Euro-Krise:Warum Deutschland den EU-Masterplan blockiert

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Die Brüsseler Führungsspitze hat eine Vision für die Gemeinschaftswährung vorgelegt. Der Gipfel soll die EU völlig umbauen. Doch der Plan schafft gerade jetzt mehr Ärger, als dass er Probleme löst. Weil er in einer einzigen, unverantwortlichen Forderung mündet: den Bürger noch stärker in die Pflicht zu nehmen.

Cerstin Gammelin

Verheerender als gar keine Vorschläge sind Vorschläge zum falschen Zeitpunkt. Dieser Eindruck drängt sich nach der Lektüre des Berichts der europäischen Führungsspitze auf. Unmittelbar vor einem EU-Gipfeltreffen, bei dem es wieder einmal um alles oder nichts in Europa gehen soll, fordern die vier Herren aus Rat, Kommission, Zentralbank und Euro-Gruppe die Europäer - und vor allem die Euro-Länder - auf, zu einer "echten Währungs- und Wirtschaftsunion" zusammenzurücken. Was da auf sieben Seiten zu lesen steht, ist nichts weniger als die Grundlage für den Euro 2.0 ( PDF-Datei hier).

Die Flaggen der Mitgliedsstaaten vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. (Foto: AFP)

Mal abgesehen davon, dass kein einziger Vertreter der Bevölkerung mit am Tisch saß, als die Herren ihren Plan austüftelten (seit wann bestimmt eigentlich ein Bankenvertreter über Europas Zukunft und warum fehlte der Präsident des Europäischen Parlaments?), schaffen die weitreichenden Pläne für die nächste Stufe der Währungsunion gerade jetzt mehr Ärger, als dass sie Probleme lösen.

Denn all die visionären Ideen münden klar in einer einzigen Forderung. Das europäische Führungspersonal drängt darauf, Bürger und Steuerzahler noch stärker in die Pflicht zu nehmen. Sie sollen jetzt offiziell verpflichtet werden, immer dann zu haften, wenn dringend Geld benötigt wird und gerade keins vorhanden zu sein scheint.

Da ist zum Beispiel der Plan, eine Bankenunion zu gründen. Die europäischen Banken sollen zentral beaufsichtigt werden, um frühzeitig Gefahren zu erkennen. Die Aufsicht soll "ultimative Verantwortung" bekommen, also vorbei an nationalen Aufsehern weisungsbefugt sein. Parallel dazu wollen die Herren die nationalen Garantiefonds für Spareinlagen und zur Abwicklung klammer Banken zu einem großen europäischen Fonds zusammenlegen - mit gemeinsamer Haftung für die Risiken.

Doch offensichtlich trauen die Planer ihren eigenen Ideen nicht so richtig. Denn am Ende fordern sie, dass der Euro-Rettungsfonds ESM immer dann aushelfen soll, wenn kein Geld mehr in den anderen Töpfen ist und die Banken selbst nicht zahlen können. Das ist der direkte Griff nach dem Geld der Steuerzahler zugunsten der Banken.

Das visionäre Konzept dürfte die Gipfelnacht nicht überleben

Ähnlich sieht es mit der Idee aus, die Euro-Länder mittelfristig gemeinsam für Schulden haften zu lassen. Zwar stellen die Autoren klar, dass gemeinsame Haftung davon abhängig ist, ob die Haushalte der Länder künftig besser koordiniert und Etats, die den EU-Vorgaben widersprechen, rechtzeitig gestoppt werden können. Aber dieser Verweis verschwindet in den langen Ausführungen über die Möglichkeiten gemeinsamer Schuldenpolitik.

An dieser Stelle handeln die Autoren geradezu unverantwortlich. Sie wissen, dass gerade in Deutschland viele Bürger fürchten, dass Brüssel vor allem eines will - dass Berlin zahlt. Weil sie diese deutsche Sorge nicht ernst genug nehmen, dürfte ihr visionäres Konzept für den Euro 2.0 die Gipfelnacht nicht überleben.

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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