Eon-Konzernumbau:Alte Welt prallt auf neue Welt

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Die Veränderungen im Energiesektor machen den Stromkonzernen zu schaffen. Im Bild: Ein Windrad hinter dem Umspannwerk Parchim Süd in Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: dpa)

Weg von Atom, Kohle und Gas, hin zu Sonne und Wind: Der Stromkonzern Eon will sein bisheriges Kerngeschäft einem neuen Unternehmen übertragen. Was hinter dem radikalen Umbau steckt und warum die Strategie für den Steuerzahler nicht ohne Risiko ist.

Von Michael Bauchmüller

Die schöne neue Welt hat mit Steckdosen und Sicherungskästen nicht mehr viel zu tun. Wo früher der Strom ins Haus kam, da ist morgen die "Schnittstelle". Nicht nur Energie kommt hier an, sondern auch Bezahlfernsehen, Telefon, jede Form von Kommunikation mit der Außenwelt. Alles aus einer Hand. Und der Strom fließt nicht mehr vom fernen Kraftwerk, sondern vom eigenen Solarpanel auf dem Dach oder aus dem Stromspeicher im Keller.

Die Schnittstelle - Eon-Manager bekommen leuchtende Augen, wenn sie davon erzählen. Das Rundum-Sorglos-Paket für Haushalte verspricht glänzende Geschäfte in der digitalen Welt. Aber andere haben das ebenfalls erkannt, Elektronik-, Internet und Telefonfirmen, auch Google. "Das, was wir heute schon von dieser Welt sehen, ist erst der Anfang", sagt Johannes Teyssen. "Aber die neue Energiewelt wird nach unserer Überzeugung schneller wachsen als die klassische."

So spricht jener Johannes Teyssen, der an diesem Montag aus einem der größten deutschen Konzerne zwei gemacht hat: einen für die alte und einen für die neue Welt. Kritiker sagen: einen mit Zukunft und einen ohne. "Wir sind die ersten, die entschlossen die Folgerungen ziehen aus einer veränderten Energiewelt", sagt Teyssen. Wohl wahr.

Überangebot an Strom macht Kraftwerke unrentabel

Denn nicht nur Digitalisierung und neue Schnittstellen verändern das Stromgeschäft, die deutsche Energiewende tut es auch. Kraftwerke waren einst das große Geschäft von Eon, RWE und Co. Doch seitdem immer mehr Strom aus Wind und Sonne in die deutschen Netze fließt, haben es die Energiekonzerne schwerer. Das Überangebot an Strom drückt die Großhandelspreise und macht zunehmend Kraftwerke unrentabel. Vor allem Gaskraftwerke können nicht mehr mithalten - Gas, aber auch Steinkohle sind teurer als Braunkohle.

Allein der alte Eon-Konzern will deshalb acht Kraftwerke stilllegen. Der neue Eon-Konzern hingegen soll sich um den Ausbau erneuerbarer Energien kümmern, um intelligente Stromnetze und Speziallösungen für seine Kunden. "In keine andere Art der Stromerzeugung fließen so viele Investitionsmittel wie in die Erneuerbaren", schwärmt der Eon-Chef. "Ein Trend, der nicht abebben, sondern sich sogar verstärken wird." Noch einmal eine halbe Milliarde Euro will der hochverschuldete Konzern hier im nächsten Jahr hineinstecken.

Scheint die Sonne, geht es den Kraftwerksbetreibern schlecht

Wie sehr alte und neue Welt aufeinanderprallen, das wird nirgends deutlicher als an der Strombörse um zwölf Uhr mittags. Vor wenigen Jahren noch war das die goldene Tageszeit der Kraftwerke. Wenn in Deutschlands Küchen und Kantinen die Herdplatten liefen, schoss die Stromnachfrage in die Höhe - und mit ihr der Börsenpreis. Nie waren die Kraftwerke so ertragreich wie in diesen Stunden. Heute aber stürzt zur Mittagszeit der Strompreis an der Börse in den Keller. Bei Sonne ist der Mittag mittlerweile die goldene Tageszeit für Hunderttausende Solarzellen im Land. Dann geht es den Kraftwerken schlecht. "Wir sind bei Eon zu dem Ergebnis gekommen, dass es zunehmend schwierig wird, als breit aufgestelltes Unternehmen in der alten und in der neuen Welt unterwegs zu sein." So sagt das Teyssen.

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:Ende der Dinos

Adieu Atomenergie, tschüss Kohle und Gas: Eon verabschiedet sich aus der alten Energiewelt. Das ist richtig, weil die Zukunft der Versorgung anders aussieht. Aber ein Problem bleibt.

Kommentar von Markus Balser

Das gleicht einem Erdbeben in der Energiewelt. Die Stromkonzerne verstanden sich immer als "integrierte Unternehmen", die von der Stromerzeugung bis zur Steckdose alles im Griff haben wollten. Eon, um die Jahrtausendwende entstanden aus der Fusion der Mischkonzerne Veba und Viag, Mutter von Traditionsunternehmen wie dem Bayernwerk und der PreußenElektra, ging sogar noch einen Schritt weiter: 2003 griff das Unternehmen nach der Essener Ruhrgas und sicherte sich damit neben der Gasversorgung in Deutschland auch Zugriff auf Gasfelder in Russland. Auch sie sollen nun in einer Firma landen, die intern nur "die Neue Gesellschaft" heißt. Zusammen mit Kohle- und Gaskraftwerken, mit dem Energiehandel und: den Atomkraftwerken. Bis Mitte 2016 soll die "Neue Gesellschaft" an die Börse.

Wer von den beiden Eon-Zweigen am Ende erfolgreicher sein wird, das stehe "noch nicht in den Büchern", sagt Eon-Chef Teyssen. Zumal die neue Firma völlig frei von Schulden in die Unabhängigkeit entlassen werde. Nur: Sie ist nicht frei von Lasten. Denn mit den Atomkraftwerken wird das neue Unternehmen eine milliardenschwere Hypothek übernehmen. Nur noch sechs Jahre lang wird es an der Kernkraft verdienen können, Ende 2022 geht mit Isar 2 der letzte Eon-Meiler vom Netz. Fortan wird das Unternehmen den Abriss und die Entsorgung von sechs stillgelegten Atomkraftwerken stemmen müssen. Insgesamt 14,6 Milliarden Euro an Rückstellungen hat Eon dafür gebildet, sie werden ebenfalls in der neuen Firma landen, nicht selten in Form von Beteiligungen an Unternehmen oder Kraftwerken.

Eine "bad bank" des einstigen Konzerns

Ob die aber in ferner Zukunft immer noch 14,6 Milliarden Euro wert sein werden, bleibt dahingestellt. Denn wenn es mit den erneuerbaren Energien weiter bergauf geht, geht es mit den Kraftwerken zwangsläufig weiter bergab. Auch Eon spekuliert darauf, dass der Staat notleidenden Kraftwerken helfen könnte, um zumindest eine Reserve für Notfälle zu erhalten. Das aber ist ungewiss.

Läuft es schlecht für die neue Firma, wird der Wert der Rückstellungen peu à peu sinken - und die neue Abspaltung würde zu einer Art "bad bank" des einstigen Eon-Konzerns, in der sich irgendwann nur noch der unverkäufliche Rest des einst größten deutschen Stromkonzerns fände. Wer dann am Ende für die atomare Hinterlassenschaft aufkäme, das weiß keiner. Eon jedenfalls nicht mehr - bis dahin sitzt der Düsseldorfer Konzern längst auf seiner geliebten Schnittstelle und erfreut sich der schönen neuen Windparks im Portfolio.

Derweil geht das Eon-Management nun erst einmal auf die Reise durchs eigene Unternehmen. Überall wolle man die neue Strategie erklären, sagt Personalvorstand Mike Winkel. Zwar sollen die Jobs sicher sein wie eh und je. Aber der Umbau werde "für viele Kollegen nicht leicht nachvollziehbar sein". Viele kennen noch die alte Zeit, in denen stolze Kraftwerker Deutschlands Maschinen am Laufen hielten, zuverlässig Tag und Nacht. Windräder und Schnittstellen waren da weit, weit weg.

© SZ vom 02.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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