Ernährung:Mit dem Essen spielt man doch - Trends in der Spitzenküche

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Köln (dpa/tmn) - Die moderne Avantgardeküche ist weiter auf Entdeckertour. Natürliches und Regionales soll auf die Teller, sonst verschmähte Zutaten wie Schweineschnauze und ins Kraut geschossener Kohl werden verarbeitet. Auch im Dessert taucht immer öfter Gemüse auf.

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Köln (dpa/tmn) - Die moderne Avantgardeküche ist weiter auf Entdeckertour. Natürliches und Regionales soll auf die Teller, sonst verschmähte Zutaten wie Schweineschnauze und ins Kraut geschossener Kohl werden verarbeitet. Auch im Dessert taucht immer öfter Gemüse auf.

Man nennt es „Neue Regio-Küche“ oder „Crossover-Küche“. Die internationalen Spitzenköche suchen und finden immer neue Zutaten und verarbeiten am liebsten natürliche Produkte aus der Umgebung. Auf der diesjährigen „Chef-Sache“, dem Festival der Avantgarde-Küche in Köln, stand der Trend sowohl zu jungem wie auch zu altem Gemüse im Vordergrund.

Aus den einfachsten Zutaten das Bestmögliche zu machen, lautet das simple Motto von Zwei-Sterne-Koch Kobe Desramaults aus Belgien. „Alle sagten mir früher: Spiele nicht mit dem Essen“, sagte er auf der Kochbühne in Köln. „Aber genau das tue ich!“ So wird es bei ihm „einfach und brutal“: Alle Teile eines Schweinskopfes kommen auf den Teller - gegarte Scheiben vom Öhrchen, krosse Haut, das Hirn, der abgelagerte Speck, etwas Schnauze und schließlich eine Blutwurstsoße, die in einem Schweineschädel aufgetragen wird.

Die gleichen Zutaten benutzt auch Joachim Wissler vom Restaurant „Vendôme“ in Bergisch Gladbach. Bei ihm wird die Schweinskopfsülze aus Großmutters Zeiten gewissermaßen auseinandergezogen und neu interpretiert: Neben Speck und Gelees ist ein grünes Schweineschnäuzchen aus festem Schaum modelliert. Scheiben vom Öhrchen liegen auf Holz neben dem Teller. Der Geschmack wird durch eine nach Jod duftende Auster und etwas Kaviar erweitert.

Andree Köthe vom Restaurant „Essigbrätlein“ in Nürnberg hat zwei Michelin-Sterne und ist Spezialist für überständiges Gemüse. Er nutzt in Blüte geschossenen Brokkoli, der wie wilder Spargel schmeckt. Die handtellergroßen Außenblätter des Rosenkohls serviert er mit einem Gelee aus Saiblingskopf und mit Saiblingskaviar. Köthe hat Bauern rund um Nürnberg überredet, manche Ackerfrüchte länger stehen zu lassen und nicht einfach unterzupflügen, wenn die normale Ernte eingefahren ist. Neue Pflanzen und Kräuter zeigt ihm ein Botaniker.

Ein Sellerie wird bei ihm zum variantenreichen Gericht, mit Streifen aus der Knolle, den Blättern, der Schale und den feinen Wurzeln. Erbsen werden getrocknet, die Schoten fermentiert, dann mit Zwiebelstückchen, Blumenkohl und Birne serviert.

Blumenkohlröschen tauchen auch auf den Desserttellern bei Wissler auf. Und der Patissier Christian Hümbs vom „Haerlin“ in Hamburg nutzt Erbsen oder Rote Bete für seine kompliziert zusammengesetzten Kreationen und spielt mit salzigen Elementen beim Nachtisch.

Regionalität und Nachhaltigkeit liegen auch im Ausland im Trend. Der Niederländer Jonnie Boer, mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet, erntet im eigenen Gewächshaus. In der wasserreichen Umgebung seiner Heimatstadt Giethorn sammelt er Kräuter, Wurzeln und Beeren. Daheim fermentiert er Blumenkohlstrünke, die dann als bizarre Figuren auf den Teller kommen. Er kocht mit Pilzarten wie dem Leberreischling oder dem Riesenbovist. Rohe Garnelen kommen mit essbaren Tulpenzwiebeln und Hühnerleberschaum auf den Teller. Zum Dessert verarbeitet Boer Kolostrum, die geschmackvolle Erstmilch der Kühe nach dem Kalben, mit der duftenden Wiesenpflanze Mädesüß und grünem Eis von der Wasserminze.

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