EZB und Griechenland:Die Ohnmacht des Jean-Claude Trichet

Lesezeit: 3 min

Jean-Claude Trichet in der Defensive: Märkte und Politiker treiben den EZB-Chef in der Euro-Krise vor sich her.

H. Einecke, M. Hesse u. C. Hoffmann

Der Hüter des Euros ringt um seine Macht. Die Griechenland-Krise macht Jean-Claude Trichet, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), zum Getriebenen von Spekulanten und Politikern. Am Donnerstag senkten die Märkte erneut den Daumen über sein Krisenmanagement. Der Euro fällt, weil Anleger an der Unabhängigkeit der EZB zweifeln.

Die Griechenland-Krise macht EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet zum Getriebenen der Märkte. (Foto: Foto: apn)

Trichet wirkt am Donnerstag in Lissabon ungewohnt unsicher. Ausgerechnet in Portugal ist der mächtige EZB-Rat zusammengekommen, dem Land, das sich Investoren als nächstes mögliches Opfer der europäischen Schuldenkrise ausgesucht haben. Trichet erklärt mit den gewohnten Routine-Floskeln, warum die EZB den Zins auf dem Rekordtief von einem Prozent belässt. Er wischt Inflationssorgen weg und ermahnt die Regierungen der Eurozone zum Sparen. Es ist der zaghafte Versuch, in die Offensive zu gehen. Doch schon bei der ersten Frage muss sich Trichet verteidigen. Hat die EZB die heikle Frage diskutiert, Staatsanleihen wankender Euro-Länder zu kaufen, um eine Ausweitung der von Athen ausgehenden Krise zu verhindern?

Es wäre ein ungeheurer Vorgang, eine Politik, die noch vor wenigen Monaten niemand für möglich gehalten hätte. Noch nie hat die EZB in die Märkte eingegriffen, um Staaten aus der Patsche zu helfen. Doch die Wächter des Euros haben die Heftigkeit der griechischen Krise unterschätzt. Als im Sommer 2007 die erste Phase der globalen Finanzkrise begann und auch nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008 hatte Trichet das Steuer fest in der Hand. Ökonomen lobten das exzellente Krisenmanagement, die EZB schaffte das Kunststück, die eingefrorenen Interbankenmärkte aufzutauen.

Doch die Staatsschuldenkrise scheint Trichet überrumpelt zu haben. Es werde keine Lex Griechenland geben, hatte er noch Anfang des Jahres gesagt. Doch bald darauf weichte er die Regeln dafür auf, welche Wertpapiere Banken bei der EZB als Sicherheiten hinterlegen dürfen, um Geld zu bekommen. Selbst Ramschanleihen darf Griechenland künftig bei der EZB gegen Geld eintauschen.

Und die Spekulanten rechnen längst damit, dass Trichet einen weiteren Schritt vom Pfad der Stabilität abweicht und direkt Staatsanleihen kauft, wenn Investoren dafür fehlen. Doch Trichet blockt in Lissabon ab. "Wir haben diese Frage nicht diskutiert", wiederholt er stoisch. Ökonomen halten diese Haltung für unglaubwürdig. "Wer in dieser Situation nicht über alles nachdenkt, der macht seinen Job nicht richtig", sagte Dirk Schumacher, Volkswirt bei der Investmentbank Goldman Sachs. "Der Kauf von Staatsanleihen ist gerechtfertigt, wenn ein Land in eine Liquiditätskrise gerät." Portugal könne man vielleicht noch mit einem ähnlichen Hilfspaket wie für Griechenland auffangen. "Spätestens wenn Spanien in eine Liquiditätskrise läuft, muss die EZB eine entscheidende Rolle spielen."

Ähnlich sieht das Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Er hält den Ankauf griechischer Anleihen durch die EZB allerdings für eine Ultima Ratio: "Das wird nur geschehen, falls auf anderem Wege keine Eindämmung der Schuldenkrise erreicht werden kann."

Trichet windet sich. Während ihm die einen vorwerfen, er reagiere zu zaghaft auf die Krise in Griechenland, fürchten andere um die Unabhängigkeit der EZB. Trichet nährt den Vorwurf eher, als dass er ihn entkräftet. Die EU habe die EZB gebeten, das Rettungspaket von IWF und Euro-Ländern zu prüfen und ihren Segen dazu zu geben, verteidigt sich der Franzose in Lissabon. Wie hätte die EZB das Rettungspaket abnicken und zugleich griechischen Banken den Zugang zu EZB-Geld verwehren können? Das spricht Trichet nicht aus, aber es ist seine Botschaft. Längst ist er Gefangener der Politik, so sehr er sie auch zum Sparen ermahnt. Wie schlecht es um den Einfluss der EZB bestellt ist, zeigte sich auch daran, dass die Notenbank es zunächst ablehnte, den IWF in die Hilfen einzubinden, nur um dann einzuknicken.

Unter Druck steht Trichet auch im eigenen Haus. In Finanzkreisen wird gemunkelt, die EZB-Ratsmitglieder seien sich beim Krisenmanagement nicht einig. Vor allem Bundesbankpräsident Axel Weber, der als ein möglicher Nachfolger Trichets gehandelt wird, versucht sich mit einer harten Linie in der Öffentlichkeit zu positionieren. Ohne sich direkt auf mögliche Anleihenkäufe durch die EZB zu beziehen, hatte Weber am Mittwoch gesagt, nach wie vor heilige "der legitime Zweck, die Verhinderung der Ansteckungsgefahr im europäischen Finanzsystem, nicht jedes Mittel".

Trichet sitzt zwischen allen Stühlen, und jeden Tag, der ohne ein starkes Wort des Mannes aus dem Euro-Tower vergeht, fällt die Währung, die er hütet, ein bisschen weiter. Am Donnerstag lag der Kurs unter 1,26 Euro. Bedenklich ist das noch nicht, im Gegenteil, eine schwächere Währung könnte den Südländern helfen, ihre Exporte zu steigern. Doch es ist das Tempo der Abwertung, das manchem Ökonomen Sorge macht. "Wenn der Euro weiter fällt, muss die EZB handeln", sagt Eugen Keller von Metzler. In früheren Jahren gab Trichet den Spekulanten schon einmal einen Schuss vor den Bug, wenn sie den Euro zu schnell in die eine oder andere Richtung trieben. "Exzessive Schwankungen sind nicht wünschenswert", sagte er dann. Meist wurde die Botschaft verstanden. Doch heute hört man auch zum Euro-Kurs nichts von Trichet. Er diskutiere niemals Wechselkurse und ihre tägliche Entwicklung. Vielleicht hält er die Zeit einfach noch nicht für gekommen. Doch vielleicht ahnt Trichet auch, dass er allein es nicht mehr in der Hand hat, die europäische Währung wieder zu stabilisieren.

© SZ vom 07.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: