Die Europäische Kommission will Informanten, die mit ihren Hinweisen Enthüllungen wie Lux Leaks oder Panama Papers an die Öffentlichkeit brachten, künftig EU-weit schützen. "Whistleblower helfen dabei, Bedrohungen oder Schäden für das öffentliche Interesse aufzudecken", heißt es im Entwurf des Gesetzesvorschlags, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Viele Hinweisgeber würden "allerdings oft davon abgehalten, aus Angst vor Vergeltung ihre Bedenken zu äußern".
Die Behörde will deshalb bei ihrer Präsentation am Mittwoch verdeutlichen, wie Informanten in der EU mehr Sicherheit vor Repressalien garantiert werden kann. Die Richtlinie soll gemeinsame Mindeststandards für den Schutz von Personen in der EU setzen, die Verstöße in ihrem Unternehmen oder ihrer Organisation offenlegen.
Parlamentarier sprechen von "Durchbruch"
Wie vom Europäischen Parlament gefordert, hat die Kommission versucht, den Begriff "Hinweisgeber" möglichst breit zu fassen. So sollen nicht nur Angestellte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, sondern auch unbezahlte Praktikanten oder ehrenamtlich Tätige geschützt werden. Der Vorschlag gilt zudem für Selbständige. Die EU-Staaten sollen sicherstellen, dass in Unternehmen "interne Kanäle und Verfahren für die Berichterstattung und Weiterverfolgung von Berichten" eingerichtet werden, gegebenenfalls nach Anhörung der Sozialpartner. Laut einer Studie der Kommission liegt der finanzielle Schaden aufgrund des fehlenden Schutzes von Hinweisgebern allein im öffentlichen Auftragswesen EU-weit zwischen 5,8 und 9,6 Milliarden Euro pro Jahr.
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, sieht in dem Vorschlag der Kommission "einen Durchbruch für den Schutz von Whistleblowern in Europa". Es bedürfe allerdings noch einiger Verbesserungen, um sicherzustellen, dass die Informanten im öffentlichen Interesse unter allen Umständen wirklich geschützt seien. So seien etwa Verstöße gegen die Entsenderichtlinie offenbar nicht abgedeckt. Ein weiterer Kritikpunkt der Grünen: Der Vorschlag der Kommission umfasst nur Unternehmensteuern; Informanten, die zum Beispiel über die Steuerflucht einzelner vermögender Personen berichten, bleiben von der Richtlinie unberührt. Außerdem geht den Grünen der Anspruch auf rechtliche und psychologische Unterstützung für Whistleblower nicht weit genug. Sie fordern zusätzlich einen EU-Fonds, der Hinweisgeber bei finanziellen Einbußen entschädigt. Dieser könnte aus Einnahmen von Bußgeld in den Mitgliedsstaaten finanziert werden.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments hatten sich bei einer Abstimmung im Herbst mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass die Kommission einen entsprechende Gesetzesvorschlag vorlegen soll. "Whistleblower spielen eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft", sagte die zuständige sozialdemokratische Berichterstatterin Virginie Rozière. "Viel zu oft riskieren sie ihren Arbeitsplatz, ihre Freiheit und manchmal sogar ihr Leben."
Laut EU-Kommission ist der Schutz von Hinweisgebern in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich geregelt. So wurde etwa der Whistleblower Antoine Deltour in Luxemburg zu einer Geldbuße verurteilt. Der frühere Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers hatte zusammen mit seinem Ex-Kollegen Raphaël Halet den Lux-Leaks-Skandal an die Öffentlichkeit gebracht. Bei ihrem früheren Arbeitgeber stießen die beiden auf Dokumente, die belegen, wie Konzerne Steuern in Milliardenhöhe vermeiden. Und zwar mithilfe der Luxemburger Finanzbehörde, die umstrittene Steuerkonstruktionen mit ihrem Stempel legitimierte.
Was die Gesetzeslage in Deutschland betrifft, so will die EU-Kommission im Gegensatz zum Referentenentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnisrichtlinie Whistleblower unabhängig davon schützen, ob ihre Absicht allein im Gemeinwohl liegt. "Eine Gesinnungsprüfung wird von der Kommission erfreulicherweise nicht angestrebt", sagte der Europaabgeordnete Giegold.