Femtech:"Männer können nicht damit umgehen, wenn das Wort Vagina fällt"

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Die Pille online ordern? Ein US-Start-up will das ermöglichen. (Foto: imago)
  • Die Start-up-Szene wird von Männern dominiert.
  • Gründerinnen fällt es schwer, Wagniskapital einzusammeln - vor allem, wenn sie Produkte entwickeln, die sich um Frauengesundheit drehen.
  • Viele der meist männlichen Investoren sehen das Potenzial nicht. Dabei ist die Femtech-Branche längst ein Milliardenmarkt.

Von Kathrin Werner, Austin

Meist verstehen Investoren einfach nicht, worum es geht. Es läuft fast immer gleich ab: Sophia Yen tritt in einen Raum voller Wagniskapitalgeber, fast alles ältere Herren, und erklärt ihnen etwas von der Periode der Frau. "Das finden sie dann ein bisschen eklig", sagt sie. "Viagra-Firmen bekommen dagegen mal eben fünf Millionen."

Die Ärztin aus Kalifornien ist dabei, für ihre junge Firma Pandia Health Kapital einzusammeln. Pandia stellt nach einer Fernuntersuchung im Internet Rezepte für die Pille aus und liefert das Verhütungsmittel zu den Kundinnen nach Hause. "Keine Panik mehr, dass man es nicht rechtzeitig in die Apotheke schafft", sagt Yen. "Das ist ein riesiger Markt."

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Yens Start-up zählt zu einem Markt namens Femtech. Der Begriff steht für Technologie für Frauen, insbesondere geht es um Gesundheitsprodukte für den weiblichen Körper. Nach Jahren, in denen Startups und Wagniskapital von Männern dominierten und sich darum auch vor allem mit Männerthemen beschäftigten, wacht die Gründerszene auf und entdeckt die Bedürfnisse der Frauen.

Frauen sammeln nur 2,2 Prozent des Wagniskapitals ein

Gerade ist Femtech sogar Thema auf der Digital-, Film und Musikkonferenz South by Southwest (SXSW) in Austin in Texas. Schon jetzt sei Femtech ein 200 Milliarden Dollar schwerer Markt, sagt die Investorin Tracy Warren in Austin, deren Fonds Astarte Ventures ausschließlich Firmen finanziert, die sich mit der Gesundheit von Frauen und Kindern befassen. "Es ist eine Milliardengelegenheit."

Jahrelang lag die Branche brach - wofür es viele Gründe gibt. Oft sind es Frauen, die Femtech-Firmen gründen. Und Frauen gründen insgesamt deutlich seltener Start-ups als Männer. Wenn sie die erste Schwelle überwunden haben und sich zur Unternehmensgründung entschlossen haben, ist es für Frauen deutlich schwerer, Wagniskapital zu bekommen, als für Männer.

Die meisten Investoren sind Männer. 2017 sammelten ausschließlich von Frauen geführte Start-ups gerade einmal 1,9 Milliarden der insgesamt vergebenen 85 Milliarden Dollar an Wagniskapital ein - 2,2 Prozent. Wenn es dann noch dazu um Themen wie die Periode geht, wird es noch schwerer.

Milchpumpen mit Bluetooth, Tampons mit smarten Sensoren

"Produkte für die Gesundheit von Frauen können eine heikle Sache sein. Man muss mit Investoren reden, ohne dass sie sich ekeln oder unwohl fühlen", sagt Wagniskapitalgeberin Warren. "Wie macht man das, wenn viele Männer schon nicht damit umgehen können, wenn das Wort Vagina fällt?" Sie rät, immer mit Zahlen zu argumentieren: Marktgröße, Wachstumschancen und so weiter. Die Gründerinnen müssen sich enorm gut vorbereiten und sollten nur Investoren ansprechen, die schon ähnliche Produkte finanziert haben - und dann durchhalten. "Frust über Finanzierung tötet viele gute Firmen."

Allerdings hat ein Wandel begonnen, selbst bei den großen Venture-Capital-Firmen. Die Fruchtbarkeits-App Glow von Paypal-Mitgründer Max Levchin hat 2013 Geld von den prominenten Silicon-Valley-Investoren Andreessen Horowitz und Founders Fund bekommen. Der Spezialist für künstliche Befruchtung und andere Fruchtbarkeitsdienstleistungen, Prelude, hat 200 Millionen Dollar eingesammelt. Der Tampon-Aboservice Lola hat elf Millionen Dollar erhalten.

Es gibt inzwischen Firmen für Milchpumpen mit Bluetooth und Internetanschluss oder für Tampons, deren Sensor meldet, wenn es Zeit für einen Wechsel ist. Insgesamt gingen in gut drei Jahren 1,1 Milliarden Dollar an Wagniskapital an Femtech-Firmen, hat der Marktforscher CBI Mitte 2017 ermittelt.

"Frauending? Wir sind die Hälfte der Bevölkerung"

Dennoch bleiben viele Herausforderungen: Die Werbung für die Femtech-Produkte ist zum Beispiel nicht ganz leicht, erzählt Lauren Constantini. Sie war bis vor Kurzem Chefin von Prima-Temp, einer Firma, die Frauen bei der Verhütung oder beim Schwangerwerden hilft. Prima-Temp misst pausenlos die Körpertemperatur der Kundinnen und schickt ihnen einen Hinweis auf ihr Smartphone, wann ihre fruchtbarsten Stunden sind. "Im Prinzip sagen wir ihnen, wann sie Sex haben sollen", sagt Constantini. "Das führt zu überraschenden Hürden für das Marketing."

Googles Anzeigendienst Adworks verbietet etliche Worte, die Prima-Temp braucht, um das Geschäftsmodell zu erklären. Und auch Investoren hätten erst abgewunken, als sie von ihrer Idee hörten - es klang für sie nach einem Nischenprodukt. "Das ist nur so ein Frauending", hätten sie zu ihr gesagt. "Frauending?", antwortete sie dann. "Wir sind die Hälfte der Bevölkerung."

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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