Großbritannien:Warum wurde Nigel Farage das Bankkonto gekündigt?

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"Man hört auf zu existieren": Nigel Farage hat angeblich kein Bankkonto mehr. (Foto: Mark Thomas/IMAGO/Parsons Media)

Der Brexiteer behauptet, das Bank-Establishment wolle ihn wegen des EU-Austritts nicht mehr als Kunden. Wie es aussieht, gibt es aber einen ganz anderen Grund.

Von Alexander Mühlauer, London

Um Nigel Farage war es zuletzt ein wenig ruhig geworden, doch damit ist es nun vorbei. Am Dienstag schaffte es der Erz-Brexiteer sogar auf die Titelseite der Daily Mail, was man in Großbritannien wahrlich nicht unterschätzen darf. Das Boulevardblatt ist noch immer die auflagenstärkste Zeitung des Landes, ihre Aufmacher haben gewaltigen Einfluss auf die politische Debatte in Westminster. Und die dreht sich nun eben um Farage. Genauer gesagt: um dessen Bankkonto.

Vor ein paar Tagen hatte Farage ein Video auf Twitter veröffentlicht, in dem er sichtlich verzweifelt wirkt. Seine Bank, bei der er seit 1980 Kunde sei, habe ihm sämtliche Konten gekündigt, sagte er in dem Clip. Als er nach dem Grund für die Kündigung gefragt habe, habe es lediglich geheißen: "commercial reasons", also "aus geschäftlichen Gründen". Doch der Bank glaube er, so Farage, kein Wort.

Der Brexiteer, der die Tories einst mit seiner UK Independence Party (Ukip) vor sich hertrieb, hat die Schuldigen schon ausgemacht: die Remainer in der Londoner City, also jene Banker, die am liebsten in der EU geblieben wären. Die Finanzinstitute hätten nicht gewollt, dass es zum Brexit komme - und würden ihm deshalb nie verzeihen, was er getan habe.

Im Grunde macht Farage also das, was er mit am besten kann: Er konstruiert eine Verschwörung gegen sich. Und an der Spitze dieser Verschwörung steht eben das, was er "das Establishment der Londoner Blase" nennt. Das ändert jedoch nichts an Farages Problem: Er findet eigenen Aussagen zufolge keine Bank, die ihn als Kunden haben will. Farage selbst spricht von neun Absagen (Stand Dienstagabend).

Laut BBC und Financial Times sieht die Sache ein wenig anders aus. Demnach hatte Farage ein Konto bei der Privatbank Coutts. Wer dort Kunde sein will, muss mindestens eine Million Pfund bei der Bank investiert haben - oder mindestens drei Millionen Pfund an Ersparnissen vorweisen. Dem Vernehmen nach soll Farage diese Hürden unterschritten haben. Die logische Folge: Kündigung. Von der Bank NatWest, die zum gleichen Finanzkonzern wie Coutts gehört, soll er im Gegenzug ein ganz normales Bankkonto angeboten bekommen haben.

Hat Farage also wieder einmal nicht die ganze Wahrheit erzählt? Gegenüber der Financial Times sagte er: "Sie scheinen mehr zu wissen als ich."

Mancher hätte nichts dagegen, wenn Farage den Brexit für sich selbst vollziehen würde

Nun, Farage wäre nicht Farage, wenn er nicht auch die EU für seine Lage verantwortlich machen würde. Diese habe vor einigen Jahren ein Instrument namens PEP eingeführt, das nach dem Brexit in britisches Recht übernommen worden sei, sagt er. PEP steht für politically exposed person, also Personen, die politisch exponiert sind. Menschen, die in diese Kategorie fallen, müssen bei Bankgeschäften mit strengeren Überprüfungen rechnen, um etwa zu verhindern, dass Politiker Zahlungen aus Staaten erhalten, gegen die beispielsweise Sanktionen verhängt wurden. Im Fall von Farage gibt es Spekulationen, dass er Geld aus Russland bekommen haben könnte. Farage bestreitet das. Er sagt, er habe keinen Penny aus Russland erhalten.

Aus Sicht von Farage geht von PEP eine ganz andere Gefahr aus. Er behauptet, dass seiner bisherigen Bank womöglich so manche seiner politischen Forderungen nicht gefallen würden, was wiederum zur Kündigung seines Konto geführt haben könnte. In Westminster waren sogleich mehrere Abgeordnete auf den Barrikaden und pochten darauf, dass Banken politisch neutral bleiben müssten. Sogar das Finanzministerin sah sich dazu gezwungen, der Sache nachzugehen.

Bleibt die Frage, was Farage jetzt macht, denn ohne Bankkonto ist man im Alltag nicht wirklich überlebensfähig. Oder wie der Brexiteer sagt: "Man hört auf zu existieren". Angesichts dieser Aussichten stellte Farage sogar die Frage, ob Großbritannien noch das Land sei, in dem er weiter leben wolle. Bei Twitter hatte ein Nutzer jedenfalls schon einen Rat für ihn: "Habibi, come to Dubai".

Auch wenn so mancher in Großbritannien sicher nichts dagegen hätte, wenn Farage den Brexit für sich selbst vollziehen würde, dürfte er dem Königreich wohl noch länger erhalten bleiben. Farage hat schließlich eine Fernsehsendung bei GB News, die in London aufgezeichnet wird. Dank dieser hat er auch eine Plattform, auf der er weiter Kampagnen anzetteln kann. Und sei es nur in eigener Sache.

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