EU-Kommission:Harte Regeln für den Staatseinstieg

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Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission, will faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Brüssel will Regierungen erlauben, Krisenkonzernen Kapital zur Verfügung zu stellen und Großaktionär zu werden. Betroffen sein könnte unter anderem die Lufthansa.

Von Björn Finke, Brüssel

Keine Dividenden, keine Boni, keine Übernahmen: Hilft der Staat in der Corona-Krise einem Unternehmen mit einer Kapitalspritze und steigt als Aktionär ein, muss sich dieses an strikte Auflagen halten. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission veröffentlichten am Wochenende Regeln dafür, wie Regierungen Betriebe mit Kapital und sogenannten nachrangigen Darlehen, also besonders riskanten Krediten, unterstützen können.

Die Bundesregierung hat für solche Staatsbeteiligungen 100 Milliarden Euro in ihrem neuen Wirtschaftsstabilisierungsfonds reserviert; unter anderem wird mit der Lufthansa über einen Einstieg diskutiert. Hierfür würde dann dieses Regelwerk gelten.

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Die Brüsseler Behörde hat es Regierungen bereits einfacher gemacht, von der Pandemie betroffenen Branchen mit Subventionen, Bürgschaften und normalen Krediten zu helfen. Doch für manche Firmen reicht das nicht - sie brauchen mehr Kapital, finden aber keine Investoren. Deshalb lockert die Kommission nun ihre Beihilferegeln weiter und will zumindest bis Sommer 2021 Regierungen erlauben, Krisenkonzernen Kapital zur Verfügung zu stellen und Großaktionär zu werden. Allerdings müssen sich die Manager im Gegenzug harschen Vorgaben unterwerfen. Zur Begründung heißt es im Beschluss der Behörde, solche Kapitalspritzen würden ansonsten "den Wettbewerb zwischen Unternehmen stark verzerren".

Auf Deutschland entfällt die Hälfte aller genehmigten Subventionen. Kritiker halten das für unfair

An ähnliche Verhaltensregeln mussten sich Banken halten, die während der Finanzkrise durch Kapitalspritzen gerettet wurden. Das neue Regelwerk zielt jedoch nur auf Betriebe außerhalb der Finanzbranche. Im Vergleich zu einem früheren Entwurf, welcher der SZ vorliegt, wurde es leicht entschärft: Fristen wurden verlängert, Schwellenwerte erhöht. Darauf hatten Regierungen in den Beratungen gedrängt. Trotzdem schnürt die Kommission weiterhin ein enges Korsett. So ist eine Genehmigung nur möglich, wenn der Betrieb Ende 2019 noch keine Probleme hatte - Altfälle sollen nicht gepäppelt werden.

Und Firmen, bei denen der Staat an Bord ist, dürfen keine Dividenden zahlen oder Aktien zurückkaufen - außer von der Regierung. Boni für die Manager sind verboten. Solange die Staatsbeteiligung nicht deutlich abgebaut wurde, dürfen auch keine Wettbewerber oder Lieferanten übernommen werden. Möglich ist nur eine Beteiligung von höchstens zehn Prozent an anderen Firmen, es sei denn, die Kommission entscheidet, dass eine Übernahme des anderen Betriebs überlebenswichtig ist. Hilfsempfänger müssen zudem berichten, auf welche Weise ihre Tätigkeit bedeutenden Zielen der EU-Politik dient, etwa dem Kampf gegen den Klimawandel.

Die Regierung soll sich ihren Kapitaleinsatz angemessen entlohnen lassen. Ziel ist ein schneller Ausstieg. Sollte die Regierung nach sechs Jahren immer noch mindestens 15 Prozent der Aktien halten, will die Kommission einen Sanierungsplan sehen. Margrethe Vestager, die zuständige Vizepräsidentin der Kommission, sagt, es gehe darum, dass "wir die europäischen Werte wahren und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten".

An der Fairness bei Staatshilfen gibt es jedoch Zweifel. Die Kommission hat bislang gut 100 Anträge von Regierungen für Corona-Unterstützungspakete bewilligt. Es geht um fast zwei Billionen Euro an Zuschüssen, Krediten und Bürgschaften. Die Hälfte der Summe entfällt aber allein auf Deutschland, während Konzerne in klammen Staaten wie Griechenland mit deutlich weniger Hilfe auskommen müssen.

Eine Kommissionssprecherin sagt, die Divergenzen zwischen Ländern seien "riesig" und hingen wohl auch mit der Finanzlage der Regierungen zusammen. Vertreter der Behörde und südeuropäischer Staaten befürchten deswegen, dass Firmen aus wohlhabenden Ländern die Krise viel besser überstehen könnten als ihre Rivalen in ärmeren Regionen. Das würde den Wettbewerb verzerren und Unterschiede zwischen wirtschaftsstarken und -schwachen Staaten vertiefen, heißt es. Dies zu verhindern, sei "überlebenswichtig", sagt Kommisions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. Daher denkt die Behörde über ein eigenes Hilfsprogramm für Kapitalspritzen nach.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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