten. Ohne Zweifel müssen die Südstaaten ihre Strukturen verändern, um langfristig solide dazustehen und ihre Mitgliedschaft im Euro zu rechtfertigen. Spanien etwa muss einen Ersatz für die überdimensionierte Rolle der Baufirmen in der Wirtschaft finden. Außerdem darf die Regierung des Sozialisten Zapatero nicht weiterhin verdrängen, dass außer dem Sparpaket eine weitere Anstrengung nötig ist: zum Beispiel eine Reform des Arbeitsmarkts, die mehr Spaniern Aussicht auf Jobs verschafft - aber in der Gesellschaft ähnliche Eruptionen verheißt, wie sie die Hartz-Gesetze in der Bundesrepublik ausgelöst haben.

Kosten der Krise

Womöglich zweifelt mancher skeptische Anleger derzeit aber nicht nur daran, ob Griechenland, Spanien reformbereit genug sind. Er befasst sich auch mit den längerfristigen Auswirkungen der Schuldenkrise. All die Milliardenhilfen, die Bankenrettungen und Konjunkturpakete haben die staatlichen Verpflichtungen auf ein gefährliches Maß anschwellen lassen, das nun die Zweifel am Euro nährt. Bremsen lässt sich die Schuldendynamik nur durch Gelddrucken, also künstliche Inflation - oder durch hartes Sparen. Die Sparpakete von Spanien über Großbritannien bis Deutschland aber werden das Wachstum bremsen. Das wiederum trübt die Aussichten der Anleger, denn auf Dauer kann nur Wachstum die Kurse hochtreiben.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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