Finanzkrise in Europa:Zügelt die Banken, beendet die Party!

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Die Finanzinstitute haben sich als größter Brandbeschleuniger in der Krise erwiesen. Wie vor einigen Jahren stehen sie am Abgrund. Deshalb muss die Politik in ihrem Krisenmanagement nun grundsätzlich umschwenken. Nötig sind vier Schritte: Rigide Regeln für Banken, ein Schuldenschnitt für den größten Pleitestaat, saubere EU-Haushalte - und das Ende der Zockerspiele auf den Finanzmärkten.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Angela Merkel unterteilt Krisen gerne in unterschiedliche Phasen. Das macht die Dinge übersichtlicher und leichter erklärbar. Nach Lesart der Bundeskanzlerin befindet sich die Welt gerade in Phase drei der globalen Finanzkrise, die 2007 mit einer Bankenkrise begann, 2009 in eine Wirtschaftskrise mündete und 2011 in einer Staatsschuldenkrise gipfelte.

Börse in New York: Viele Banker und Fondsmanager sind in ein eigenes Universum abgedriftet. (Foto: dpa)

So weit, so richtig - wäre da nicht das Wort "gipfelte": Es ist nämlich äußerst fraglich, ob das aktuelle Gerangel um Griechenland tatsächlich den Höhepunkt der Misere markiert, oder ob auf Phase drei nicht eher Phase vier folgt - eine erneute Bankenkrise nämlich, ausgelöst durch eine oder mehrere Staatspleiten in Europa. Am Ende stünden Merkel und ihre Mitstreiter in EU und G 20 exakt wieder da, wo sie Mitte 2007 begonnen hatten.

Der Unterschied ist, dass Banken, Firmen und Staaten für eine zweite Krisenrunde noch schlechter gerüstet sind, als sie es für die erste waren. Den Geldhäusern mangelt es an Kapital, um eine Welle von Staatspleiten auffangen zu können. Die Betriebe werden eine Rezession nicht noch einmal so arbeitsplatzschonend überbrücken können wie 2009, und die Staaten Europas haben schlicht kein Geld mehr, um weitere gigantische Konjunkturpakete zu schnüren. Die Gefahr ist also groß, dass am Ende auch der Euro-Schutzschirm und zu guter Letzt die Währungsunion zusammenbrechen.

Um dieses gerade für Deutschland katastrophale Szenario abzuwenden, bedarf es eines grundlegenden Schwenks im Krisenmanagement. Das heißt nicht, dass bisher alles falsch gelaufen wäre. Im Gegenteil: Wer heute für sich reklamiert, schon immer die allumfassende Lösung gekannt zu haben, ist schlicht ein Scharlatan. Auch für die Zukunft gibt es kein Patentrezept und keine unumstößlichen Wahrheiten. Vielmehr bleibt den Regierungen in Europa nur das, was Peer Steinbrück einmal "auf Sicht fahren" genannt hat: nach Brandherden zu suchen und sie möglichst systematisch zu löschen.

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Als größte Brandbeschleuniger haben sich in den vergangenen Jahren die Banken erwiesen. Erstes Ziel muss deshalb sein, jedes systemrelevante Geldhaus in Europa in die Lage zu versetzen, eine Umschuldung Griechenlands und weiterer Staaten eigenständig zu schultern. Nur so nämlich kann die Kettenreaktion unterbrochen werden, bei der jedes Institut drei weitere anzündet, während den betroffenen Regierungen das Löschwasser ausgeht. Dafür brauchen die Banken bis zu 250 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital. Da sie das Geld nicht haben, müssen die Regierungen es ihnen zwangsweise zuschießen und sie im Gegenzug ganz oder teilweise verstaatlichen. Banken, die trotz Kapitalinjektion nicht überlebensfähig sind, sollten nach einem transparenten, europaweit einheitlichen Verfahren abgewickelt werden.

Darüber hinaus ist eine Umschuldung in Griechenland notwendig, die weitere, weniger tiefe Schuldenschnitte in Portugal, vielleicht auch in Spanien und Italien, nach sich ziehen könnte. Diese Schnitte sind die Voraussetzung für einen ökonomischen Wiederaufstieg der betroffenen Länder, der dann auch weitere, an strenge Auflagen gebundene Hilfen der EU-Partner rechtfertigen würde. Gegen einen solchen Schuldenschnitt vor allem in Griechenland wird eingewandt, dass Athens größte Gläubiger längst nicht mehr die Banken, sondern die Euro-Länder und andere öffentliche Stellen, allen voran die europäische Zentralbank (EZB), sind. Sie wären also die Hauptleidtragenden einer Umschuldung. Umgekehrt wären sie aber auch die Hauptnutznießer, wenn es nach dem Schnitt in Griechenland wieder bergauf ginge.

Drittens müssen die EU-Staaten endlich ihre Haushalte in Ordnung bringen, die neben der Kapitalschwäche der Banken den größten Brandherd darstellen. Das setzt voraus, dass der Euro-Schutzschirm nicht einfach immer weiter aufgespannt wird: Denn mit jedem zusätzlichen Euro, den die EU ins Schaufenster stellt, schwindet bei den Regierungen der Krisenländer die Bereitschaft, nach Einsparmöglichkeiten zu suchen.

Und schließlich: Wer die jetzige Krise beenden und die nächste vermeiden will, muss die Party auf den Finanzmärkten beenden. Die Märkte sind, zumindest theoretisch, ein wichtiges Korrektiv. Sie belohnen ökonomisch vernünftiges Verhalten und bestrafen Geldverschwendung. Das funktioniert aber nicht mehr, seit viele Banker und Fondsmanager in ein eigenes Universum abgedriftet sind und die Bewohner der realen Welt nur noch als ebenso dämliche wie willfährige Geldgeber für ihre virtuellen Zockerspiele betrachten.

Diese Fehlentwicklung lässt sich nur mit Hilfe radikaler Regeländerungen stoppen. Dazu zählen unter anderem das Verbot ungedeckter Leerverkäufe und anderer reiner Wettgeschäfte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und die Verpflichtung, alle Wertpapierkäufe über Börsen oder andere beaufsichtigte Handelsplätze abzuwickeln.

So gravierend die Probleme in allen anderen Bereichen auch sind: Wer die Missstände im Finanzsektor nicht löst, wer den mit zu wenig Eigenkapital ausgestatteten Geldhäusern weiterhin Geschäfte an den Aufsichtsbehörden und den offiziellen Bilanzen vorbei erlaubt, wird schon bald die nächste Krise und ihre einzelnen Phasen erklären müssen.

© SZ vom 06.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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