Inside Facebook:Wie sich Facebooks Löschzentrum abschottet

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Die Menschen, die für Facebook problematische Inhalte löschen, arbeiten unter schlechten Bedingungen. (Foto: Sead Mujic)

Abgeklebte Scheiben, Sprechverbot für Mitarbeiter, kein Zutritt für Politiker: Facebooks Dienstleister Arvato betreibt viel Aufwand, um die Öffentlichkeit draußen zu halten. Niemand soll sehen, nach welchen Regeln Inhalte gelöscht werden - und unter welchen Bedingungen manche Mitarbeiter immer noch leiden.

Von Hannes Grassegger und Till Krause

Ein halbes Jahr nach den Enthüllungen des SZ-Magazins klagen die Mitarbeiter im Löschzentrum von Facebook in Berlin weiterhin über schlechte Arbeitsbedingungen. Mehrere Beschäftigte der Firma Arvato, die im Auftrag von Facebook Inhalte wie Gewalt, Hass oder Kinderpornografie sichtet und von der Plattform löscht, berichten in der aktuellen Ausgabe des SZ-Magazins davon, dass die Firma großen Aufwand betreibt, um sich noch weiter abzuschotten. Mitarbeiter dürfen nicht mit der Presse sprechen, auch Politikern wird der Zutritt zum Löschzentrum in Berlin weiterhin verwehrt.

Dabei ist die Arbeit, die dort erledigt wird, von großem Interesse für die Öffentlichkeit: Sogenannte "Content-Moderatoren" entscheiden, ob Beiträge, die von anderen Nutzern gemeldet wurden, bei Facebook gelöscht werden oder nicht. Etliches von dem, was sie zu sehen bekommen, sind Blicke in menschliche Abgründe: Foltervideos, Hinrichtungen, Tierquälerei. Die Geheimhaltung geht so weit, dass Glastüren der Arvato-Großraumbüros in Berlin sowie einsehbare Fenster mit Sichtschutzfolie beklebt wurden, damit niemand von außen die Löschteams bei der Arbeit beobachten kann.

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Die komplizierten und geheimen Löschregeln lassen sich Informationen des SZ-Magazins zufolge nur mehr über einen internen Browser einsehen, für den man sich einloggen muss. Mit diesem lässt sich leichter verfolgen, wer zu welcher Zeit die Dokumente abgerufen hat. So soll sichergestellt werden, dass die Löschregeln nicht weiter an die Öffentlichkeit gelangen. Zuletzt hatten der Guardian und die Süddeutsche Zeitung Auszüge aus den internationalen Löschregeln von Facebook veröffentlicht.

Das SZ-Magazin berichtet nun, dass Arvato auch in Marokko ein Löschteam aufgebaut hat: In der Millionenstadt Casablanca betreibe eine Firma namens Phone Group, die mehrheitlich zu Arvatos Mutterkonzern Bertelsmann gehört, ein weiteres Löschzentrum. Einer der Informanten sagte dem SZ-Magazin, dass eine Verlagerung der Arbeit in dieses Löschzentrum gezielt als Szenario eingesetzt wurde, um die Mitarbeiter zum Schweigen zu bringen: "Sie drohen immer wieder: Wenn es hier Ärger gibt, kommen die Teams eben nach Afrika oder in andere Länder." Arvato und auch Facebook beantworten die Anfragen des SZ-Magazins weiterhin nur unvollständig und unkonkret.

Die Informanten berichten jedoch auch über Verbesserungen seit der ersten SZ-Magazin-Enthüllung: So gebe es mittlerweile einen Diplom-Psychologen, der sich jede Woche vierzig Stunden im Gebäude von Arvato aufhalte und die Mitarbeiter auch einzeln zu Terminen empfange, kostenlos und während ihrer Arbeitszeit. Außerdem gebe es nun regelmäßigere Ruhepausen während der Arbeitszeit. So dürften sich Mitarbeiter zu bestimmten Zeiten für 15 Minuten in eine Art Ruheraum zurückziehen. Einer der Informanten sagt dem SZ-Magazin dazu: "Da laufen dann aber leider nur die Bilder aus dem letzten schlimmen Video vor meinem inneren Auge ab."

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